Im Testzeitraum von 14 Tagen fallen uns an einem Auto viele Kleinigkeiten auf. Das Test-Tagebuch fasst diese zusammen. Der Kandidat: Honda e.
Wie, Sie kennen den Honda e noch nicht? Noch nie gesehen? Gut, das mag daran liegen, dass der kleine japanische Stromer im Straßenbild kaum vorkommt. Denn aufgefallen wäre er Ihnen auf jeden Fall mit seinen treu-naiv blickenden Augen, seiner würfelartigen, knubbeligen Form und dem kurzen Heck. Insofern bedient der Honda e ein Kindchenschema, das einen „Muss-ich-haben-Reflex“ auslösen soll.
Muss man ihn haben? Im Laufe der nächsten zwei Wochen werden dies zu eruieren versuchen – und werfen dazu zunächst einen Blick in die Daten- und Preisliste. Der kleine Stromer besitzt in der Grundausstattung 136 PS (100 kW), kauft man das Advanced-Paket mit, dann bekommt man 154 PS (113 kW). Der Akku besitzt eine Kapazität von 35,5 kWh und kann an der Wechselstromquelle mit 6,6 kW und an der DC-Säule mit maximal 56 kW laden. Damit soll er dank eines Energieverbrauchs von 17,2 kWh (WLTP) 220 Kilometer weit kommen.
Der Honda e kann auch DC-Laden..
Von sich reden machte der Honda e mit seinen über die gesamte Breite des Fahrzeugs laufende Bildschirmleiste im Inneren, die sich in drei Monitore unterteilt sowie das Fehlen der Außenspiegel, die von zwei weiteren Monitoren an den äußeren Enden der Leiste ersetzt werden – und außen natürlich von zwei Kameras. Günstig ist so viel Entertainment freilich nicht: In der Basisvariante kostet der Honda e 33.850 Euro brutto, als Advanced 38.000 Euro. Soweit die Theorie.
28.02.2022: In der Praxis zeigt sich zunächst, dass der Knubbel die Betrachterschaft spaltet. Während die einen ihn recht süß finden, wenden sich andere irritiert ab. Trotz seiner auffälligen Merkmale kennen ihn die wenigsten. Da der Akku ja nicht sehr groß ist, kommt der Kleine erst mal an die Wallbox. Dazu drückt man eine Taste an der Fernbedienung, und die große schwarze Klappe schenkt auf. Die Wallbox findet sehr schnell Kontakt zum Ladesystem im Auto und beginnt ihr Werk. Doch der Blick auf die Zahlen ernüchtert: Bei einer Restladung von 11 Prozent gibt der e die Ladezeit mit 11 Stunden an. Von den avisierten 6,6 kW kann also keine Rede sein.
…aber AC nur einphasig
Kein Wunder, lädt der Honda e doch nur einphasig mit maximal 3,5 kW, was er bei uns nicht ganz schaffte: Letztendlich brauchte er rund 9 Stunden für die Vollladung. Und die Reichweite? Im Display werden nach der 100-Prozent-Ladung 160 Kilometer angezeigt, was sicherlich auch den Temperaturen geschuldet ist. Wir sind gespannt, ob der wenigstens die schafft.
Unser erster Eindruck sonst: Ein wohnlicher Innenraum mit genügend Kopffreiheit auf für große Fahrer/innen. Unverständlich ist hingegen, dass sich der Beifahrersitz nicht in der Höhe verstellen lässt. Dadurch sitzt man sehr flach und kann die Oberschenkel nicht auflegen. Auf Dauer dürfte das recht unbequem sein. Außerdem hätten wir bei einem derart gut ausgestatteten Auto ein axial verstellbares Lenkrad erwartet, aber es lässt sich nur in der Höhe justieren.
So viel aber ist klar: Der Honda e macht vieles anders. Ob er auch vieles besser macht? Wir sind gespannt.
03.03.2022: Die letzte Aussage des vorherigen Eintrags bestätigt sich. Vieles ist anders am und im Honda e. Zunächst irritierte uns die Öffnungsautomatik: Nähert man sich dem Auto, springen die Türgriffe aus den Vertiefungen, aber man muss zweimal ziehen, bis die Scheibe ein wenig runterfährt und die Fahrertür öffnet. Hinten muss man mit einem Finger den Kippschalter drücken und mit einem anderen die Tür aufziehen (Foto). Umgekehrt schließt der e nicht automatisch ab, wenn der Schlüssel sich entfernt, und auf die leichte Berührung des Türgriffes reagiert er selten.
Vor Rätsel stellte uns auch das Abziehen des Ladesteckers nach der ersten vollendeten Ladung. Da es dunkel war sahen wir den kleinen, schwarz gehaltenen Druckknopf rechts neben dem Stecker nicht, der diesen entriegelt. Es wäre sicherlich hilfreich, diesen ein wenig zu kennzeichnen. Immerhin fühlt man sich auch als großer Mensch auf dem Fahrersitz recht wohl – trotz der kompakten Automaße, und das Fahren macht in dem wendigen Flitzer durchaus Spaß. Wünschen würden wir uns eine Armstütze zwischen den Sitzen, das entspannt doch sehr.
Sehr einfach zu bedienen ist das Navigationssystem per Sprache als auch per manueller Eingabe. Und es ist top aktuell: Sogar von einer innerstädtischen und nicht allzu großen Baustelle wusste es, was uns durchaus verblüffte. Bitter aber ist der Blick auf den Verbrauch, den der Bordcomputer detailliert auflistet: Hier stehen derzeit rund 22 kWh auf 100 Kilometer zu Buche – viel zu viel für den Winzling.
07.03.2022: Haben wir zu viel rumgehackt auf dem Kleinen? Ja, kann sein, denn in einigen Disziplinen überrascht uns der Honda e positiv. Wie etwa beim Platz im Innenraum. Klar, aus einem Winzling wird auch mit cleverer Raumausnutzung kein Riese, doch den winzigen, 171 Liter großen Laderaum kann man mit einem Griff auf dachhohe 861 Liter erweitern. Und man glaubt es kaum: Auch vier Erwachsene – so sie denn nicht größer als 1,80 Meter sind – können ohne sich quetschen zu müssen bequem in ihm sitzen, vorn wie hinten.
Auch den derzeit niedrigen Nachttemperaturen begegnet der Honda e wirkungsvoll. Nicht nur, dass man den Startzeitpunkt programmieren kann, an der Fernbedienung findet sich auch eine Taste, mit den man die Lüftung zum Vorheizen bei Bedarf anschalten kann. Zudem gibt es eine beheizbare Frontscheibe sowie ein beheizbares Lenkrad; freilich auch eine Sitzheizung vorne.
Eine Freude ist das Fahren im Japaner. Er wuselt flott durch die Stadt, findet überall einen Parkplatz und hat genug Dampf unter der Haube, um sich auch in kleinste Lücke quetschen zu können. Die 113 kW (154 PS) reichen auch im vollbesetzten Betrieb allzeit aus, die Lenkung gibt eine schöne Rückmeldung und der Wendekreis ist mit 8,6 Metern erfreulich klein.
Wäre da nicht der Verbrauch. Auch im kombinierten Stadtverkehr mit einem gewissen, vom Ballungsgebietsverkehr eingebremsten Autobahnanteil kommt der Kleine nicht unter 21 kWh je 100 Kilometer. Das vermeldet jedenfalls der Bordcomputer. Wir messen eifrig mit und sehen dem Endergebnis erwartungsvoll entgegen.
10.03.2022: Die beste aller Ehefrauen hat sich schon ein wenig verliebt in den Honda e. Nicht wegen seines Kindchenschema-Designs, sondern wegen seiner Spritzigkeit, Wendigkeit, Übersichtlichkeit – und noch einige -keits mehr. Dank der Rückfahrkamera mit Vogelperspektive lässt er sich in der Stadt auch in kleinste Parklücken zwängen, und das Navi ist, wie gesagt, sehr verständig.
Eine weitere Eigenheit ist sein Rekuperationskonzept, das aber nicht unbedingt für Begeisterung sorgt. Am Lenkrad gibt es zwei Paddels, mit deren Hilfe man die Energierückgewinnung reduzieren oder steigern kann. Aber nicht bis hin zum One-Pedal-Modus, der das Auto also bis zum Anhalten verzögert. Um diesen Modus zu aktivieren muss man eine extra Taste (Foto) betätigen: Diese funktioniert aber nur, wenn man gleichzeitig die Bremse tritt. Und: Beim nächsten Start muss man den Modus wieder neu aktivieren. Ziemlich umständlich und unpraktisch.
Noch ein Wort zur Reichweite. Von den angegebenen 210 Kilometern kann man sich getrost verabschieden, vor allem im Winter. Bei Vollladung zeigt der Computer 140 bis 160 Kilometer an, die der Honda e dann auch schafft, wenn man ihn nicht zu sehr strapaziert. Dennoch muss man ihn bei Pendelstrecken von 70, 80 Kilometern täglich an die Box hängen, zumal es auf Dauer ratsam ist, die Ladung auf 80 oder maximal 90 Prozent zu begrenzen, der Akku-Gesundheit wegen.
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