Als Fahrer des Kia EV9 kann man mit gutem Gewissen Raum, Komfort, Leistung und Aufmerksamkeit genießen.
Die Zeiten, in denen man mit einem Elektroauto Aufsehen erregte, sind eigentlich vorbei. Es gibt allerdings noch Ausnahmen wie etwa den EV9 von Kia. Allein mit seiner über fünf Meter langen und gut zwei Meter breiten Karosserie fällt der Koreaner unweigerlich auf. Zumal das monolithisch inszenierte XL-Format den Eindruck eines für deutsche Verhältnisse absurd großen Mobils noch verstärkt. Zur kastig-kantigen Blechhaut gesellen sich die prägnante Außenfarbe Türkisblau, schwarze Hochglanzflächen, fesche Leuchten und ein Preis um 80.000 Euro.
Monolithisch inszeniert
Neugierige und manchmal auch vorwurfsvolle Blicke ernteten wir mit dem Trumm zuhauf. Kritischen Kommentatoren konnten wir mit dem Hinweis auf den emissionsfreien Antrieb den Wind aus den Segeln nehmen. Das Format des EV9 mag obszön und aus der Zeit gefallen wirken, klimatechnisch ist sein Antrieb sauber. Als Nutzer kann man sich also ohne schlechtes Gewissen an dem protzigen Format erfreuen. Sieht man einmal von der erschwerten Parkplatzsuche ab, bietet es eigentlich nur Vorteile. Dazu kommen angenehme Fahreigenschaften und imposante Fahrleistungen.
Der EV9 ist in erster Linie ein SUV, ein bisschen aber auch ein Supercar. Die 100-km/h-Hürde nimmt der 2,7-Tonner in der Allradversion GT Line in kurzweiligen 5,3 Sekunden. Der Antrieb schiebt ruckfrei, mühelos und aus nahezu jeder Situation mit großen Reserven und viel Traktion nach vorn. 283 kW/385 PS und 700 Newtonmeter sind die nüchternen und zugleich imposanten Zahlen des längsdynamischen Freudenquells, der trotz der 2,7 Tonnen Fahrgewicht mit verblüffend leichtfüßigem Handling einhergeht. Auch die Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h ist in der Welt der Elektroautos ein nicht gerade knauseriger Wert.
Lustvolles Treiben
Möglich macht das lustvolle Treiben ein stolzer 100-kWh-Akku, der seine gespeicherten Stromlinge dank 800-Volt-Architektur ziemlich ungezügelt auf die beiden achsnahen E-Maschinen jagen kann. Unter Effizienzgesichtspunkten bleibt das nicht ohne Folgen. Verbräuche um die 30 kWh pro 100 Kilometer muss man verkraften können. Zumindest an den teuren Schnellladesäulen haben wir so manches stolze Sümmchen gelassen.
Bei Autobahnfahrten mit Tempo 120 lag der Verbrauch bei kühlen Außentemperaturen und eingeschalteter Klimaanlage bei durchschnittlich 27,8 kWh. Abzüglich eines Sicherheitspuffers muss man bei winterlichem Wetter praktisch alle 250 bis 300 Kilometer einen Tankstopp einlegen, der in der Regel recht kurz ausfällt. An Hyperchargern kann der EV9 sogar über einige Zeit hinweg 200 kW abrufen und damit in rund 15 Minuten Strom für die nächsten 200 Kilometer im Unterboden bunkern.
Platz für sieben Personen
Die Ladekunst des EV9 ist auch in anderer Hinsicht auf hohem Niveau. Bis zu 7 Personen finden hier auf drei Sitzreihen Platz. Selbst auf den beiden Stühlen ganz hinten sitzen Erwachsene kommod. Der Radstand von 3,10 Metern ist jedenfalls eine Bank. Entsprechend ist das Platzangebot in den beiden vorderen Reihen hervorragend. Das gilt auch für das Gepäck. Der Kofferraum lässt sich von 333 auf 828 Liter erweitern. Werden alle Rücksitze flachgelegt, sind es fast 2.400 Liter – und damit deutlich mehr als bei geräumigen Familienkombis. Hinzu kommt ein Frunk, der je nach Antrieb 52 bis 90 Liter fasst. Bemerkenswert für Gespannfahrer: Die Allradversionen können 750 beziehungsweise 2.500 Kilogramm an den Haken nehmen.
Der Traum von Raum geht mit gutem Fahr- und Geräuschkomfort einher. Darüber hinaus erfreut der leise Gleiter mit einem wohnlichen Ambiente und einem vorbildlichen Infotainmentsystem. Letzteres bietet viele Möglichkeiten, erst recht im Zusammenspiel mit der stabilen Smartphone-Konnektivität. Das weitgehend digitale Cockpit ist aufgeräumt und mit vielen praktischen Ablagen ausstaffiert. Die Orientierung fällt leicht, der Sprachassistent hört präzise zu, das Meridian-Premium-Soundsystem bereitet Audiophilen viel Freude.
Aufdringliche Assistenten
Einige andere Assistenten sind bisweilen aufdringlich bevormundend, womit der Kia auch bei den Fahr- und Selbstfahrhilfen auf der Höhe der Zeit ist und sich keine Blöße gibt. Entsprechend hat Kia ein EuroNCAP-Ergebnis mit vollen fünf Sternen eingefahren.
Angesichts der Größe, des Batterieformats, der Leistung, der Variabilität und des Komforts darf man als Kunde nicht knauserig sein. Kia verlangt für die 150 kW/204 PS starke RWD-Variante bereits 72.500 Euro. Alternativ gibt es den AWD ab 76.500 Euro sowie die identisch motorisierte Topversion GT-Line für 82.400 Euro. Mario Hommen/SP-X
Kia EV9 – Technische Daten:
Fünftüriges SUV der oberen Mittelklasse mit sechs oder sieben Sitzen, Länge: 5,01 Meter, Breite 1,98 Meter (2,26 Meter inkl. Außenspiegel), Höhe: 1,76 Meter, Radstand: 3,10 Meter, Kofferraum-Volumen: 333 – 2.393 Liter, Frunk: 90 Liter (2WD) bzw. 52 Liter (4WD), je ein Elektromotor vorne und hinten, 283 kW/385 PS, maximales Drehmoment 700 Nm, Allradantrieb, Batterie-Kapazität 99,8 kWh, Ladeleistung bis 240 kW, Ladedauer von 10 auf 80 Prozent: 24 Minuten, Reichweite: 512 km, Vmax: 200 km/h. 0 – 100 km/h: 5,3 Sekunden, Verbrauch nach WLTP: 22,3 kWh/100 km. CO2-Emission: 0 g/km
Testverbrauch: 27,8 kWh/100 km
Preis: ab 76.490 Euro (GT-Line: ab 82.380 Euro)
Kia EV9 – Kurzcharakteristik:
Warum: SUV-Fahren mit gutem Gewissen
Warum nicht: Hoher Preis, kleine Garage
Was sonst: Mercedes EQS SUV, Lotus Eletre, Tesla Model X
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