Automobil-Zulieferer Magna hat auf der CES ein System zum Aufspüren von Atem-Alkohol vorgestellt. Es soll US- und EU-Vorgaben umsetzen.
Alkohol am Steuer ist seit Jahrzehnten ein Problem, dem nicht Herr zu werden ist. Die Polizei erfasste in Deutschland im Jahr 2022 insgesamt 16.807 Alkoholunfälle mit Personenschaden – Tendenz steigend. In den USA könnten mehr als 10.000 Menschenleben pro Jahr durch die Verhinderung des Fahrens unter Alkoholeinfluss gerettet werden. Das hat das Insurance Institute for Highway Safety errechnet. Über wirksame Gegenmaßnahmen wird seit vielen Jahren diskutiert. Zulieferer Magna stellte jetzt auf der Elektronikmesse CES in Las Vegas ein Gerät zum Testen des Alkoholkonsums vor, das die künftigen Anforderungen der Zulassungsbehörden in der EU und in den USA erfüllen soll.
Für die Autohersteller und ihre System-Lieferanten besteht akuter Handlungsbedarf. Denn in den USA sollen über das Infrastrukturgesetz bis spätestens 2027 Technologien zur Verhinderung von Alkohol am Steuer in neuen Pkw vorgeschrieben werden. Und die EU schreibt bis Juli 2024 eine Schnittstelle zur einfachen Integration sogenannter Alkohol-Interlocks in Neufahrzeugen zwingend vor. Der Einbau eines Atemalkohol-Kontrollgeräts ist aber laut Deutscher Kommission Elektrotechnik (DKE) bis auf Weiteres freiwillig.
Das System „erschnuppert“ den Atem-Alkohol
Entsprechend groß war auf der Tech-Messe CES das Interesse am neuen Alkohol-Detektor von Magna. Er basiert auf einer Kombination von Kameras und Infrarotsensorik. Und zwar im Gegensatz zum etwa von Volvo seit Jahren bekannten Alko-Tester, in den man aktiv hineinpusten muss, als passives System: Das noch namenlose Elektronik-Zubehör arbeitet weitgehend im Verborgenen. Das entscheidende Bauteil, ein infrarotbasierter Sensor zur Bestimmung des Promillewerts in der Atemluft des Fahrenden, ist oben an der Lenksäule versteckt. Ein winziges Gebläse saugt nach dem Einsteigen und während des Anschnallens des Fahrenden genug von dessen Atemluft an, um die Alkoholkonzentration gesichert feststellen zu können.
Dass die analysierte Brise nicht etwa der nüchterne Beifahrer statt des angetrunkenen Piloten beisteuert, wird laut Magna „schnell, zuverlässig und kostengünstig“ durch die obligatorische Innenraum-Kamera sichergestellt. Die kommt auch zum Einsatz, wenn die jeweils vorgeschriebene Promillegrenze überschritten wird, indem sie nach alkoholtypischen Pupillensignalen sucht. Wird die zu hohe Atemalkohol-Konzentration in beiden Schritten bestätigt, soll sich das Fahrzeug nach den Vorstellungen der Zulassungsbehörden nicht mehr starten lassen. Ein Fakt, der in den USA für reichlich Wirbel sorgt und von Autofahrern in diversen Internet-Foren als Eingriff in die persönliche Freiheit gewertet wird.
Es braucht eine klare Gesetzeslage
Ob die Regelung tatsächlich bis 2027 in den USA umgesetzt wird, hängt nach Ansicht von Experten auch vom Ausgang der Präsidentenwahl ab. Sollte Donald Trump wiedergewählt werden, könnte das Projekt der Biden-Regierung durchaus wieder gestoppt werden. Die Fachingenieure der DKE, die maßgeblich an der Vorlage für die EU beteiligt waren, sind von der zwingenden Notwendigkeit einer klaren Gesetzeslage überzeugt – schlicht aus Gründen der Verkehrssicherheit: „Vor allem der sehr oft unterschätzte Restalkohol wird sicher aufgedeckt“, so die Experten. So bedeute der obligatorische Atemalkoholtest gerade bei Schulbusfahrern morgens einen Sicherheitszugewinn für ihre Fahrgäste und deren besorgte Eltern.
Dass die Motorblockade bei Alkoholisierung ein wirkungsvolles Mittel zur Unfallvermeidung ist, ist in Ländern wie Schweden zu sehen. Dort sind Alkohol-Interlocks in Behördenfahrzeugen schon seit 2003 Pflicht. Bei Ausschreibungen für behördlich eingesetzte Pkw, Lastwagen und Busse kommen praktisch nur noch Hersteller zum Zuge, die eine Promille-Bremse installiert haben. Nach einer Trunkenheitsfahrt führerscheinlose Autofahrer können sich das Gerät freiwillig einbauen lassen, um ihre Lizenz schneller zurückzubekommen.
Auch in Finnland gibt es seit 2019 ein Alkohol-Interlock-Gesetz, Dänemark, Frankreich, Belgien, Polen und Österreich setzen „alkoholempfindliche Wegfahrsperren“ bei einschlägig auffällig gewordenen Autofahrern ein. Kombiniert werden sie meist mit einer sozialpsychologischen Betreuung. „Studien aus den USA und Schweden zeigen, dass die Rückfallquote zu Fahrten unter Alkoholeinfluss signifikant sinkt,“ resümiert die Deutsche Kommission Elektrotechnik. SP-X/Titelfoto: ADAC/Markus Hannich
Add a Comment