Im Testzeitraum von 14 Tagen fallen uns an einem Auto viele Eigenschaften auf. Das Test-Tagebuch fasst diese zusammen. Der Kandidat diesmal: Audi e-tron GT.
In die trüben November-Tage fällt doch wirklich ein Lichtschein – in der wunderschönen Form des Audi e-tron GT, exakter beschrieben als GT 60 quattro 350 kW distance plus in Suzukagrau Metallic mit Carbondach. An der Angabe 350 kW kann man erkennen, dass es nicht die RS-Variante des GT ist (die hätte dann 475 kW). Die genannten 350 kW reichen aber auch so für eine Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in gut 4 Sekunden. Die „60“ im Namen steht allerdings nicht für die Akkugröße, denn die beträgt brutto 93,4 und netto 83,7 kWh. Damit soll der GT 488 Kilometer weit kommen; nach dem ersten Vollladen an heimischer Wallbox auf 100 Prozent steht in der Reichweitenanzeige nur 355 Kilometer zu lesen. Schaun wir mal…
29.11.2021: Laden, 2. Kapitel. Nach der doch eher durchwachsenen Ladeerfahrung vom 22.11. (siehe unten) erschienen wir erneut an der Ionity-Station mit 300-kW-Schnellladern – alles Einzellader übrigens. Da wir beim ersten Mal argwöhnten, dass der Akku nicht vorgewärmt war, haben wir diesmal das Ziel per Suchfunktion ins Navi eingegeben. Fahrtzeit: 20 Minuten.
Doch das Ergebnis war das gleiche: Start bei 13 Prozent Restladung mit 76 kW. Danach erst vorsichtige, nach 10 Minuten schnellere Steigerung auf 150 kW. Doch schon knapp 10 Minuten später (bei 57 % Ladestand) sank die Leistung auf rund 100 kW und blieb dort fast 20 Minuten. Bei 85 Prozent Ladestand ging es dann weiter bergab, und ab 92 Prozent SoC sank sie auf 68 kW.
Damit nahm die Kurve einen ähnlichen Verlauf wie beim ersten Laden. Sicherlich: Die Temperaturen von nur 5 Grad befördern nicht gerade die Leistung, doch etwas mehr hatten wir vom viel gepriesenen 800-Volt-System schon erwartet. Eine Schnellladung bis 80 Prozent dauert so eine halbe Stunde.
24.11.2021: Wir müssen über Geld reden. Vielmehr über den Preis, den Audi für so viel Auto aufruft. Schon der Basispreis des e-tron GT hat mittlerweile mit 101.600 Euro im Modelljahr 2022 die magische 100.000-Euro-Grenze übersprungen. Und das ist nicht das letzte Wort, denn kein Exemplar dürfte ohne Extras über die Ladentheke gehen. Bei unserem Testwagen stehen letztendlich 126.660 Euro zu Buche, und das dürfte der Bereich sein, wo man mit einem vernünftig ausgestatteten GT landet.
Allein die Farbe „Suzukagrau-Metallic“ (ein Ton dunkler als Weiß) schlägt mit 1.050 Euro zu Buche. Und für Extras wie dem adaptiven Fahrwerk (adaptive air suspension/1.499 Euro), diverse Assistenzpakete (Parken, Stadt, Tour) oder das Carbondach (3.750 Euro) werden vierstellige Summen aufgerufen. Der Clou aber sind die Keramikbremsen, die zwar eine klasse Standhaftigkeit und ein tolles Pedalgefühl (trotz Rekuperation) bieten, für die aber 8.500 Euro aufgerufen werden. Und so kommt es, dass bei oben genanntem Endpreis im Testwagen kein Head-up-Display (1.400 Euro) verbaut ist.
Aufgefallen ist uns das Paket „Umgebungskameras“ (1.150 Euro). Dann erfassen vier weitwinklige Umgebungskameras den gesamten Bereich unmittelbar rund um das Fahrzeug. Aus den Bilddaten wird eine Vielzahl verschiedener, durch den Touchscreen steuerbarer Ansichten ermöglicht. Damit kann man das Fahrzeug oder den Raum um das Fahrzeug lückenlos und aus der Vogelperspektive sowie von den Seiten überwachen. Man kann sich sogar beim (langsamen) Fahren selbst von außen beobachten (Foto).
22.11.2021: Wir waren laden und haben eine Ionity-HPC-Station an einer Autobahn angesteuert. Der Akku des e-tron GT muss für das superschnelle Laden vorgewärmt werden – doch das funktioniert wohl nicht über das Antippen des HPC-Symbols auf der Karte des Navis, das uns daraufhin den Weg zur Station wies. Denn frisch eingestöpselt lud der e-tron nur mit 74 kW. Da war wohl nichts vortemperiert. Zudem hatte es 9 Grad Außentemperatur.
Nun gut, der Akku erwärmte sich nach wenigen Minuten, und die Ladeleistung stieg auf 150 kW, bevor sie langsam Richtung 120 und 106 kW abfiel. Ab 80 Prozent Ladestand sank sie dann weiter auf 40 kW (da hatten wir aber auch schon einen Ladestand von über 90 Prozent erreicht). Da wir mit 7 Prozent Restreichweite ankamen, benötigten wir knapp 35 Minuten bis zum Ladestand von 80 Prozent. Das ist okay, wir hätten uns freilich mehr erhofft – doch wie gesagt, war der Akku wohl nicht vorgewärmt. Wir werden es erneut probieren und die Säule dann über die Suchfunktion eingeben.
Neben uns stand übrigens ein Ioniq 5, der mit 75 kW lud – auch nicht gerade Rekord. Und nochmal übrigens: Die CCS-Ladedose befindet sich auf der Beifahrerseite; auf der Fahrerseite gibt es lediglich eine Typ-2-Dose für bis zu 22 kW.
21.11.2021: Viele Ablagen gibt es nicht im e-tron GT. Zwei Becherhalter und ein Fach für Kleinkram zwischen den Sitzen. Doch wohin mit dem Handy? Unter dem Ellenbogen gibt es ein Fach für etwas größeres Staugut und zwei USB-C-Anschlüsse. Dort soll wohl auch das Smartphone verstaut werden. Naja.
Direkt daneben findet sich eine runde Scheibe/Fläche, die man sowohl drücken als auch touchen kann. Bewegt man den Finger gegen den Uhrzeiger, dann reduziert sich die Lautstärke – andersrum wird es lauter. Leichter Druck auf den Rand setzt die jeweils dort hinterlegte Funktion um. Dieser Knopf ist auch für den/die Beifahrer/in gut zu erreichen und auf jeden Fall die bessere Lösung als das Touchen in den anderen neuen VW-Modellen.
Ansonsten werden wichtige Funktionen wie die des Fahrmodus über altmodische Schalter bedient, was wir als sehr angenehm empfinden. Die Touchflächen auf dem Monitor quittieren die Eingabe übrigens mit einem leisen Surren.
17.11.2021: Nun haben wir die ersten 133 Kilometer zurückgelegt, und spannend ist dann stets zu sehen, wie sich der Verbrauch entwickelt. Letztlich landeten wir bei knapp 26 kWh auf 100 Kilometer, wobei wir einen Mix aus Landstraße, Autobahn und Stadt gefahren sind. Lässt man die 350 kW mal ein wenig von der Leine, dann überschreitet man schnell die 30-kWh-Grenze. Doch dann beginnt im e-tron GT eigentlich erst der Spaß: Denn die Pferdchen entfalten sich so wuchtig, dass es einen in den Sitz presst; das Auto bleibt stabil in der Spur. Das hat Sucht-Potenzial.
Von der Tätigkeit des Zweigang-E-Getriebes bekommt man dabei übrigens kaum etwas mit. Im Normalfall fährt der Wagen immer im zweiten Gang an. Nur wenn der Fahrer stark beschleunigt oder die Launch Control aktiviert (und dann powern kurzzeitig 390 kW), schaltet der e-tron GT in den kürzer übersetzten ersten Gang. Nun ja, im eher überfüllten Rhein-Main-Gebiet bleibt das eher die Ausnahme; wenn man aus dem Stand beschleunigt, spürt man den Übergang ganz zart.
Es zeigt sich aber jetzt schon, dass die Reichweitenangabe von rund 360 Kilometer realistischer ist als der WLTP-Wert von 488.
15.11.2021: Die Eindrücke auf der ersten kleinen Runde zum Fotografieren ließen schon ein erstes Grinsen in die Mundwinkel sickern. Die Beschleunigung ist ebenso heftig wie gleichmäßig und nicht enden wollend. In Kurven verfolgt der GT die Linie wie auf Schienen. Die Leistung schießt durch die unzähligen Parameter der Regelelektronik, die sie mal an dieses Rad umlenken, mal an jenes, zuweilen ein wenig einbremsen, dem Fahrer aber immer das Gefühl vermitteln, dass es unaufhaltsam vorangeht – und immer dort, wo man lang will. Das vermittelt Sicherheit und macht Freude auf mehr. Und zu entdecken gibt es am e-tron GT noch vieles. Fotos: Mag
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