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Eine Branche zwischen Prunk und Fortschritt

Das Verbrenner-Aus kommt, die Frage ist nur wann. Daher haben wir uns auf dem Caravan Salon einmal umgeschaut, was sich in Sachen E-Mobilität in der Wohnmobil-Branche so tut. Vorweg: Die Ausbeute ist überschaubar und die Trends sind zum Teil eher erschreckend.

Während der Corona-Pandemie ist der Trend zum Campen nochmals gestiegen. Die Neuzulassungen von Reisemobilen und Caravans sind seit Jahresbeginn um über sechs Prozent gewachsen. Rund 75.000 Freizeitfahrzeuge wurden zwischen Januar und Juli in Deutschland neu zugelassen – mehr als je zuvor in diesem Zeitraum. So heißt es in der Presseinfo des Caravaning Industrie Verbands: „Die Begeisterung deutscher Urlauber für Caravaning ist auch 2021 ungebrochen. In den ersten sieben Monaten des Jahres wurden 74.957 Reisemobile und Caravans neu zugelassen – Rekord. Das entspricht einem Plus von 6,2 Prozent gegenüber demselben Zeitraum des Vorjahres, der ebenfalls einen neuen Bestwert erreicht hatte.“

Der Trend zum „Immer Größer“

Bullig sehen sie aus, die meisten Angebote. Das Angebot an 4×4-Offroad-Wohnmobilen wird immer größer. Der Mehrverbrauch schert hier scheinbar keinen. Hauptsache Kuhfänger und grobstolliges Reifenmaterial für die Optik und den martialischen Auftritt. Einen wirklich praktischen Nutzen hat das alles vermutlich nur für einen Bruchteil der Käufer. Und ungebrochen ist auch der Trend zu immer größeren Fahrzeugen. Der Smart im Heck ist nicht mehr genug, jetzt wird der Bugatti zum Campen einfach mitgenommen – für 6,5 Millionen Euro.

Mit praktischer Bauchtasche: Schließlich will man im Urlaub nicht auf den eigenen Bugatti Veyron verzichten. Fotos: Schulte

Ein alter Renault und auch ein alter VW Bulli beim Anbieter Camptools wirken regelrecht filigran gegen den Gigantismus der vollausgestatteten Bollwerke. Eine entrückte Entwicklung. Eigentlich wollte man doch in Einklang mit der Natur eben diese genießen beim Campen. Stattdessen stellen viele Hersteller tonnenschwere Commodity-Garanten für die Reise her.

E-Power-Drive von Knaus

Da ist der erste ernstzunehmende Versuch eines E-Motorhomes. Der E-Power Drive auf Ducato Basis, entkernt und ausgerüstet mit einem Dreischeibenwankelmotor als Range Extender, der die 35-Kwh-Batterie unterstützen soll. 90 Kilometer rein elektrische Reichweite und danach werkelt der Wankel. Dem reinwertigen Elektromobilisten wird jetzt ein gequältes „Naja“ entfleuchen bei dem Gedanken an Range Extender – und dann noch Wankel. Aber nehmen wir es, wie es ist. Das sind erste Gehversuche und dem Unternehmen Knaus muss man für diese Initiative Respekt zollen. Die Entscheidung für den Wankel hat eine Geschichte. Die DB nutzt diesen Motor für die Energiegewinnung. So kam es durch einen Kontakt zu der Entscheidung, den Motor auch im Wohnmobil einzusetzen. In Zukunft seien auch andere Motorkonzepte denkbar. Nebenbei werden auch alle Verbraucher elektrisch betrieben, wodurch auf Gasflaschen komplett verzichtet werden kann. Und das Modell ist autark, es kann sogar mehrere Tage ohne Stromanschluss betrieben werden. Nach 35 Minuten soll nach Herstellerangabe die Batterie durch den Range Extender wieder aufgeladen sein. Ein rein elektrisches Modell mit großer Batterie kommt derzeit nicht in Betracht. Grund dafür sind die nach Aussage des Herstellers die vorherrschenden Wünsche in der Nutzerschaft. Der Kunde würde wenigstens 600 Kilometer am Stück fahren wollen. Bei der derzeitigen Batterietechnik würde der Akku dann deutlich zu schwer werden, denn Gewicht ist ein großes Thema beim Wohnmobil.

Die Firma Knaus wagt erste Versuche mit E-Wohnmobilen im Markt, weist aber auch auf die Probleme hin.

Doch geht es bei den ersten E-Versuchen nicht um den Antrieb, sondern um die Energie-Verbraucher beim Caravan. Vielen Campern sind Gasflaschen suspekt. Zudem tragen sie auch erheblich zum Gewicht von Caravan und Wohnmobil bei. Eine Alternative ist das Betreiben aller Verbraucher mit Strom aus der Batterie. Mittlerweile bieten die meisten namhaften Hersteller solche reinen E-Camper an. Gasfreies E-Caravaning mit weniger Wartungsaufwand, mehr Stauraum und weniger Gewicht. So bewirbt der Hersteller Knaus sein Konzept „E-Power“. Energie wird auch durch Solarmodule gewonnen. Definitiv ein kleiner Schritt in Richtung Umweltschutz.

Mit eigenem E-Antrieb

Die sogenannten Mover zum Rangieren auf dem Campingplatz oder im Winterquartier sind längst Standard. Warum also nicht ein eigener Antrieb zur Unterstützung des Zugfahrzeugs? Bei E-Autos als Zugmaschine ist das zum Erhalt der Reichweite nach Meinung vieler Profis unerlässlich. Einen Prototypen vom türkischen Hersteller Crawler haben wir beim Caravan Salon gefunden. Wann das Fahrzeug zulassungsfähig ist, konnten wir am Stand allerdings nicht in Erfahrung bringen.

Den E-Prototypen des Wohnwagenherstellers Dethleffs in Zusammenarbeit mit Erwin Hymer Group und den Antriebs-Spezialisten von ZF konnten wir leider nicht bewundern: Die Hymer Group und Dethleffs verkneifen sich den Caravan Salon in diesem Jahr. Eine erfolgreiche Tour durch die Alpen mit dem E-Caravan und einem Audi E-Tron als Zugfahrzeug haben die Innovatoren bereits hinter sich. Die Präsentation wäre sicher einen Messeauftritt wert gewesen.

Gebaut aus Holz

Hier zeigt sich mal wieder, wozu eine Messe gut ist. Man stößt auf Dinge, die man nicht gesucht und nicht einmal für möglich gehalten hätte. Der Wohnmobilhersteller Holzmobil fertigt Aufbauten in modernster Holzleichtbautechnik. Auch hierzu gibt es eine Geschichte. Der Juniorchef hat bei konventionellen Campern allergisch auf Kunststoff und Chemie reagiert. Die Idee war geboren.

Eine spannende Idee: Ein Wohnmobil aus natürlichen Materialien, allen voran Holz. Das Interesse an dem ungewöhnlichen Aufbau ist auf der Messe groß.

Holzfachmann war er ohnehin bereits, also ein Aufbau mit dem nachhaltigen Werkstoff erstellen und auch im Innenausbau nur natürliche Materialien verwenden. Das Interesse der Kundschaft ist definitiv da, das hölzerne Wohnmobil könnte richtig einschlagen. Für die Wetterfestigkeit hat die Firma den Bootsbauer des Vertrauens hinzugezogen. Ein Konzept, dass sich Allergiker und Umweltfreunde auf jeden Fall anschauen sollten. So vielseitig ist der nachwachsende Rohstoff Holz. Und so ein Holzmobil passt viel besser in die Natur und in diese Zeit als ein Giga-Home auf Rädern mit Bugatti im Bauch. ES/Titelfoto: Eckhard Schulte

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