Mit dem Ryker bringt Can-Am ein Dreirad, das vor allem mit Fahrspaß punkten soll. Taugt es zu mehr als Stressabbau?
Bei der Frage nach dem motorisierten Fahrbaren Untersatz steht oft die Wahl im Raum: zwei oder vier Räder. Dass es auch Vehikel mit drei Rädern gibt, geht meist unter. Dabei haben es die Dreirädrigen gar nicht verdient, denn etwa Dreiradroller haben in den vergangenen Jahren einen regelrechten Boom erlebt. Aber neben den Rollern finden sich weitere Dreiräder, die ebenfalls die Freiheit vom „Fahren mit dem Autoführerschein” bieten, dabei aber wesentlich spektakulärer daherkommen, siehe den aktuellen Can-Am Ryker vom kanadischen Offroad und Snowmobil-Hersteller Bombardier BRP.
Viel Power für ein Hinterrad
Mit den Dreiradrollern haben die Can-Am auf den ersten Blick wenig gemein, bei etwas genauerer Betrachtung gibt es aber durchaus Parallelen – nicht nur in Sachen Fahrerlaubnis. Ins Auge fällt die wesentlich größere Spurbreite an der Vorderachse. Während Roller das notwendige 46-Zentimeter-Limit gerade erfüllen, kommt der Ryker auf satte 1,40 Meter. Dabei liegt der Ryker keineswegs tiefer auf der Straße, aber seine Sitzhöhe von gerade einmal knapp 60 Zentimetern lässt ihn wie ein überdimensionales Go-Kart erscheinen.
Was sich unter der Verkleidung des Kanadiers verbirgt, lässt jeden Roller vor Neid erblassen. Angeboten wird der Ryker in zwei Motorvarianten, mit einem 600er-Rotax-Zweizylindermotor, der 50 PS leistet und einem Rotax Dreizylinder-Reihenmotor mit 900 ccm, der auf 82 PS kommt. Bereits beim ersten Gasbefehl spürt man die Kraft des Reihenvierventilers, das Hinterrad neigt ständig dazu durchzudrehen. Vorausgesetzt, man hat vorher das Start-Prozedere erfolgreich hinter sich gebracht: Dazu muss zunächst ein Transponder als „Schlüssel” an der Seite eingesteckt werden, dann bestätigt man einmal den E-Starter, dreht den Gasgriff leicht nach vorne und drückt den Startknopf abermals. Nach Lösen der Feststellbremse links kann es dann losgehen. So umständlich der Vorgang klingt, so schnell hat man sich daran gewöhnt.
Der Ritt mit dem Raketenantrieb
Der Ryker ist ein richtiges Fun-Gerät, der Betrieb erfordert mehr Engagement als bei einem Zweirad – und auch mehr als bei den Dreirad-Rollern, vermittelt aber schon bei niedriger Geschwindigkeit ein Gefühl, auf einem Raketenantrieb zu sitzen. Erleichtert wird die volle Konzentration aufs Fahren durch das sehr gut arbeitende CVT-Automatikgetriebe, das auf Gasbefehle sehr direkt reagiert und die nicht unerhebliche Masse von über 300 Kilogramm durchaus spontan in Bewegung versetzt. Brems- oder Kupplungshebel lenken ebenfalls nicht ab, der Ryker kommt ohne aus. Gebremst wird – ähnlich wie bei Piaggios MP3 – per Fußpedal.
Das lässt sich übrigens individuell einstellen. Ufit nennt Can-Am sein System, das sowohl die werkzeuglose Verstellung des Lenkers erlaubt sowie die Anpassung von Fußraste und Bremshebel auf die Körpergröße. So hat man die Wahl zwischen einer sehr aufrechten Sitzhaltung oder einer Cruiser-ähnlichen Position mit weit vorne angebrachten Rasten. Auf den Sitzkomfort hat das relativ wenig Einfluss, der ist eher mittelmäßig und auf längeren Fahrten sogar unbequem.
Viel Arbeit in der Kurve
Mit dem starren Vorbau mit zwei Doppellenkern ist der Ryker kein Kurvenwedler, enge Kehren erfordern vom Fahrer tatkräftige Mitarbeit. Geht es einmal zu flott in die Kurve, unterstützt der Can-Am seinen Fahrer vor Kontrollverlust mit allerlei technischen Hilfsmitteln, Fahrzeugstabilisationssystem VSS genannt. Es besteht aus einer Kombination aus ABS, Traktionskontrolle und dem Stabilitätskontrollsystem SCS und wirkt direkt auf die Bremse und die Drosselklappe ein, wenn das Tempo zu schnell oder der Fahrer zu übermütig wird. Teilweise hat man sogar das Gefühlt, gegen das System arbeiten zu müssen, um schneller vorwärts zu kommen. Gokart-Feeling kommt auch beim Fahrkomfort auf. Knackig ist das richtige Wort für die Dämpfung, die vor allem am hinteren, fast waagerecht eingebauten Federbein bei gröberem Geläuf und Schlaglöchern nur bedingt die Bandscheiben entlastet.
Das Freizeitobjekt
Ob Ryker oder Dreirad-Roller, das ist nicht die Frage – beide Konzepte haben ihre Vor- und Nachteile. Wer sich als Autofahrer für ein Dreirad entscheidet, sollte sich vorher darüber im Klaren sein, wofür er es einsetzen möchte. Während die Roller für den Alltag gemacht sind, ist der Can-Am Ryker 900 das ultimative Freizeitobjekt, mit dem man nach Feierabend mal eben zu einer illustren Runde um den Häuserblock oder zum Stressabbau ins kurvenreiche Umfeld aufbricht. Ein solches Freizeit vergnügen lassen sich die Kanadier ab 10.000 Euro entlohnen. Thilo Kozik/SP-X
Can-Am Ryker 900 – Technische Daten:
Motor: Flüssigkeitsgekühlter Dreizylindermotor, 900 ccm Hubraum, 61 kW/82 PSbei 8.000 U/min, 79,1 Nm bei 6.500 U/min; vier Ventile/Zylinder, dohc, Einspritzung, CVT-Automatik mit Rückwärtsgang, Fliehkraftkupplung, offen laufende Kardanwelle.
Fahrwerk: Stahlrohrrahmen; Doppelquerlenker mit je einem Federbein (nicht einstellbar), 13,7 cm Federweg, Einarmschwinge hinten, Zentralfederbein, 15 cm Federweg; zwei Leichtmetallgussräder; Reifen 145/60 R16 (vorne) und 205/45 R16 (hinten). 27 cm Zweischeibenbremse vorne, 22 cm Einscheibenbremse hinten.
Assistenzsysteme: ABS, Integralbremssystem, Traktionskontrolle, Stabilitätssystem, drei Fahrmodi.
Maße und Gewichte: Radstand: 1,709 m, Sitzhöhe: 60 cm, Gewicht trocken: 280 kg; Tankinhalt 20 l.
Preis: ab 9.999 Euro.
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