Mercedes startet im Sommer mit dem EQC seine E-Offensive. Doch wie so oft kann das Elektroauto nicht alle Versprechen halten.
Während hierzulande Elektrozapfsäulen meist leer stehen oder von Verbrennern zugeparkt sind, herrschen in Oslo andere Zustände. Wer durch das am Flughafen angrenzende Parkhaus schreitet, sieht dutzende von Stromern dort am Kabel hängen. Tesla, e-tron, Kona, I-Pace, i3, e-Golf, Leaf und Zoe. Norwegen ist Elektronation Nummer eins, weltweit. Und für Mercedes der ideale Ort, hier sein erstes SUV mit Stromantrieb vorzustellen, den EQC.
Er bildet den Auftakt zu einer ganzen Elektrofamilie, die der Stuttgarter Konzern bis Ende 2022 auf die Räder stellen will. Mit einer Länge von 4,76 Meter überragt der EQC sein „Schwestermodell“ GLC nur um wenige Zentimeter. Grund ist die andere Karosseriegestaltung und die neue Front, die unmissverständlich zeigen soll: Hier steckt kein Verbrennungsmotor mehr unter der Haube. Technisch aber teilt sich der EQC die Plattform mit dem GLC, läuft sogar vom selben Montageband in Bremen. Lediglich wenn die fast 700 Kilo schwere Batterie eingesetzt wird, schwenkt der EQC kurz aus.
471 Kilometer Reichweite?
Um den Stromspeicher dreht sich in der Elektromobilität so gut wie alles. Derzeit versuchen die Hersteller, so viel Energieinhalt wie nur irgend möglich ins Auto zu bekommen, um vor allem ein Problem zu mildern: die Reichweitenangst des Kunden. Gefragt wird nicht wie früher nach Leistung und Höchstgeschwindigkeit, bei einem Elektroauto lautet stets die erste Frage: Wie weit komme ich damit? Mercedes gibt bis zu 471 Kilometer an. Doch leider gehören diese unter sehr günstigen Bedingungen ermittelten Normwerte in die Welt der Märchen.
Kühlere Temperaturen, die eingeschaltete Klimaanlage oder Heizung und auch eine etwas forschere Fahrweise lassen die Reichweite im Alltag arg schrumpfen. Ohne Umschweife und Beschönigungen gibt der Chefingenieur des EQC, Michael Kelz, einen realitätsnahen Anhaltspunkt, denn er hat den EQC bereits länger getestet, ihn durch alle Jahreszeiten gefahren. „Um die 360 Kilometer im Sommer, zirka 270 Kilometer im Winter“, sagt Kelz. Ein ähnliches Ergebnis liefert uns der Bordcomputer, er zeigt einen Verbrauch von 25 kWh/100 km an -in Oslo sind es an diesem Tag nur kühle zehn Grad Celsius. 80 kWh an Kapazität besitzt der Akku. Er wäre also nach 320 Kilometern leer – bei gleichbleibender Fahrweise.
Schlaue Software an Bord
Um hier noch mehr herauszuholen wird Mercedes jedem EQ-Modell – die Abkürzung steht übrigens für „Electric Intelligence“ – eine äußerst schlaue Software mit auf den Weg geben. Das Navi kennt exakt das Streckenprofil und die Verkehrsverhältnisse bis zum Zielort und passt Rekuperation und Fahrweise entsprechend an. Sollte unterwegs ein Ladestopp nötig sein, zeigt das System an, wieviel Strom nachgeladen werden muss, um mit genügend Restenergie ans Ziel zu kommen. Die Reise lässt sich auch vorab bequem von zu Hause aus planen und ins Auto senden.
So hilfreich eine große Batterie für die Reichweite sein mag, zu Hause wird es ohne eine leistungsfähige Wallbox unmöglich, den EQC über Nacht wieder vollzuladen. Die normale Steckdose bräuchte 40 Stunden. Auf neun bis zehn Stunden reduziert sich die Zeit mit einer Wallbox, auf nur 40 Minuten gar, wenn Gleichstrom fließt, wie er an den Super-Chargern an den Autobahnen und an manchen öffentlichen Ladesäulen in der Stadt zu bekommen ist. Allerdings müssen auch hier alle Voraussetzungen stimmen, beispielsweise eine Batterietemperatur von gut 30 Grad Celsius. Nur dann können die Zellen die 110 kW Ladestrom, die Mercedes als Maximum für den EQC angibt, auch verdauen. Zudem gelten die 40 Minuten nur bis zu einem Ladezustand von 80 Prozent.
Ein Motor vorne und einer hinten
Angetrieben wird der EQC von zwei Elektromotoren mit jeweils 150 kW/204 PS, wobei der hintere auf schnelle Leistungsentfaltung, der vordere dagegen auf Effizienz und Rekuperation ausgelegt wurde. Zusammen schicken beide also 300 kW/408 PS zu den Rädern und liefern ein Drehmoment von beachtlichen 760 Newtonmeter. Beides macht den EQC, trotz seiner immerhin 2,5 Tonnen Gewicht, nicht nur zu einem souveränen Gleiter, sondern, wenn es sein muss, auch zu einem sportlichen Gesellen. Bedingt durch den tiefen Schwerpunkt geht der EQC äußerst knackig ums Eck. Noch beeindruckender ist allerdings die unglaubliche Ruhe in diesem Elektro-SUV. Während Audi seinen e-tron bei niedrigem Tempo ein wenig wie eine Straßenbahn „heulen“ lässt – vermutlich, um zu erinnern, dass man in einem Elektroauto sitzt –, dringen beim Mercedes keine Geräusche ans Fahrerohr. Besonders der hintere Elektromotor und die Radhäuser wurden extrem aufwändig gedämmt.
Preislich positionieren die Stuttgarter ihr mittlerweile zehntes Elektroauto -den Anfang machte 2009 der Smart – gut 8.000 Euro unterhalb der beiden Hauptkonkurrenten Jaguar I-Pace und Audi e-tron. Doch damit nicht genug. Die 71.281 Euro entsprechen einem Nettopreis von 59.900 Euro, womit der EQC in Deutschland förderungsfähig wird und der Kunde 4.000 Euro Prämie kassieren kann.
Dies und die neue 0,5-Prozent-Dienstwagenregelung, so glaubt Mercedes, dürften viele Kunden in diesem Segment dazu animieren, auf Elektromobilität umzuschwenken. Die Bestellbücher sind seit dem 6. Mai geöffnet, die ersten Auslieferungen werden für den Sommer versprochen. Allerdings: Angeblich sollen die meisten noch in diesem Jahr produzierten EQC schon verkauft sein – nach Norwegen. Michael Specht/SP-X
Technische Daten:
Fünftüriges, fünfsitziges SUV mit Allradantrieb, Länge: 4,76 Meter, Breite: 1,88 Meter, Höhe: 1,62 Meter, Radstand: 2,87 Meter, Kofferraumvolumen: ca. 500 Liter Antrieb: 2 Asynchron-Maschinen: 300 kW/408 PS in, maximales Drehmoment: 760 Nm, 0-100 km/h: 5,1 s, Vmax: 180 km/h (abgeregelt), Durchschnittsverbrauch: 19,7 bis 20,8 kWh/100 km, CO2-Ausstoß: 0 g/km, Batteriekapazität: 80 kWh, Reichweite 445 – 471 km, Preis: 71.281 Euro
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