„Ruf an, ich hole dich dann ab, wenn du liegen bleibst“, stichelte mein schwedischer Freund Lasse am Telefon, als ich ihm ankündigte, mit dem Elektroauto nach Schweden zu fahren. Er hat mich nicht abholen müssen. Dafür ist mein Enthusiasmus für die E-Mobilität zu groß – einfach zu beweisen, dass es möglich ist, mit dem Stromer mal eben 1660 Kilometer nach Schweden und wieder zurück zu fahren.
Die 64 kWh fassende Batterie meines Hyundai Kona Elektro sollte ausreichen für diese lange Fahrt im Herbst 2020 bei Temperaturen zwischen sechs und zwölf Grad. Dachte ich jedenfalls. Aus dem Raum Frankfurt am Main bis Flensburg an die deutsch-dänische Grenze, über die Inseln Fünen und Seeland mit zwei langen Brücken bis nach Malmö und noch mehr als 600 Kilometer weiter. Mit defekten Ladestationen, die nicht als solche in diversen Apps ausgewiesen waren, sowie Ladeabbrüchen musste ich rechnen. Und die gab es auch auf meiner Strecke. Davon später mehr.
Mit den Apps von Chargemap und AirElectric hatte ich Tage zuvor schon diverse Ladestationen auf meinem Weg gecheckt und jeweils Ausweichstationen berücksichtigt. Im Gepäck lag mein Juice Booster mit sämtlichen Adaptern für den Fall, dass ich an irgendeinem Steckeranschluss hätte laden müssen. Denn solche Anschlüsse zeigt die App von Air Electric ebenfalls an. Meine Tour hatte ich so geplant, dass ich zunächst in Großburgwedel an einem 75-kW-Lader stoppte, dann noch mal im Skandinavien-Park von Flensburg. Aber nur kurz. Denn dem dänischen Paar, das plötzlich mit seinem BMW I3 vorfuhr – „wir kommen aus München und müssen alle 200 km an die Steckdose“ – wollte ich etwas schneller nach Hause verhelfen. So viel Enthusiasmus sollte belohnt werden.
80 Prozent haben gereicht
Dann also mal rüber über die dänische Grenze, durch flache Landschaften, geprägt von Viehzucht und Ackerbau. An einem Hotel in Fredericia durfte ich wie beabsichtigt über Nacht kostenlos laden. Leider war der Akku am nächsten Morgen nur zu 80 Prozent voll. War fast zu erwarten bei den 3,4 kW, die der Anschluss lieferte. Die Sonne ging gerade auf, als ich die Brücke zur Insel Fünen passierte. Dann weiter bis zur 19 km langen Brücke über den großen Belt mit atemberaubendem Blick auf die Weite des Meeres,
voran durch diverse Baustellen, immer mit gleichmäßiger Fahrt und maximal 120 km/h, dann auch noch über die Öresundbrücke, wo endlich die schwedische Stadt Malmö in Sicht kam.
Die 80-Prozent-Ladung des Akkus hatte gereicht. Ab durch die Mautstation, kurzer Blick des Zöllners in meine Papiere, dann etwa 25 km weiter bis Löddeköpinge, wo mein Kona gleich mal im großzügigen Ladepark an einer Säule von Bee Charging nuckeln durfte. Die erste Ladung mit der App war sogar kostenlos. Dann weiter an der Westküste entlang, immer mal mit einem Blick aufs Meer, über Göteborg nach Nordosten bis Mellerud, westlich des Vänersees gelegen. Praktisch dort die Bee-Säule nahe an einem Supermarkt. Nach dem Einkauf war der Wagen zu mehr als 80 Prozent aufgeladen. Das genügte bis zum Ziel, dem Norden Värmlands – mit Zwischenstation in Karlstad –, dann weiter über einsame Landstraßen und durch dunkle schwedische Wälder.
Roaming-Aufschläge
Die Hinfahrt war schon mal geglückt. Keine bösen Überraschungen. Denn wer mit dem E-Auto längere Strecken zurücklegt, kennt das: Die unterwegs ausgesuchte Ladestation ist dann doch defekt (mitunter seit Wochen), besetzt oder einfach sehr teuer. Wohl denen, die einen Tesla fahren, denn sie können sich auf ein dichtes Ladenetz mit einheitlichen Preisen verlassen. Alle anderen müssen genauer hinschauen. Die Ladepreise können sich von Anbieter zu Anbieter eklatant unterscheiden – eben noch 0,38 € für das Laden mit Gleichstrom bezahlt, kostet die Kilowattstunde an der nächsten Säule schon einen Euro mehr. Vor allem im Ausland. Da kommen die Roaming-Aufschläge obendrauf. Um unangenehme Überraschungen zu vermeiden, müssen Elektroautofahrer deshalb weite Reisen sorgfältig planen. Leider immer noch.
Für die Vorbereitung meiner Tour hatte ich mich auch für Apps diverser schwedischer Anbieter registriert, wobei mir Bee Charging am günstigsten erschien mit 28 Cent für eine kWh Wechselstrom (AC) und 48 Cent für Gleichstrom (DC). Zusätzlich hatte ich noch eine Prepaid-Karte dieses Anbieters, bereits vor Jahren gekauft, im Wert von 50 Euro, die ich in Schweden komplett einsetzen konnte.
Solange mein Kona allerdings am schwedischen Ferienhaus stand, lud er mit dem Juice Booster über die dortige Schukosteckdose – vorsichtshalber auf 10 Ampere reduziert, um die Elektroinstallation nicht zu überlasten. Aber das genügte für die Dauer des Aufenthalts locker, um die Batterie für den Rückweg voll aufzuladen. Der verlief diesmal zwischen den beiden großen Seen entlang, viele Kilometer vorbei an herbstlich bunt gefärbten Birken und dunklen Kiefern, über den Götakanal hinweg und vorbei am Nationalpark Tiveden, über Skövde und Jönköping und kurz dahinter mit einer ersten Ladepause. Vier Stunden für 300 Kilometer Landstraße. Natürlich inklusive Lkw-Verkehr. Aber immer geduldig und entspannt, denn ich hatte jede Menge Zeit, und der Stromer schnurrte einfach wunderbar.
Zurück Richtung Flensburg
50 Minuten laden, etwas essen und trinken, einmal Toilette und wieder den Ladepark in Löddeköpinge angesteuert, diesmal mit Hotelbesuch. Nach einem letzten Stopp in Südschweden mit nächtlichem Aufladen – und unerklärlichem, dreifachem Abbruch am AC-Anschluss –, erwartete mich am nächsten Morgen die erste Eisschicht dieses Herbstes auf der Windschutzscheibe. Ergebnis: 25 km weniger Reichweite laut Anzeige. Machte aber nichts, es waren immer noch 425 km, die zudem anwuchsen, je wärmer es im Laufe des Tages wurde. Relativ flott ging es so wieder über die dänischen Brücken in Richtung Flensburg.
Ins Schwitzen sollte ich erst noch kommen – zunächst, weil alle drei DC-Ladesäulen von E.ON am Grenzübergang Ellund-West defekt waren und zwei Apps dies nicht anzeigten. Weil dort auch der Wechselstrom-Anschluss nicht wollte, befürchtete ich schon einen Defekt meines Laders im Auto. Plan B half aber weiter: zur 50-kW-Ladestation vom Hinweg – in den Skandinavien-Park zur Säule von Allego. Die war frei, dort konnte ich laden. Schließlich noch einen kurzen Abstecher nach Kappeln über wunderschöne und einsame Strecken entlang der Ostsee bis an die Schlei. Dann steuerte ich die Autobahn Richtung Hamburg an, wo ich mich auf den üblichen Stau vor dem Elbtunnel verlassen konnte. Unruhig wurde ich dann ein weiteres Mal, weil ich die A7 wegen Staus und einer Vollsperrung zweimal verlassen musste. Da ging es nächtens über Umwege durch die dunkle Lüneburger Heide, verbrauchte ich zusätzliche, nicht kalkulierte Energie. Bei 6° Celsius musste außerdem die Heizung laufen – auch keine Wohlfühltemperatur für den Akku. Wird der Saft reichen?
Es reichte – mit 11 Prozent Restladung. Letztlich genügte zwischen dänisch-deutscher Grenze und meinem Ziel Frankfurt eine einzige Zwischenladung, um nach Hause zu kommen. Die hatte ich mir an der hell erleuchteten und etwas teureren (0,48 Euro/kWh am 175-kW-DC-Lader), aber schnellen Fastned-Station in Hildesheim genehmigt. Dort heißt es: Schnelles Laden mit Naturstrom. Na denn, alles richtig gemacht. Peter Schmitt Fotos: Peter Schmitt
Gesamtstrecke: 3320 km
Gesamtkosten: 142,98 Euro (reine Fahrt) für 3320 km und insgesamt verbrauchte 482 kWh.
Rund 30 Cent/kWh
Zehn Ladestopps.
Zwei kostenlose Ladungen enthalten (Wert 50 Euro).
Verbrauch im Schnitt: 14,6 kWh pro 100 km, 14,7 laut Anzeige.
Mitgenommene Ladekarten/Apps zum Laden:
Deutschland: Mobility+ App von ENBW mit Hyundai-Sondertarif: 28 Cent/kWh für AC, 38 Cent/kWh DC
Ausland: eins E-Mobil, 55 Cent pro kWh. Ausland: Chargemap, Plugsurfing und Shell Recharge; gehen fast immer, verlangen aber einen Roaming-Aufschlag: Preis pro kWh liegt immer über einem Euro.
Ausland: Get Charge (vormals Telekom): meist 89 Cent pro kWh.
Maingau: 66 Cent/kWh plus Zuschlag von 10 Cent pro Minute.
Schweden: Bee Charging, 28 Cent/kWh AC, 48 Cent/kWh DC, jeweils umgerechnet.
Fortum und Vattenfall (Incharge): Zeittarif bei knapp 1 Cent pro Minute für AC und 2,3 Cent für DC.
In Mellerud habe ich mehrmals genucckelt. Ich hatte in dem Ort einen schönen ICA gefunden mit einem Schnellader der keine meiner 2 Karten wollte. Dann habe ich vor der Säule die App geladen und meine Kreditkarte eingegeben. Bei meinem Ladeversuch klappte es nicht beim ersten mal. Das sah eine nette Schwedin und sie machte mir die Einstellung am Smartphone. Dann ging es los. Ich hätte sie küssen können, aber unsere Ehepartner und Corona waren ja dabei. Also blieb es bei einem Dankeschön.
Den ICA kenne ich natürlich, habe dort auch schön häufiger eingekauft 😉 Und dabei natürlich geladen.
Bee Charging wurde 2022 vom norweg. Konzern MER übernommen. Das Bee-
Ladenetz wurde damit integriert, und die Preise sind natürlich auch dort kräftig gestiegen.
Hej Peter Schmitt
Auch wenn ich dein Artikel erst jetzt im Mai 2022 entdeckt habe, so danke ich dir für den spannenden und heiteren Erfahrungsbericht mit deinem E-Auto nach Schweden vielmals:-)
Wir überlegen uns am kommenden Herbst mit dem VW ID4 bis Vimmerby zu fahren – habe aber schon etwas ein ungutes Gefühl, auch wenn wir ein 77kW Akku haben. Irgendwie traue ich der Sache nach wie vor nicht ganz – man sollte meinen im Jahr 2022 ist das E-Auto auf allen Autobahnen nun mit Schnelladern angekommen – dem ist aber weit gefehlt, denn für lange Strecken braucht man nunmal die Schnelllader.
Und auf die Apps kann man sich aktuell nach wie vor nicht zu 100% verlassen (das wird wohl noch bis 2024 dauern…….).
Aber Hut ab – dein Artikel hat uns jedenfalls mut gemacht.
Es grüsst freundlichst
Pascal
Moin Herr Schmitt,
auch ich habe Ihren Artikel erste heute gefunden, als ich mir meine ersten Gedanken zu den Ladestationen in Schweden gemacht habe. Ich fahre zwar “nur” einen PHEV von Mitsubishi, aber auch der braucht unterwegs Lademöglichkeiten. Das Spiel mit den verschiedenen Ladekarten und defekten oder nicht verfügbaren Ladestationen kenne ich auch zur Genüge schon aus Deutschland.
Danke für ihren Reisebericht, der mir eine gute Vorlage für meine weitere Reiseplanung sein wird. Speziell Bee Charging kannte ich noch nicht. Mal sehen, wie meine Reise von Deutschland über Dänemark und Schweden nach Finnland dann verlaufen wird.
Wünsche allen eine stromreiche Weiterfahrt!
Ingo