Was wird aus der Brennstoffzellentechnik? Toyotas FCEV-Chef erklärt, was Deutschland falsch gemacht hat.
Stell Dir vor, Du hast eine Tankstelle, und niemand tankt. So ähnlich müssen sich die Betreiber von Wasserstoffanlagen in Deutschland fühlen. Mit den paar Brennstoffzellen-Hyundai Nexus und Toyota Mirai, die sich an die Zapfstellen verirren, kann nur überleben, wer einen großen Mineralölkonzern im Hintergrund hat.
Aber Toyota hält an der Technik fest, obwohl die Marke im vergangenen Jahr nur 148 Mirai verkauft hat. Das Unternehmen will in Europa bis 2040 CO2-neutral werden, zehn Jahre früher als im Rest der Welt. Dabei soll die Brennstoffzellentechnik helfen. „Es gibt nicht den einen Weg zum Ziel“, sagt Thiebault Paquet, der bei Toyota Motor Europe das Brennstoffzellengeschäft leitet. „Wir wollen bis 2030 rund 50 Prozent emissionsfreie Fahrzeuge verkaufen. Mit BEV alleine schaffen wir das nicht.“ Deshalb investieren die Japaner weiterhin Milliarden in die Entwicklung der Fuel-Cell-Technik.
Sie gelten weltweit als Exoten
Damit stehen sie allerdings ziemlich alleine da. Denn auch weltweit gesehen sind Pkw mit Brennstoffzellentechnik Exoten. Obwohl die Vorteile eigentlich auf der Hand liegen. Mithilfe von Wasserstoff erzeugt die Brennstoffzelle Strom für den Antrieb, das Auto fährt also immer elektrisch. Es ist nicht auf Ladesäulen angewiesen, tanken dauert kaum länger als mit Benzin oder Diesel.
Neben dem ersten Großserien-Pkw Mirai, den Toyota 2020 schon in zweiter Generation aufgelegt hat, bietet momentan nur Hyundai einen Wasserstoff-Pkw an. Mercedes hat nach jahrzehntelanger Forschung 2018 die Entwicklung von Fuel-Cell-Pkw gestoppt. BMW dagegen steht in den Startlöchern. Nach weltweiten Tests des iX5 Hydrogen hat BMW für 2028 die Serienfertigung von wasserstoffbetriebenen Modellen angekündigt, mit Toyota-Technik unter der Haube. Branchenexperten vermuten dahinter aber eher ein Kleinserien-Prestigeprojekt.
Mehr Schwung steckt im Geschäft mit wasserstoffbetriebenen Nutzfahrzeugen. Bei Stellantis liegt die Brennstoffzellen-Kompetenz bei Opel und wird in alle Marken gestreut. Eben erst kündigte der Konzern acht FCEV-Transporter von Citroen, Fiat, Opel und Peugeot an. Und Renault ist mit dem Master H2-Tech aktiv.
Brennstoffzellentechnik für Trucks
Auch beim schweren Lkw ist die Technik angekommen. Daimler Truck und Volvo entwickeln gemeinsam Fernverkehr-Lkw, Hyundai hat in Europa über 100 schwere Fahrzeuge auf der Straße. Das mit viel Enthusiasmus in die Entwicklung von Brennstoffzellen-Lastwagen gestartete US-Unternehmen Nikola Motors dagegen musste im Februar 2025 Insolvenz anmelden.
Toyota-Stratege Paquet wäre es nur recht, wenn mehr Hersteller auf den Zug aufspringen. „Dann erkennen Kunden das Potenzial der Brennstoffzelle.“ Um das zu heben, müsse man aber erst einmal die Infrastruktur ausbauen, was nach Meinung des Franzosen zu langsam geschieht. In Deutschland gibt es gerade mal 86 H2-Stationen, nicht mehr als vor vier Jahren. Gleichzeitig hat sich die Nachfrage aber verdreifacht, auch wegen der steigenden Zahl von H2-Lkw.
Viele Tankstellenbetreiber, die langen Atem bewiesen, kommen nun langsam in einen Bereich, in dem sie Geld mit ihren Stationen verdienen. Rund eine Million Euro kostet eine Station. Die wollen die Betreiber logischerweise wieder einspielen. Das könnte aber auch ein Knackpunkt bei den Plänen der EU sein. Denn die „Verordnung über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe“ (AFIR) verpflichtet die EU-Mitgliedsstaaten, an den Verkehrsachsen alle 200 Kilometer eine für mindestens eine Tonne H2 pro Tag ausgelegte Wasserstofftankstelle einzurichten.
18 Euro pro Kilo Wasserstoff
Um eine solche Station auszulasten, müssten also täglich mindestens 200 Pkw oder gut 15 Trucks dort stoppen. Doch davon ist man noch weit entfernt. Was sich im Kraftstoffpreis widerspiegelt. Auch wegen der geringen Nachfrage hat sich der Preis in den letzten zwei Jahren fast verdoppelt und liegt im Schnitt bei gut 18 Euro pro Kilo H2. Paquet sähe ihn aber lieber bei unter 10 Euro. Dann wäre ein Mirai im Unterhalt billiger als ein Diesel oder Benziner.
„So wie Deutschland begonnen hat, war es nicht zielführend. Wir brauchen kein enges Netz, sondern große Stationen in Ballungszentren, die von vielen Nutzfahrzeugen genutzt werden.“ Paquet verweist auf Frankreich, wo in Grenoble oder Paris die Brennstoffzellentechnik gezielt gefördert werde und viele Fahrzeuge auf den Straßen unterwegs sind. Alleine in Paris gibt es acht Tankstellen, mindestens 800 Brennstoffzellen-Taxis und etliche Flottenbetreiber mit Lkw. Ganz im Sinne der EU: Die sieht wasserstoffbetriebene Fahrzeuge vorwiegend im Stadtverkehr. Deshalb soll bis 2030 in jedem städtischen Knotenpunkt mindestens eine öffentlich zugängliche Station stehen.
Auch der ÖPNV nutzt H2-Technik. Die Rhein-Neckar-Verkehrs-Gmbh (RNV) beispielsweise hat 40 Brennstoffzellen-Busse mit Range-Extender-Technik bei Evo Bus bestellt. Kostenpunkt: 41 Millionen Euro. Eine Option auf 27 weitere Busse bis 2030 besteht. Damit will die RNV die gesamte Gelenkbusflotte in Heidelberg und Mannheim auf emissionsfreie Fahrzeuge umstellen.
Konkurrenz zu Elektro
Die Brennstoffzellenfahrzeuge konkurrieren mit BEV. Die eine Technik schließt aber die andere nicht aus. In Fällen, wo das örtliche Stromnetz beispielsweise keine Schnellladeinfrastruktur hergibt, kann die Wasserstofftechnik durchaus sinnvoll sein. Oder wenn der Speditionshof einfach zu klein für Ladesäulen samt dazugehörigem Lkw-Stellplätzen ist. Eine H2-Tankstelle braucht wenig Platz, und wegen des kurzen Tankvorgangs lassen sich in kurzer Zeit viele Fahrzeuge reisefertig machen.
Im Idealfall wird das Gas sogar direkt vor Ort hergestellt und nicht von weit herangekarrt. BASF hat am Hauptstandort Ludwigshafen gerade erst einen Wasserelektrolyseur in Betrieb genommen, der bis zu 8.000 Tonnen H2 im Jahr bereitstellen kann. Europaweit entstehen zusätzlich Riesen-Wasserstoffanlagen, in deren Umfeld wiederum Betreiber von Lkw-Flottenbetreiber tätig sein könnten. In den Niederlanden etwa baut Shell Europas größte Fabrik für grünen Wasserstoff. Die 200-Megawatt-Anlage soll täglich bis zu 60 Tonnen H2 produzieren.
Air Liquide zieht in der Normandie eine Wasserstoffproduktion für industrielle und schwere Mobilitätsanwendungen hoch, die 250.000 Tonnen CO-Emissionen pro Jahr vermeiden soll. Dass beide an der Küste liegen, ist kein Zufall. Offshore-Windparks liefern sauberen Strom. Die Elektrolyse von Wasser in H2 und Sauerstoff über eine Protonenaustauschmembran kommt sehr gut mit schwankender erneuerbarer Energie zurecht und gilt als effizient. 60 bis 80 Prozent der eingesetzten Energie lässt sich in Wasserstoff umwandeln.
Toyota testet derweil mit seinen auf H2 umgerüsteten Hilux (Foto oben). 2026 kommt die nächste Generation dieses Pick-ups auf den Markt. Auch ein neues, 30 Prozent leichteres und effizienteres Brennstoffzellen-Paket haben die Japaner in der Schublade. Hanno Boblenz/SP-X
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