M 1000 R: Die nackte Tausender von BMW gibt es nun auch getunt. Zum Einsatz kommt nur feinstes Material – das hat seinen Preis.
BMW lässt mal wieder die Muskeln spielen: Nach dem 217 PS starken Superbike M 1000 RR ist die bald kaufbare M 1000 R das zweite Kraftrad aus der markeneigenen Tuningschmiede M und das weltweit leistungsstärkste Naked Bike der Welt. Und bevor man aufsitzt, fragt man sich, worin denn eigentlich der Spaß besteht, dieses 210 PS-Monster über Landstraßen oder durch Ortschaften zu bewegen. Wie harmonieren Verkehrsregeln mit einem Wert von 3,2 Sekunden für die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h und einer Höchstgeschwindigkeit von 280 km/h?
210 PS, 199 Kilo Leergewicht
Gut eineinhalb Jahre ist es her, dass wir die damals neue BMW S 1000 R ausprobieren durften; 165 PS standen für „grenzenlosen Überfluss“. Nun hat BMW den Motor des soeben runderneuerten Superbikes S 1000 RR (999 ccm, 154 kW/210 PS) ins verfeinerte R-Fahrwerk verpflanzt. Dank zahlreicher Kniffe zur Gewichtsabsenkung kommt trotz manch technisch bedingter Zuwaage dasselbe fahrfertige Leergewicht von 199 Kilogramm heraus wie bei der 2021er S 1000 R; es ergibt sich also ein Leistungsgewicht von unter einem Kilogramm pro PS. Ein galaktischer Wert für ein Naked Bike. Kein Wunder, dass die Aerodynamiker bei der M R im Frontbereich ein mächtiges Flügelwerk installierten, um das Vorderrad bestmöglich auf den Asphalt zu zwingen.
Nur vom Feinsten
Es ist müßig, einzelne Eigenschaften dieses Energiebündels beschreiben zu wollen: Jedes Detail – Bremszangen, Fußrasten, Räder, überbreiter Rohrlenker – ist von höchster Material- und Konstruktionsgüte. Das Beste vom Besten, das Gediegenste vom Gediegenen. Dass angesichts des immensen Perfektionsstrebens der Entwickler ein Preis von 22.600 Euro herauskommt, verwundert nicht. Kostet doch schon der Basis-Vierzylinderroadster, die S 1000 R, ab 15.500 Euro. 50 Prozent Preis-Plus erscheinen angesichts der Ausstattungs- und Finessenfülle nicht übertrieben, auch wenn natürlich kein Mensch mit der M R um 50 Prozent schneller fahren kann als mit der S 1000 R. Vielleicht kann man fünf Prozent schneller sein, aber auch nur bei Außerachtlassung aller Verkehrsvorschriften. Wie lange dieses Vorgehen andauern kann, bis man ohne Lizenz dasteht, lassen wir mal offen. Gesichert ist, dass die Durchzugswerte diejenigen der S 1000 R klar distanzieren: nur 2,9 Sekunden vergehen für den Spurt von 60 auf 100 km/h wie für 100 auf 150 km/h (die S braucht jeweils 3,3 sec.).
Überall nur Power
Aber fraglos ist der Überfluss an Motorpower, Bremspower, Elektronikpower und Gewichtsminimierung ein Genuss. Dazu die feine Ausstattung: Lenkerendenspiegel, semiaktives Dämpfungssystem DDC, die Fahrmodi- und die gesamte Anzeigen-Vielfalt im stets übersichtlichen TFT-Display suchen ihresgleichen. Und für diejenigen, die sich auch noch das i-Tüpferl auf dem M gönnen wollen, steht nicht nur ein M-Competition Paket (mit Kohlefaser-Rädern, Kohlefaser-Abdeckungen) zur Verfügung, sondern es gibt auch noch eine M-Titan Vorschalldämpferanlage inklusive Titankrümmer.
Sie kann aber auch gemütlich
Nach BMWs Überzeugung gelingt der M R der Spagat zwischen Rennstreckenmotorrad und Sportgerät für die öffentliche Landstraße perfekt. Wir stimmen dem zu. Die weiß-blaue Macht auf Rädern überzeugt im dichtesten Gebirgs-Kurvengewirr genauso wie in langen Biegungen und natürlich auf der Geraden, beim Durchladen mit Schaltpunkten bei 14.600 Kurbelwellenumdrehungen und bei Verzögerungen von deutlich über 10 m/sec².
Am beeindruckendsten ist freilich, wie breit das Genuss-Spektrum auf der M 1000 R ist: Sie nimmt einerseits bei 2.000/min. gelassen Gas an, zieht ruckfrei durch und wechselt dank neuester Quickshifter-Technologie praktisch ruckfrei ohne Kupplung die Gänge, während sie andererseits bei Bedarf mit höchsten Drehzahlen und höchster Leistung eine unfassbare Fahrdynamik generiert.
Die Souveränität fasziniert
Es ist nicht die schiere Kraft, die fasziniert, es sind Souveränität, Ausgewogenheit und Fahrbarkeit. Wer Kupplung und Gasgriff dosieren kann und ein gutes Auge für die nächste Kurve und deren Radius hat, kann sich bedenkenlos diesem Überflieger anvertrauen. Die Macht auf Rädern fängt ihren Fahrer mit der Freude am Überfluss ein. Ulf Böhringer/SP-X
BMW M 1000 R – Technische Daten:
Motor: Flüssigkeitsgekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor, 999 ccm Hubraum, vier Ventile pro Zylinder, 154 kW/210 PS bei 13.750 U/min., 113 Nm bei 11.000 U/min; Einspritzung, 6 Gänge, Kette.
Fahrwerk: Aluminiumverbund-Brückenrahmen, Motor mittragend; USD-Telegabel ø 4,5 cm vorne, voll einstellbar, 12 cm Federweg; Aluminium-Unterzug-Zweiarmschwinge, Zentralfederbein, voll einstellbar, 11,7 cm Federweg; Alu-Schmiederäder; Reifen 120/70 R 17 (vorne) und 200/55 R 17 (hinten). 32 cm Doppelscheibenbremse mit Vierkolben-Radialsätteln vorne, 22 cm Einscheibenbremse mit Einkolben-Schwimmsattel hinten.
Assistenzsysteme: Vier Fahrmodi (Rain, Road, Dynamic, Race inkl. Race 1-3), schräglagenoptimiertes Zweikreis-ABS (teilintegral), Traktionskontrolle, spezieller Regen-Bremsmodus, Brake-Slide-Assist, Dynamische Dämpfungsanpassung DDC, aut. Blinkerrückstellung. Schaltassistent Pro, Keyless-Startsystem, Tempomat, adapt. Kurvenlicht.
Maße und Gewichte: Radstand 1,45 m, Sitzhöhe 84 cm, Gewicht fahrfertig 199 kg, Zuladung 208 kg; Tankinhalt 16,5 Liter.
Fahrleistungen: 0-100 km/h ca. 3,2 s, Höchstgeschwindigkeit 280 km/h. Normverbrauch lt. WMTC-Norm (EU 5) 6,4 l/100 km.
Verfügbarkeit: ab Januar 2023. Preis: ab 22.600 Euro.
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