Mit dem EX30 bringt Volvo nun sein kleinstes Modell auf den Markt. Es bietet einige Überraschungen. Erste Fahreindrücke.
Eigentlich sollte zu dieser Zeit des Jahres ja das neue Flaggschiff von Volvo, der EX90, vorgestellt werden. Doch bei diesem Projekt hat sich einiges verzögert, so dass man auf der anderen Seite der Produktpalette ansetzt, beim EX30. Diesen durfte man dieser Tage zum ersten Mal fahren – und er hielt eine Überraschung in petto: Mit der Topmotorisierung knackt er die 100-km/h-Marke in nur 3,6 Sekunden. Das ist so schnell wie der Porsche Carrera 4S.
Ist die PS-Protzerei wirklich nötig? Bei einem SUV in Kleinwagengröße? Volvo kontert mit dem Hinweis auf die Gleichteilestrategie. Die beiden E-Motoren des 428 PS starken EX30 Dual Drive werden auch in anderen Modellen verwendet, sind also günstiger als schwächere Antriebe, die man neu ins Programm aufnehmen müsste. Allerdings bietet Volvo sein neues E-Auto auch mit einem 272-PS-Aggregat an – was ja immer noch recht üppig ist.
Volvo EX30: In 3,6 Sekunden auf 100
Die zweite Überraschung: Ausgerechnet die Marke mit dem Nimbus eines Sicherheitsapostels bringt ein Fahrzeug auf den Markt, das Geschwindigkeit und andere fahrrelevante Anzeigen nicht mehr im Blickfeld, sondern nur noch auf dem Zentralbildschirm in der Mitte anzeigt. Und dass Menschen über 1,80 Meter Größe beim Beladen Gefahr laufen, sich schmerzhaft den Kopf am Schloss der geöffneten Heckklappe zu stoßen und dass man sich verrenken muss, um die zentral in der Mittelarmlehne montierten Fensteröffner zu bedienen, dürfte manchem Volvo-Enthusiasten ebenfalls sauer aufstoßen.
Damit wären die Kritikpunkte aber schon aufgezählt. Auch hier kontern die Ingenieure mit dem Hinweis auf die günstige Plattformstrategie. Denn auch das sollte die Volvo-Fangemeinde wissen: Design und Abstimmung des EX30 stammen wie üblich von den Schweden, technisch jedoch basiert der kleine SUV auf der SEA-Plattform der chinesischen Konzernmutter Geely, die unter anderem der neue Smart nutzt.
Die Käufer wird es wenig jucken. Der kleine SUV sieht aus jedem Blickwinkel aus wie ein Volvo, er fährt ebenso komfortabel, kostet aber weniger als alle anderen Modelle der Marke. Ab 36.590 Euro geht’s los mit dem 272 PS starken Einstiegsmodell samt 51 kWh großer Batterie und 344 Kilometern Reichweite. Serienmäßig mit Wärmepumpe, Lademanagement sowie der Möglichkeit, die Batterie zu konditionieren.
Am oberen Ende steht das komplett ausgestattete Top-Modell, das mit 428-PS-Motor und 69-kWh-Akku 450 Kilometer weit fährt und ab 48.490 Euro kostet. Im Vergleich zu anderen E-Autos dieser Größe, selbst von chinesischen Marken, sind das echte Knallerpreise. Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass der EX30 die Volvo-Zulassungen nach oben treiben wird. Weshalb bereits weitere Produktionskapazitäten freischaufelt wurden. Ab 2025 soll er außer in China in Gent/Belgien vom Band laufen.
Lange Aufpreisliste für den Volvo EX30
Natürlich wird es kein Käufer bei den Einstiegspreisen belassen. Zu lang ist die Liste der Optionen, die vom riesigen, UV-geschützten Glasdach über die Zweifarbenlackierung mit schwarzem Dach bis zu Radkasten füllenden 20-Zöllern reicht. Fast alle Extras sind in den beiden Ausstattungslinien Plus und Ultra gebündelt, die Volvo neben der Basisversion Core auflegt. Wobei der Begriff „Basis“ relativ ist: Alles fürs reine Fahren Notwendige ist auch hier an Bord, samt den üblichen Fahrassistenten und der Google-basierten Navigation, die sich einfach per Sprache bedienen lässt. Natürlich aktualisiert sich die Fahrzeugsoftware Over the Air, lassen sich viele Funktionen wie Standheizung per App fernbedienen. Trotzdem empfiehlt es sich, 3.000 Euro ins zweite Ausstattungsniveau Plus mit Nettigkeiten wie dem top klingenden, 1.040 Watt starken Soundsystem von Harman Kardon oder der Zweizonen-Klimaautomatik zu investieren.
22-kW-Bordlader im erst ab „Ultra“
Den 22-kW-Bordlader, der die Wartezeit an den städtischen Ladesäulen halbiert, liefert Volvo allerdings erst in der weitere 3.600 Euro teureren Version Ultra. Und die wiederum nur in Kombination mit der größeren Batterie, was den Preis der 272-PS-Version auf 48.990 Euro treibt. Zu kompliziert? Dann merken Sie sich einfach: Für den Alltagsgebrauch genügt der Single Motor Plus mit kleinem Akku und mittlerer Ausstattung (39.590 Euro). Wer häufig lange Strecken fährt und viel öffentlich lädt, nimmt ihn als Ultra mit großem Akku (48.990 Euro). Und der Twin Motor Performance mit 428 PS? Nett zu fahren, aber unnötig.
Zumal er nicht wirklich zum Nachhaltigkeitsaspekt passt, den die Schweden so betonen: 17 Prozent des verwendeten Stahls, ein Viertel des Aluminiums und 17 Prozent der Kunststoffteile des Autos sollen aus wiederverwerteten Materialien bestehen, darunter Fischernetze, ausrangierte Fensterrahmen, Kork oder alte Kunststoffflaschen. Der lederfreie, minimalistische Innenraum soll gemütlich wie ein skandinavisches Wohnzimmer wirken, und je nach Geschmack sind die Sitze mit glattem Vinyl oder wohnlich weiche Wollstoffe bezogen.
Wie aber fährt sich der EX30? Komfortabel, sicher und völlig problemlos. Letzteres schon deshalb, weil sich die Bedienung von selbst erklärt. Wer den Schalter für den Ein-Pedal-Modus im Untermenu gefunden hat, regelt den Speed komplett mit dem rechten Fuß, bis zum Stillstand. Außerdem positiv: Anders als in vielen Autos chinesischer Herkunft bevormunden die Assistenten den Fahrer nicht ständig, sondern greifen nur sanft ein. Ja, auch im EX30 bimmelt der mittlerweile gesetzlich vorgeschriebene Tempowarner, sobald ein km/h zu viel auf der Anzeige steht. Aber mit nur zwei schnellen Klicks ist er ebenso wie der Spurhalter stummgeschaltet.
Als vollwertiger Viersitzer für Erwachsene kann das kleine SUV zwar nicht durchgehen, dafür geht’s auf der Rückbank etwas zu eng zu. Auch der Kofferraum reicht für kaum mehr als das Wochenendgepäck. Allerdings lassen sich seine 318 Liter dank der geraden Seitenwände gut ausnutzen. Das Gesamtpaket aber passt. Singles oder Paare dürften mit dem EX30 gut bedient sein. Hanno Boblenz/SP-X
Volvo EX30 – Technische Daten:
Kompaktes SUV; Länge: 4,23 Meter, Breite: 1,84 Meter (mit Außenspiegel: 2,03 Meter), Höhe: 1,55 Meter, Radstand: 2,65 Meter, Wendekreis: 10,7 Meter, Kofferraumvolumen: 318 – 904 Liter, Frunk 7 Liter.
Single Motor:
Batterie: Lithium-Ionen, Kapazität 51 kWh (nutzbar: 49 kWh), max. Ladeleistung 11 kW (AC)/150 kW (DC). Heizung über Wärmepumpe.
Antrieb: Ein Elektromotor hinten, 200 kW/272 PS, maximales Drehmoment: 343 Newtonmeter, 0-100 km/h: 5,7 s, Vmax: 180 km/h, Hinterradantrieb, Normverbrauch: 16,7 kWh/100 Kilometer, Reichweite: 344 km, Preis: 36.590 Euro (Core).
Single Motor Extended Range:
Batterie: Lithium-Ionen, Kapazität 69 kWh (nutzbar: 64 kWh), max. Ladeleistung 22 kW (AC)/175 kW (DC). Heizung über Wärmepumpe.
Antrieb: Ein Elektromotor hinten, 200 kW/272 PS, maximales Drehmoment: 343 Newtonmeter, 0-100 km/h: 5,3 s, Vmax: 180 km/h, Hinterradantrieb, Normverbrauch: 17,0 kWh/100 Kilometer, Reichweite: 476 km, Preis: 41.790 Euro (Core).
Twin Motor Performance AWD:
Batterie: Lithium-Ionen, Kapazität 69 kWh (nutzbar: 64 kWh), max. Ladeleistung 22 kW (AC)/175 kW (DC). Heizung über Wärmepumpe.
Antrieb: Zwei Elektromotoren, 315 kW/428 PS, maximales Drehmoment: 543 Newtonmeter, 0-100 km/h: 3,6 s, Vmax: 180 km/h, Allradantrieb, Normverbrauch: 17,5 kWh/100 Kilometer, Reichweite: 450 km, Preis: 48.490 Euro (Plus).
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