Verbrenner

Problem Mobilitätswandel oder: Der Kunde zögert

Kolumne: Der Mobilitätswandel ist in Politik, Industrie und die Medien omnipräsent. Doch was wollen die Menschen?

Auf dem Reißbrett sieht alles so schön einfach aus. Wir beginnen heute den Mobilitätswandel: Statt Verbrenner fahren wir Elektro, die Innenstädte werden autofrei, die Menschen steigen auf Carsharing oder Fahrrad um, Langstrecken absolvieren wir mit der Bahn und Fliegen verkneifen wir uns. Viele Marktbeteiligte steuern rigoros in diese Richtung und stellen ihre Unternehmen auf diese Zukunft ein.

Beispiel VW: Die Brandrede von Herbert Diess hat nur noch einmal unterstrichen, wohin der Konzern auf der Reise ist: zum Elektro- und Mobilitätsdienstleister. Ähnlich sieht es bei vielen anderen Autobauern aus. Und etliche strömen neu in den Markt, zeigen eigene Elektroautos wie eGO, Sono Motors, Lucid Motors und wie sie alle heißen. Die chinesischen Hersteller werden bald in Deutschland anlanden und kräftig Schwung ins Angebot und die Preise bringen. Man sieht aber auch viele Studien großer Unternehmen wie die EDAG, die die Zukunft mit autonom fahrenden Mobilen angehen wollen.

Wann kommt die Zukunft?

Doch wann wird diese Zukunft kommen? Nicht allzu schnell, darf man befürchten (oder hoffen?). Der aktuelle DAT-Report weist aus, dass diejenigen, die bald schon von ihren Fahrzeugen Abschied nehmen sollen, um etwa Carsharing oder das Fahrrad zu nutzen, davon eher nichts wissen wollen: Fast 80% bestätigten, dass ihnen Autofahren Spaß mache. 84% gaben an, dass sie sich ohne Auto in ihrer Mobilität eingeschränkt fühlen.

Noch mehr Fakten: Im Jahr 2015 konnten sich erst 9% der Neuwagenkäufer ein Carsharing-Fahrzeug als Alternative zum eigenen Auto vorstellen. Im Autojahr 2019 ist dieser Wert auf 16% gestiegen. Bei den Gebrauchtwagenkäufern konnten sich 2015 bereits 14% und aktuell 18% die Nutzung des Carsharings als Alternative zum eigenen Pkw vorstellen.

Deutsche Städte nur Durchschnitt

Mobilitätswandel
Das eigene Auto steht bei den Menschen hoch im Kurs. Foto: Mercedes

Nicht besser sieht es bei der Infrastruktur aus: Die deutschen Städte sind bei der Modernisierung ihrer Verkehrssysteme weltweit nur Durchschnitt. Im aktuellen „Urban Mobility Index“ der Unternehmensberatung Arthur D. Little findet sich keine einzige deutsche Metropole unter den globalen Top Ten. Führend bei Themen wie öffentlichem Nahverkehr, Luftreinhaltung und Mobilitätsdienstleistungen ist der Studie zufolge Singapur, gefolgt von Stockholm, Amsterdam und Kopenhagen. Die bestbewertete deutsche Stadt ist Berlin auf Rang 12 von 100. München, Frankfurt, Stuttgart und Hannover landen ebenfalls im Mittelfeld. Bewertet wurden 27 Kriterien, darunter neben Umwelt- und Verkehrsfluss-Aspekten auch das Radwegenetz, das Carsharing-Angebot und die Zahl der Verkehrstoten.

Und der Umstieg zum E-Auto lässt weiter auf sich warten. Die Verzögerung bei der Erhöhung des Umweltbonus machen Elektroautos in Deutschland quasi unverkäuflich. In Erwartung steigender Zuschüsse kaufe im Moment kaum jemand ein Elektroauto zu den alten Konditionen, beklagt der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK). Der Elektromobilität, die der Staat ja eigentlich fördern wolle, werde damit ein Bärendienst erwiesen, stellt der Branchenverband fest.

Wo bleibt der Umweltbonus?

Die Bundesregierung hatte im vergangenen Jahr angekündigt, den sogenannten Umweltbonus beim Kauf von E-Autos und Plug-in-Hybriden um rund 50 Prozent auf bis zu 6.000 Euro netto zu erhöhen. Bislang ist das nicht geschehen. Eine Stellungnahme der Bundesregierung oder des für die Umsetzung zuständigen Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) zu den Gründen der Verzögerung steht nach wie vor aus.

Da krempelt die Wirtschaft selber die Ärmel hoch und übernimmt den Umweltbonus selber – wie Renault, Nissan und Hyundai. Ist die Industrie doch im Hinblick auf drohende CO2-Strafzahlungen unter Druck, die nur abgewendet oder minimiert werden können, wenn man möglichst viele Stromer verkauft.

Danach sieht es derzeit nicht aus, daran können auch keine Strategiewechsel in Konzernen etwas ändern. Der Kunde zieht (noch) nicht mit. HM/Titelfoto: pixabay

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