Mit der RS 457 bringt Aprilia einen Sportler für die 48-PS-Klasse. Das geringe Gewicht bedingt eine erfreuliche Handlichkeit.
Aprilia hat ein Herz für sportliche Aufsteiger: Die RS 457 füllt als jüngster Spross der italienischen Supersport-RS-Baureihe die nicht für jeden erkennbare Lücke zwischen RS 125 und RS 660 und passt mit 48 PS haargenau in die Führerschein-A2-Klasse. Dabei sieht die Neue keineswegs wie zu heiß gewaschen aus, im Gegenteil: Mit Alu-Rahmen, Leichtmetallschwinge und dem schnittigen Gesicht mit in den LED-Scheinwerfern integrierten Blinkern wirkt die RS 457 gar nicht wie ein gerade der Leichtkraftradklasse entwachsenes Bike.
Insofern verwundert es kaum, dass die Sitzverhältnisse hinterm gegossenen Leichtmetalllenker ziemlich ausgewachsen, aber nicht so supersportlich ausfallen, wie angesichts der Optik vermutet: Die Lenkerenden liegen nicht zu tief, die Rasten nicht zu hoch und der Sitz dazwischen in sehr erdverbundenen 80 Zentimetern Höhe. Dessen äußerst schlanke Taille erlaubt auch kurzen Beinen einen soliden Bodenkontakt. Nichtsdestotrotz passen auch lange Lulatsche ins Ergonomiedreieck, ohne sich zu arg zusammenfalten zu müssen.
Die Bedienelemente geben keine Rätsel auf, die Zündung wird per Schlüssel aktiviert und mit dem Druck aufs Starterknöpfchen erwacht der neu entwickelte 270-Grad-Reihenzweizylinder zum Leben. Dem gut versteckten Edelstahl-Schalldämpfer entweicht eine dumpfe, mit 95 dB(A) Standgeräusch ziemlich kräftige Note, die nach viel mehr klingt als die technischen Daten nahelegen: Der flüssigkeitsgekühlte Twin erntet aus exakt 457 Kubik mit Vierventiltechnik und Doppelnockensteuerung 47,6 PS bei 9.400 U/min und ein maximales Drehmoment von 43,5 Nm bereits bei 6.700 Touren. Zusammen mit dem fahrfertigen Leergewicht von 175 kg ist die RS 457 damit perfekt konfektioniert fürs Führerschein-A2-Schema.
Perfekt für den Führerschein A2
Verzicht braucht niemand zu üben; der kleinen Aprilia mangelt es elektronisch an nichts, alles im übersichtlichen Menü des Fünf-Zoll-TFT nach Art des Hauses dargestellt: Wer’s mag, kann die Leistungsentfaltung über drei Fahrmodi absoften und von der dreistufigen Traktionskontrolle absichern lassen, das ABS lässt sich bei Bedarf hinten abschalten.
Ihre Premiere feierte die Aprilia auf dem schrecklich verwinkelten Rundkurs des Autodromo die Modena unweit der Ferrari-Heimstatt Maranello, doch die Aprilia machte das Kennenlernen des unbekannten Kurses leicht: Die homogene, durchgängig saftige Leistungsentfaltung des Twin erlaubt das Fahren in einem breiten Drehzahlband. Schon im unteren Drehzahldrittel schiebt der Motor fröhlich an, mit flacher Drehmomentkurve serviert er schon in der Mitte viel Schub, Ausdrehen bis an den bei 11.000 U/min beginnenden roten Bereich bringt keine Vorteile. Dazu funktioniert der aufpreispflichtige Blipper tadellos und macht zusammen mit der extrem leichtgängigen Kupplung Gangwechsel zum kurzweiligen Pläsier.
Die leichte Italienerin setzt Richtungsvorgaben so gedankenschnell um, dass man oft zu früh den Kurveneingang anpeilt. Schon leichte Gewichtsverlagerungen genügen für klare Richtungswechsel und tiefste Schräglagen, dank der extra aufgezogenen klebrigen Pirelli Supercorsa SP ein pures Vergnügen. Den normalen Serienreifen würde man das nicht zumuten: In die Auslieferung kommt die RS 457 mit den unbekannten TVS-Pneus Extreme aus Indien.
Aprilia RS 457: Pure Handlichkeit
Ihre Handlichkeit erkauft die RS ohne Einbußen bei der Stabilität – der Alu-Rahmen und die nur in der Federvorspannung einstellbaren Federelemente haben nur wenig Mühe, die Siebzehnzollräder auf dem makellosen Untergrund zu halten. Ob das auch auf ungnädigem Alltags-Asphaltmix so gut funktioniert, ist reine Spekulation. Für solche Bedingungen zeigen sich die Stopporgane gut gerüstet, denn die Bybre-Vierkolbenzangen verzögern alles andere als bissig, aber hinreichend effektiv. Auf der Rennstrecke unter hoher Belastung lässt die Wirkung zwar nach, doch das dürfte im Alltag keine Rolle spielen, wie auch das leichte Aufstellmoment beim Bremsen in Schräglage den guten Gesamteindruck nicht trüben kann, das sich mit zunehmender Vertrautheit einstellt.
Die RS 457 steht im klassischen schwarz-roten Aprilia-Rennstreckendekor, Racing Stripes genannt, oder im eleganten Opalescent Light-Weiß im Schaufenster. Ein kleines Highlight ist die Prismatic Dark-Lackierung, deren Farbgebung je nach Sonneneinstrahlung von grün bis violett changiert. Alle drei gehen für knapp 7.200 Euro über die Theke, das ist ein Preis, der nur durch die Produktion in Indien möglich ist. Kleine Unpässlichkeiten bei der Verarbeitung sind dafür in Kauf zu nehmen. SP-X
Aprilia RS 457 – Technische Daten:
Motor: Flüssigkeitsgekühlter Reihenzweizylinder, 457 ccm Hubraum, 35 kW (47,6 PS) bei 9.400/min, 43,5 Nm bei 6.700/min; vier Ventile/Zylinder, dohc, Einspritzung, Sechsganggetriebe, Kette.
Fahrwerk: Leichtmetall-Brückenrahmen; 4,1 cm USD-Telegabel vorne, Vorspannung einstellbar, 12 cm Federweg; LM-Zweiarmschwinge hinten, ein Federbein in der Vorspannung einstellbar, 13 cm Federweg; Leichtmetallgussräder; Reifen 110/70 ZR17 (vorne) und 150/60 ZR17 (hinten). 32 cm Einzelscheibenbremse vorne, 22 cm Einscheibenbremse hinten.
Assistenzsysteme: ABS, Traktionskontrolle, Fahrmodi.
Maße und Gewichte: Radstand 1,35 m, Sitzhöhe 80 cm, Gewicht fahrfertig 175 kg, Zuladung 210 kg; Tankinhalt 13 Liter.
Fahrleistungen und Verbrauch (Herstellerangaben): Höchstgeschwindigkeit 190 km/h, 4,0 l/100 km.
Preis: 7.199 Euro zzgl. Nebenkosten.
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