Der dreirädrige i-Road wurde 2014 in Grenoble im Carsharing eingesetzt. 2021 stellte Toyota die Produktion wieder ein. Foto: Toyota

Citymobilität: Klein und vernetzt

Citys ersticken im Verkehr. Deshalb entwickeln Planer und Autohersteller Konzepte für die Citymobilität. Auch Toyota.

In der idealen Stadt der Zukunft sind alle Bewohner, Fahrzeuge sowie Gebäude miteinander vernetzt und kommunizieren über Daten und Sensoren. Großzügig angelegte Straßen haben voneinander getrennte Spuren für elektrische Sharing-Autos oder Shuttlebusse sowie Fußgänger und Radfahrer. Robotaxis ohne Fahrer bringen die Menschen vollautomatisiert zur Arbeit. Waren werden in Güterverteilzentren am Stadtrand gesammelt und über unterirdische Röhren zu City-Hubs befördert. Von dort aus gelangen sie per Lastenrad und kleinen E-Lkw emissionsfrei in die Geschäfte. Wer noch ein eigenes Auto besitzt, parkt es am Stadtrand, die Innenstadt ist für private Fahrzeuge tabu.

Das klingt nach heiler Welt? Mobilitätsforscher und Stadtentwickler weltweit haben solche Pläne im Kopf. Auch die Automobilhersteller ziehen mit, denn vernetzte Städte bilden die Basis für autonom fahrende Autos.

Woven City

Toyota beispielsweise baut momentan in Japan am Fuße des Fuji die sogenannte Woven City. Die 175 Hektar große „verflochtene Stadt“ soll Forschern und Ingenieuren als Spielwiese dienen, um Zukunftstechnologien aus den Bereichen Autonomie, Robotik, Mobilität, Smart Home und KI zu entwickeln. Oberirdisch sind drei Arten von Straßen geplant: Fußgängeralleen, Passagen, die sich Fußgänger und die individuelle Mobilität teilen, sowie Straßen für die automatisierte Mobilität. Waren werden auf unterirdischen Logistikstraßen transportiert.

Die Mobilitätsstrategen von Toyota wissen: So, wie sich Städte entwickelten, haben sie keine Zukunft. Vorfahrt fürs Auto auf Stadtautobahnen, die wie in Frankfurt (A 661, A3), Berlin (A 100) oder in Stuttgart (B 14) die Zentren in breiten Schneisen durchschneiden und Fußgänger beim Queren in Tunnel zwingen, will heute niemand mehr.

Kopenhagen macht es anders

Wie es anders geht, zeigt Kopenhagen. Die dänische Hauptstadt gilt als weltweites Vorbild für nachhaltige Stadtplanung und zukunftsweisende Mobilität und will die erste klimaneutrale City werden. Die dänischen Verkehrsexperten setzen dabei konsequent auf Fahrradverkehr, öffentlichen Nahverkehr und verkehrsberuhigte Zonen.

Kopenhagen gibt Radlern Raum. Foto: Thomas Hoyrup Christensen
Kopenhagen gibt Radlern Raum. Foto: Thomas Hoyrup Christensen

Stijn Peeters leitet bei Toyota Europe die Abteilung Mobilitätsprojekte. Seiner Ansicht nach hat Kopenhagen mit der nachhaltigen Stadtentwicklung genau den richtigen Weg eingeschlagen. „Städte überlassen dem Auto im Schnitt 67 Prozent der Straße. Radfahrern werden sieben Prozent zugestanden, Fußgängern 25 Prozent. Die Stadt der Zukunft muss die Verkehrsfläche gerechter verteilen“, fordert Peeters. „Momentan bekommen Autos den meisten Platz, obwohl sie nur ein Drittel der Mobilitätsleistung übernehmen.“

Doch Peeters weiß, dass sich die Menschen nicht von heute auf morgen vom eigenen Auto trennen. Sein Ansatz: Das Auto für die Stadt muss sich radikal verkleinern.

Trennungsschmerzen

Dieser Logik folgte schon Nicolas G. Hayek in den 1990ern. Er entwickelte das Swatchmobil als kleines, wendiges, elektrisch angetriebenes Minicar, um die urbanen Räume zu entlasten. Ein leichtes Gefährt, dass kaum Platz braucht und seine Besitzer im Gepäckwagen in den Urlaub begleitet. Was daraus wurde, ist längst Geschichte. Daimler übernahm, verwässerte das geniale Konzept und entwickelte den ersten Smart Fortwo.

Vergessen ist Hayeks Idee aber nicht: Zweisitzer wie die im Stellantisverbund gebauten Opel Rocks-e, Citroen Ami und Fiat Topolino, der Renault Twizy oder auch der Schweizer Microlino sind alle viel kleiner als jedes momentan angebotene „normale“ Auto. Als Leichtfahrzeuge der Klasse L6e sind sie nur 45 km/h schnell. Dafür dürfen schon 16jährige hinters Steuer.

Der FT-Me lässt sich auch quer parken. Foto: Toyota

Der FT-Me lässt sich auch quer parken. Foto: Toyota

Peeters Idee eines Citymobils unterscheidet sich von diesen Mikromobilen deutlich, sowohl vom Antrieb als auch vom Nutzwert. Seine Abteilung hat den Toyota FT-Me entwickelt. Der 2,50 Meter lange und extrem wendige Zweisitzer ähnelt optisch einem Jethelm auf Rädern, ist allerdings bisher nur eine Studie. Quer geparkt benötigt er nur ein Drittel des Raums herkömmlicher Autos. Sein leichter Beifahrersitz lässt sich mit ein paar Handgriffen ausbauen, um Platz für ein Fahrrad oder die großen Einkäufe zu schaffen. Und die übersichtliche Karosserie erlaubt freie Sicht in alle Richtungen, ohne teure 360-Grad-Kamera und Bildschirm.

Elektrisches Minicar

Dass das Minicar elektrisch fährt, versteht sich von selbst. Im Boden sitzt zwar eine kleine Batterie, die sich an jeder Steckdose aufladen lässt. Aber das Gros der Energie generieren Solarzellen auf dem Dach. Bei schönem Wetter soll die Sonnenenergie für 20 bis 30 Kilometer Reichweite reichen. Angesichts der durchschnittlichen Fahrleistung von Städtern müsste der kleine Cityflitzer im Idealfall nur noch alle paar Tage an die Steckdose. Peeters rechnet vor, dass die für den Betrieb eines durchschnittlichen Elektroautos nötige Energie für acht FT-Me reichen würde.

Funktioniert das in der Praxis, wäre der Wagen ideal fürs Carsharing. Und ein Geschäftsmodell für Toyota. Im Rahmen ihres Umbaus vom Automobilhersteller zum Mobilitätsanbieter gründeten die Japaner 2018 Kinto. Unter diesem Namen bietet Toyota heute in über 40 Ländern Car- und Ride-Sharing-Dienste, Auto-Abos und flexible Leasingsysteme an. Kinto könnte zum gigantischen Absatzkanal für einen Minicar wie dem FT-Me werden und Toyota die Stückzahlen bescheren, von denen die Stellantismarken bei ihren Minimobilen nur träumen. Das würde sich auf den Preis auswirken, den Peeters ähnlich wie bei den Microcars von Stellantis bei deutlich unter 10.000 Euro sieht.

Immer vorausgesetzt, aus der Studie wird irgendwann Realität. Ob LQ, u-Box, Fun-VI oder I-Road: FT-Me wäre nicht das erste Mobilitätskonzept, das Toyota irgendwann wieder in der Schublade verschwinden ließ. Schade wär’s, denn unsere Städte brauchen neue Ideen. Nicht für die Zukunft, sondern heute schon.   Hanno Boblenz/SP-X

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