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Smart plant ein Elektro-SUV

Der Kleinstwagenmarke Smart steht eine Transformation bevor. Erster Schritt: ein Elektro-SUV, das auf der IAA Premiere feiert.

Die 2019 in ein Joint Venture zwischen Mercedes und dem chinesischen Autobauer Geely überführte Kleinwagenmarke Smart wird im September auf der IAA Mobility ihr erstes SUV-Modell vorstellen. Das offiziell als Studie deklarierte eSUV Konzept gibt Ausblick auf ein vermutlich 2022 verfügbares Serienmodell sowie auf eine grundlegende Transformation von der Ein-Auto-Marke im Mikro-Segment zu einem Anbieter mit breitem Portfolio und größeren Modellen.

„Die Länge des Autos allein ist für uns keine bestimmende Größe mehr“: Wenn Markenchef Daniel Lescow über die nächste Generation des Smart spricht, dann sich da eine Revolution an, und die Skizzen, die Designchef Gordon Wagener dazu ins Rennen wirft, geben der Aussage eine zusätzliche Dramatik. Denn wenn die Schwaben mit ihrem neuen Partner Geely im Herbst erst die Studie und im Jahr darauf dann das Serienmodellen des neuen Smart zeigen, hat der mit dem Vorgänger nur noch den Namen gemein und aus dem Winzling für zwei wird ein ausgewachsenes SUV für fünf Personen, das in einer Liga spielt mit dem Mini Countryman oder dem Mercedes EQA. „Der Smart wird erwachsen,“ sagt Wagener und meint damit nicht nur das Format, sondern auch die Form. Denn das kindliche Grinsegesicht hat er dem Smart genauso ausgetrieben wie den verspielten Plastiklook im Innenraum. „Winzig und niedlich waren gestern“, sagt der oberste Stilführer in Stuttgart: „Das neue Smart-Kapitel wird cool und sexy, es wird wertig.“

„Cool, sexy und wertig“

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Bislang hat Daimler mit Smart noch kein Geld verdient. Foto: Daimler

Zwar hat das elektrische SUV für den Neustart mit einer Länge von mehr als vier Metern beinahe das Format des EQA. Doch stammt künftig nur noch das Design aus Deutschland. Denn seit zwei Jahren wird Smart als Joint-Venture mit Großaktionär Geely geführt, dessen Techniker in Zukunft den Ton angeben. Deshalb steht der Smart von Morgen nicht etwa auf der MFA-Plattform von Mercedes und wird zum coolen Cousin des EQA, sondern nutzt die für maximale Reichweiten von mehr als 700 Kilometern ausgelegte Sustainable Experience Architecture, auf der Geely auch E-Autos wie den Lynk&Co Zero oder den Zeekr 001 aufbaut. Weil dort die gesamte Antriebstechnik im Boden steckt, dürfte der Smart innen sogar mehr Platz bieten als der kleine E-Mercedes. Und wenn die Chinesen ihm tatsächlich 800 Volt-Technik spendieren, lädt er auch sehr viel schneller. Die nur rund 150 Kilometer Reichweite des aktuellen Modells seien für den Nachfolger jedenfalls kein Maßstab mehr, sagt Lescow und auch die 130 km/h Höchstgeschwindigkeit sind dann wohl Geschichte.

Smarte Lösungen

So ganz auf der Strecke bleiben die alten Werte allerdings nicht, versprechen Lescow und Wagener. Zwar sei Smart kein Winzling mehr, räumt der Markenchef ein. Doch werde auch das neue Modell wieder mit besonders smarten Lösungen überraschen, zum Beispiel serienmäßig einen digitalen Schlüssel auf dem Smartphone bekommen oder LED-Elemente in der Karosserie, die in unterschiedlichen Situationen unterschiedlich leuchten. Das Infotainment-System werde ähnlich revolutionär sein, wie MB-UX bei seiner Einführung in der aktuellen Generation der A-Klasse, nur etwas spielerischer und weniger seriös. Und vor allem bleibt der Body-Space-Index eine wichtige Kenngröße: „Gemessen an der Außenlänge bietet auch der neue Smart spürbar mehr Innenraum als konventionelle Fahrzeuge,“ stellt Wagener in Aussicht.

Über 20 Jahre nach der ersten echten Revolution seit dem seligen Mini sind mit der Neuausrichtung auch bei Mercedes die Zeiten vorbei, in denen sich die jungen Wilden beim Daimler inspiriert vom Swatch-Chef Nikolas G. Hayek der maximalen Minimierung („Reduce to the Max“) verschrieben haben, in denen ein Vehikel von gerade mal 2,70 Metern schon als Auto bezeichnet werden durfte, und in der man auch quer zur Fahrtrichtung parken konnte, weil der Smart weniger lang als manch ein SUV breit ist.

Viel Kritik in den sozialen Medien

Die Fans in den Foren toben ob dieser Nachricht und trauern dem Bonsai-Benz schon jetzt hinterher, obwohl der Fortwo noch immer gebaut wird und sich Daimler auch noch kein Datum für das Ende der Produktion entlocken lässt. „Der Smart ist nicht mehr clever“, zetern sie und geißeln die Entscheidung als weiteren Beweis für den einfallslosen Gigantismus der PS-Branche. Ausgerechnet jetzt, wo die Zeit angesichts übervoller Städte in Atemnot vielleicht doch reif sei für elektrische Mini-Mobile und die Idee vom „Pod“ so langsam Fahrt aufnehme, gehe Daimler die Geduld und der Atem aus, so die Kritik.

Schlechte Absatzzahlen

Das hätte anders kommen können, wenn alle, die jetzt aufschreien, auch einen Smart gekauft hätten. Doch weil dem offenbar nicht so war, sind die Absatzzahlen über die gesamte Laufzeit weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben, die Fabrik war nie ausgelastet und trotz Kooperationen erst mit Mitsubishi und dann mit Renault kam der Smart wirtschaftlich nie auf einen grünen Zweig. Im Gegenteil: Auch weil es keine vernünftige Gleichteile- oder gar Plattformstrategie gab und sich deutsche Autohersteller grundsätzlich schwer tun mit Billigautos gilt das kleinste Modell im Daimler-Imperium als größter Flop und die Schätzungen zum Verlust mit dem einstigen Micro Compact Car gehen in die Milliarden.

Mit einem kompakten SUV dagegen sollte in China genau wie in Europa durchaus etwas zu reißen sein. Nicht umsonst ist das mit Abstand das größte Segment am Markt und hat obendrein die rosigsten Prognosen. Wenn es dann auch noch vom Start weg ausschließlich als Elektroauto angeboten wird und die Chinesen mit ihrem Knowhow, ihrem billigen Baukasten und ihrer kostengünstigen Produktion den Preis auf ein konkurrenzfähiges Niveau drücken, könnte die Rechnung doch noch aufgehen.

Vielleicht die letzte Chance

Deshalb ist die radikale Kehrtwende vielleicht die letzte Chance für die Marke und genau der richtige Schritt, sagt Automobilwirtschaftler Ferdinand Dudenhöffer: „Mit Geely sind die Chancen für den langersehnten Durchbruch gut“, ist der Professor vom Center Automotive Research in Duisburg überzeugt: Die neue Plattform erlaube ein modernes Elektroauto und ein voll elektrische City-SUV passe absolut. „Damit erhält der Smart endlich ‚Bewegungsfreiheit’ und bleibt nicht auf die enge Heckmotor-Plattform beschränkt,“ ist er überzeugt. Gleichzeitig könnten die neuen Partner weiter auf die große, emotionale Stärke der Marke nutzen. Die Arbeitsteilung mit Geely für Technik und Produktion und Daimler für das Design, das Marketing und den Vertrieb sei sinnvoll und erlaube eine Internationalisierung: „Mit Geely kann es in China gelingen, Smart gut im größten Automarkt der Welt zu positionieren. Und Daimler hat dann auch in Europa die besten Voraussetzungen Smart zum Erfolg zu führen“, so Dudenhöffer.

Radikal und konsequent

Auch Design-Professor Lutz Fügener von der Hochschule in Pforzheim gibt’s sich versöhnlich. Zwar war der bekennende Smart-Fan der ersten Stunde sichtlich überrascht von den Skizzen und trauert schon jetzt dem radikalen Raumkonzept und dem garantierten Erfolg bei der Parkplatzsuche hinterher. Und im Lehrbuch der Designer findet man diese Strategie sicher nicht. „Denn die Identität eines Modells und einer Marke ist ein großes Pfund, mit dem die Designer sehr behutsam umgehen“, sagt der Experte. „Und dabei hat Smart das Glück, nicht wie etwa Porsche beim 911 oder BMW beim Mini auf ein altes Ideal aus einer längst vergangenen Ära zurück greifen zu müssen. Das Original ist modern und zeitgemäß.“ Doch ob es richtig ist, nicht nur das Format, sondern auch die Form völlig zu verändern? „Das werden die zukünftigen Zahlen zeigen“, sagt der Professor: „Aber es ist auf jeden Fall radikal und konsequent und passt damit dann doch wieder zur Marke.“ Benjamin Bessinger/SP-X/Titelfoto: Smart

 

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