Ora kopiert mit dem Ballet Cat ziemlich unverblümt den VW Käfer. In China auf dem Markt, soll er vor allem Frauen locken.
Die Zeiten, in denen China-Autos vornehmlich aus dem Copyshop kamen, sind längst vorbei. Na ja, fast jedenfalls. Bei Testfahrten in der Nähe von Peking ist uns mit dem GWM Ora Ballet Cat dann doch wieder eine Dublette über den Weg gekrabbelt. Sie zeigt, dass den Chinesen nichts heilig ist, noch nicht einmal unser Volksheld VW Käfer.
Ganz neu ist das Plagiat freilich nicht, bereits seit rund zwei Jahren baut Ora, die junge Elektro-Tochter aus dem Hause Great Wall Motor (GWM), bereits den China-Käfer – den sie übrigens genau mit diesem Begriff auch bewerben. Erstmals konnten wir nun hinters Steuer. Es gibt nicht den geringsten Zweifel, dass beim Ballet Cat der ewige Käfer Pate stand. Zweifarben-Lackierungen in rosa und babyblau, klassische Räder, zierliche Chromstoßstangen, kultige Kugelform mit angesetzten Kotflügeln und weit nach unten gezogener Fronthaube. Alles ist, bis auf die LED-Scheinwerfer, Käfer pur.
Der deutsche Ora-Importeur der Emil-Frey-Gruppe blickt sichtlich beschämt auf das Retro-Modell. Auch wenn sich GWM mittlerweile die Design-Patent-Rechte für Europa gesichert habe, würde Frey den Ballet Cat niemals nach Deutschland holen, völlig ausgeschlossen, schon wegen der Seriosität und überhaupt, was das für ein Bild auf die anderen Modelle werfe. Ganz zu schweigen davon, dass VW sie wahrscheinlich trotzdem mit haufenweise Unterlassungsklagen überschütten dürfte.
Import nach Deutschland ausgeschlossen
Die Chinesen sehen das Ganze naturgemäß deutlich lockerer. Der Ballet Cat sei eine Hommage an den Käfer. Und Kopieren ist schließlich – frei nach Oscar Wilde – die höchste Form der Anerkennung. VW habe den Käfer auch längst im Museum geparkt. Und der Ora wäre ja ein Viertürer, was es beim Original-Beetle nie in Serie gab, höchstens mal als Design-Studie. Auf der WEB-Seite sagt Ora unzweideutig: “Es ist Zeit, das Alte gegen das Neue einzutauschen“. Schuldbewusstsein hört sich anders an.
Die vier Türen kann sich der 4,40 Meter lange Käfer-Klon leisten, weil er auf der modernen E-Plattform des kompakten GWM Ora 03 steht, die wiederum auch weitgehend der neue E-Mini nutzt. In China gibt es drei Leistungsstufen, ab 126 kW/171 PS und zwei Batteriegrößen mit bis zu 500 Kilometer Reichweite. Vorne unter der Rundhaube sitzt der E-Motor samt Leistungselektronik. Wo beim Käfer der Vierzylinder boxte, öffnet nun eine große Klappe, dahinter ein überschaubarer Kofferraum mit geteilt umlegbaren Rücksitzen.
Als der Ballet Cat 2022 auf der Auto-Shanghai vorgestellt wurde, hieß es in der Pressemitteilung: “Ein Prinzessinnenauto für alle Frauen, die nachts von Kristallschuhen träumen und nach dem Erwachen doch nur ein langweiliges Auto fahren.“ Und noch heute will Ora vom männlichen Kunden eher wenig wissen. Als “elegantes Auto für Frauen“ ist die Zielgruppe klar definiert, kein männliches Wesen taucht irgendwo in der Werbung auf. Und spätestens beim Einstieg merkt Mann: Ladys first.
Und dann ist da der „Warm-Man Mode“
Die Türgriffe sind um einige Zentimeter abgesenkt, weil Frauen halt meistens kleiner sind. Alles ist in süßen Pastellfarben gehalten, die Sitze sind etwas kleiner, ebenso das “Damen-Lenkrad für zierlichere Hände”. In der Sonnenblende sitzt ein 22 Zentimeter großer Kosmetikspiegel, fürs Schminken lässt sich die Ambientebeleuchtung entsprechend einstellen. Die Mittelkonsole umfasst ein fetter Ring aus Swarovski-Kristall, innen hat sie eine Box, speziell für Make-Up-Utensilien. Und dann ist da ja noch der “Warm-Man-Mode”. Sorry, der heißt wirklich so. Untertitel, sinngemäß übersetzt, “intime Funktionen”. Wenn Frauen während der Fahrt “kalte Hände oder körperliche Beschwerden” haben (Stichwort Menstruation), werden Klimaanlage, Lenkrad und Sitze erwärmt, um zu verhindern, dass Frau in Panik gerät.
Beim Fahren immerhin emanzipiert sich die Damenhandtasche in Käfer-Form. Dann besinnt sich der Elektro-Klon seines technischen Ursprungs. Und der ist allemal zeitgemäß. Mit jeglichen Fahrassistenz-Systemen bestückt, beschleunigt der Ballet Cat rasanter, als es Herbie der tolle Käfer je tat, fährt souverän berechenbar um Kurven und erweist sich auch beim Federungskomfort als Gentleman alter Schule. Statt des wohlbekannten Sound eines luftgekühlten Boxers herrscht angenehme Ruhe in der Kugel.
In China, so hören wir, verkauft sich der Freund aller Frauen ziemlich gut. Zu Preisen von deutlich unter 30.000 Euro. Was er bei uns kosten würde, ist rein theoretischer Natur. Tomas Hirschberger/SP-X
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