Nach dem 2 Dual Motor bringt Polestar nun den Single. Genügt dieser, um den zwei Tonnen schweren Stromer zügig zu bewegen?
Bevor der Volvo-Ableger Polestar nächstes Jahr eine Modelloffensive mit der Einführung des Elektro-SUV „3“ einleitet, müssen Interessenten der Marke zunächst noch mit der einzigen Baureihe „2“ Vorlieb nehmen. Mittlerweile wird diese zusätzlich zur „Dual Motor“-Version in zwei abgespeckten Antriebsvarianten angeboten, die auf den zweiten Motor an der Hinterachse und damit auf Allradantrieb verzichten. Trotz der deutlich reduzierten Leistung erlebt man die „Single Motor“ genannte 2WD-Variante keineswegs als Verzichtmobil. Performance, Ausstattung und Reichweite sind selbst hier auf gehobenem Niveau. Das trifft allerdings auch auf den Preis zu.
Kein Verzichtmobil
Äußerlich finden sich keine wirklichen Unterschiede zur Allradversion. Dass es sich allerdings um ein batterieelektrisch angetriebenes Auto handelt, wird manchen überraschen, denn angesichts der Proportionen könnte man die rund 4,60 Meter lange Limousine durchaus für einen konventionellen Verbrenner halten. Doch unter der langen Fronthaube steckt ein E-Motor, der abhängig von der Batteriegröße 165 kW/224 PS beziehungsweise 170 kW/231 PS bereitstellt. In unserem Fall fuhren wir die stärkere Version mit dem 78 kWh großen Long-Range-Akku, der bis zu 540 Kilometer Reichweite erlaubt.
78 kWh großer Akku
Einen Startknopf zur Aktivierung der Fahrbereitschaft sucht man im aufgeräumten Cockpit des „2“ vergeblich. Nach dem Einsteigen reicht es bei Polestar, den Getriebewahlhebel auf D zu schieben – schon kann es losgehen. Zu Beginn der Testfahrt zeigte das digitale Kombiinstrument eine zu 90 Prozent gefüllte Batterie sowie eine Restreichweite von 400 Kilometer an. Zuvor wurde der Wagen vermutlich etwas flotter bewegt. Der Grund dafür ist schnell ersichtlich, denn wird das Gaspedal etwas progressiver bearbeitet, prescht der „2“ trotz seiner gut zwei Tonnen Gewicht mühelos und gierig voran. Vor allem im Stadtverkehr muss sich der Fahrer konzentrieren, um im legalen Rahmen der Tempolimits zu bleiben. Ein kurzes Lupfen des Gaspedals reicht, damit sich der Stromer dank stark einsetzender Motorbremse und Rekuperation wieder auf regelkonformes Niveau einpendelt.
In den Kurven macht er Laune
Stärker ausreizen lässt sich der impulsive Vortrieb auf der Landstraße. In 7,4 Sekunden kann man dort die virtuelle Tachonadel auf dreistelliges Niveau treiben. Auch Überholmanöver meistert der durchzugsstarke Polestar lässig. Dank präziser Lenkung, straffem Fahrwerk und satter Straßenlage macht es richtig Laune, zügig in Kurven einzufahren und am Scheitelpunkt wieder kräftig zu beschleunigen. Vor allem in engeren Kurven und bei nasser Fahrbahn bringt man so die Vorderreifen immer wieder zum Durchdrehen. Einen traktionsstarken Allradantrieb haben wir dennoch nicht vermisst. Auch auf der Autobahn beeindruckt der Wagen mit Spritzigkeit und Durchzug. Lediglich auf der linken Spur sollten die Ansprüche nicht allzu hoch sein, denn bei 160 km/h wird abgeregelt. Die Allradversion schafft immerhin 205 km/h.
400 Kilometer sind locker drin
Nach 114 Testkilometern war der Akku noch zu 62 Prozent gefüllt, die Restreichweite gab der Bordcomputer mit 270 Kilometer an. Ein Reichweitenwunder ist also ausgeblieben. Doch die mit 78 kWh großzügig dimensionierte Batterie dürfte selbst bei flotter Fahrweise mehr als 400 Kilometer Reichweite bereitstellen. Schnelles Nachladen ist kein Problem: Liefert die Schnellladesäule 155 kW Gleichstrom, ist ein Befüllen von 0 auf 80 Prozent in 40 Minuten möglich. An der Wechselstrom-Wallbox mit 11 kW sind es 8 Stunden für eine volle Ladung.
155 kW DC-Ladeleistung
Auch sonst erlebt man den in China produzierten Schweden als gutes Alltagsauto. Das Ambiente mit veganen Hightech-Kunststoffen und Textilien ist hochwertig und modern. Vorne wie hinten gibt es ausreichend Platz auch für Erwachsene, der Kofferraum hinter der großen Heckklappe kann sogar größeres Reisegepäck aufnehmen. Bei umgeklappter Rücksitzlehne wächst der Stauraum von 405 auf 1.095 Liter. Als hingegen weniger praktisch im Alltag haben wir die Rundumsicht erlebt. Dank kleiner Fenster sowie den breiten B- wie C-Säulen bleibt dem Fahrer einiges vom Verkehrsgeschehen verborgen.
Eingeschränkte Rundumsicht
Besonders positiv überrascht hat uns das Infotainmentsystem auf Android-Basis. In der übersichtlichen Menüstruktur findet man sich umgehend zurecht. Der große Touchscreen zeigt alles erfreulich übersichtlich an, das System reagiert zudem prompt auf Befehle. Ob die Nutzung von Online-Diensten wie Spotify oder das Einstellen von Fahrzeugfunktionen – alles geht angenehm einfach von der Hand. Wer Google Maps seine Wunschadresse lieber diktieren will, wird zudem ohne Mucken vom System korrekt verstanden.
Bleibt der Preis…
Obwohl mit der Single-Motor-Version der Einstiegspreis des Polestar 2 deutlich sinkt, bleibt selbst hier die finanzielle Einstiegshürde hoch. Rund 45.500 Euro kostet die Variante mit der 64 kWh großen Standard-Range-Batterie, 3.000 Euro mehr sind es mit 78-kWh-Akku. Zum Vergleich: Der allradgetriebene Polestar 2 Dual Motor kostet mit 51.000 Euro lediglich 2.500 Euro Aufpreis. Für eine deutlich attraktivere Antriebsoption ein eigentlich vernachlässigbarer Aufschlag. Alle drei qualifizieren sich für den Umweltbonus von 9.570 Euro. Rund 6.000 Exemplare des 2 will Polestar nächstes Jahr in Deutschland unters Volk bringen. Rund die Hälfte davon sollen Single-Motor-Versionen mit großem Akku sein. Mario Hommen/SP-X
Polestar 2 Long Range Single Motor – Technische Daten:
Fünftürige, fünfsitzige Fließhecklimousine; Länge: 4,61 Meter, Breite: 1,8 Meter, Höhe: 1,48 Meter, Radstand: 2,74 Meter, Batteriekapazität: 78 kWh; Kofferraumvolumen: 405 – 1.095 Liter.
Antrieb: Permanentmagnet-Synchron-Elektromotor, maximales Drehmoment: 330 Nm ab 1 U/min, Frontantrieb, 1-Gang-Getriebe, 0-100 km/h: 7,4 s, Vmax: 160 km/h, WLTP-Reichweite: 540 km; Verbrauch WLTP: 15,9 – 19,7 kWh/100 Kilometer, CO2-Ausstoß: 0 g/km, Effizienzklasse: A+, Preis: ab 48.500 Euro.
Add a Comment