Treffen der Volvo-Generationen: Was den „Oldie“ PV444 und den XC40 Recharge verbindet – oder eben nicht.
Ja, er ist ohne jede Frage eine Augenweide, der Volvo PV 444, Baujahr 1957. Rein optisch stiehlt er zunächst einmal allein aufgrund seines inzwischen seltenen Auftritts dem aktuellen elektrischen Markenbruder eindeutig die Show. Zu seiner Zeit war der PV444 so etwas wie das Traumauto des Durchschnittsschweden, der schwedische Volkswagen halt. In diesen Tagen durfte dieses bestens aufgearbeitete und besonders gut gepflegte Einzelexemplar mal wieder die Museumsatmosphäre verlassen und frische Luft schnuppern. Und das sogar ganz munter auf rollenden Rädern. Denn wir durften das Schätzchen über leider regennasse Straßen im Münsterland bewegen.
Schalten nur mit Zwischengas
Umdenken ist angesagt. Während der XC40 Recharge Pure Electric, wie fast alle E-Autos, ohne Getriebe auskommen, ist es beim PV444 nicht ohne, beim Dreigang-Getriebe den ersten Gang einzulegen. Der nämlich ist nicht synchronisiert. Das Einlegen – hinten links – gelingt am besten ohne ekliges Knirschen, wenn zuvor das Gaspedal kurz angetippt wird. Zwei, drei Ampelstopps reichen aber aus, um das Gefühl dafür zu bekommen. Fast noch ungewohnter sind die fehlenden Außenspiegel, die es damals lediglich auf Wunsch gab. Immer wieder sucht das Auge beim Spurwechsel das fehlende Anbauteil. Schulterblick, wie in der Fahrschule, ist angesagt. Auf den weniger befahrenen Straßen im Münsterland ist das dann kein Problem mehr.
Wenn das Heck sich bemerkbar macht
Bis dahin liegt auch das fein gearbeitete Lenkrad gut in der Hand und die wenigen Anzeigen – unter anderem für Tempo und Benzin – sowie Schalter im Armaturenträger wirken eher angenehm beruhigend. Das alles ist auch gut so. Denn auf dem nassen Asphalt zeigt der Buckel-Volvo schnell die physikalischen Grenzen auf. Selbst bei Tempo 30 kann sich das Heck im Kreisverkehr schon mal unverhofft bemerkbar machen. Von dem Moment an werden auch unscheinbar wirkende Kurven deutlich respektvoller anvisiert. Schließlich soll das Schmuckstück ebenso unbeschädigt bleiben wie der Fahrer. Für den gibt es natürlich keine helfenden Assistenzsysteme, und auch Kopfstützen fehlen an den mit feinem Stoff bespannten Federkernsitzen. Für ein gewisses Maß an Sicherheit aber sorgen die Gurte, die Volvo Fahrer und Beifahrer schon spendierte. Und da zu den Zeiten das Rauchen weit verbreitet war, hatten die Designer des stromlinienförmigen Autos vor den in die hinteren Türen eingearbeiteten Armauflagen kleine Aschenbecher eingelassen. Wem es allein bei dem Gedanken zu heiß oder zu stickig wird, der kann das kleine Ausstellfenster öffnen, um sich den Fahrtwind ins Gesicht wehen zu lassen. Bei kalten Temperaturen wird die Heizung aktiviert.
Der Sprung ins Heute
Das alles hat sich im Lauf der vergangenen Jahrzehnte natürlich extrem verändert. Gerade in jüngster Vergangenheit hat sich die automobile Welt aufgrund der Ausrichtung auf die Elektromobilität grundlegend verändert. Volvo stellt das mit dem XC40 Recharge Pure Electric nachdrücklich unter Beweis. Kein Gangeinlegen, kein Aufkreischen von Zahnrädern des Getriebes. Der rechte Fuß nur ganz leicht aufs Antriebspedal und die Post geht mächtig ab. Der Umstieg vom Museums-Schätzchen auf das aktuelle E-Modell ist erneut gewöhnungsbedürftig, gelingt aber deutlich schneller als die Rückbesinnung auf die Autohistorie.
Während beim PV444 der Scheibenwischer lediglich mit leisem Quietschen ein relativ kleines Guckloch vom Regen befreit wird, hat das Auge beim XC40 Recharche freie Sicht. Das um ein vielfaches stärkere Lenkrad liegt fest in der Hand, und zuvor vorsichtig angesteuerte Kurven sind locker mit fast doppeltem Tempo zu passieren. Und anders als im alten Volvo hat beim elektrischen Schweden natürlich das digitale Zeitalter Einzug gehalten. Das gilt für die Instrumente und vor allem für den großen Bildschirm. Dazu gesellt sich die für Volvo legendäre Sicherheitsausstattung mit vielen Assistenzsystemen.
Ähnlich: Die Reichweite
Anstelle eines Verbrennungsmotors und Heckantrieb wie beim PV444 verfügt der XC40 Recharge an jeder Achse über einen Elektromotor, der jeweils 150 kW (204 PS) entwickelt. Zusammen kommen die Antriebe also auf 300 kW (408 PS) und produzieren ein Drehmoment von 660 Newtonmetern. An einer Schnellladestation kann die Batterie in 40 Minuten zu 80 Prozent aufgeladen werden. Die Reichweite beträgt 400 Kilometer (WLTP). Damit liegen alt und neu wiederum durchaus auf einem ähnlichen Niveau. Denn bei einem Verbrauch von knapp neun Litern und einem Tankvolumen von 35 Litern kam auch der PV444 mit einem Tankinhalt nicht weiter als der XC40 Pure Electric mit einer Batterieladung.
Spannend bei dem Vergleich der beiden automobilen Zeitgeister ist der Blick auf die Verkaufszahlen. Aus ursprünglich 8.000 geplanten Einheiten wurden beim Buckel-Volvo etwa 200.000. Die Zukunft wird zeigen, wie sich das beim XC40 Pure Electric entwickelt.
Warum Kann man nicht so ein schönes altes Buckel-Volvo-Design mit moderner Technik und ggf. als e-Auto auf den Markt bringen?