V2X: Während der Standzeiten könnte man die Akkus von E-Autos sinnvoll nutzen. Es gibt dafür mehrere Möglichkeiten.
Immer mehr Energiespeicher rollen über unsere Straßen – und vor allem stehen sie stunden- und tagelang ungenutzt auf den Stellplätzen: Die Rede ist von den Akkus in E-Autos. Dabei könnten die Speicher einiges zur Energieversorgung beitragen. Sie könnten etwa die elektrische Versorgung in unseren Städten stabilisieren, indem sie als Puffer und somit als aus dem Stromnetz ausgelagerte Minikraftwerke arbeiten. Oder als Energiespeicher für Häuser und damit (viel kleinere und teure) Speicher für PV-Anlagen obsolet machen.
Vehicle-to-Everything-Technologie, kurz V2X, heißt das Entwicklungsgebiet. Der Begriff fasst eine Reihe technologischer Innovationen zusammen, die das Stromnetz stabilisieren und den Einsatz erneuerbarer Energiequellen unterstützen können – eben mithilfe des Stroms aus rein batterieelektrischen Fahrzeugen (BEV, Battery Electric Vehicle).
Strom fürs öffentliche Netz
Ein Anwendungsbeispiel für V2X ist Vehicle to Grid (V2G). Diese Technologie ermöglicht es, Strom aus den Batterien von BEVs in das öffentliche Stromnetz (englische Bezeichnung: grid) einzuspeisen. Durch diesen Einsatz von BEVs als Stromlieferanten profitiert die Energielandschaft, denn Besitzer eines E-Modells können aktiv zur Stabilisierung ihres lokalen Stromnetzes beitragen.
Um die Auswirkungen des Klimawandels zu verringern, beziehen viele Staaten immer mehr erneuerbare Energiequellen in ihren Energiemix ein, darunter auch Deutschland. Die V2G-Technologie kann diesen Prozess zusätzlich unterstützen, indem sie CO2-Emissionen reduziert und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verringert. Anstatt Reservekraftwerke mit hohem Emissionsausstoß zu betreiben, kann das Stromnetz etwa nachts, bei Windstille oder zum Abfedern von Spitzenlasten auf in den Hochvoltbatterien der E-Fahrzeuge gespeicherten grünen Strom zurückgreifen, da dieser ursprünglich aus Sonnen- oder Windenergie stammt.
V2G zur besseren Steuerung des Energiebedarfs
Wird ein Elektrofahrzeug beispielsweise nach der Arbeit nicht akut für Fahrzwecke genutzt, sondern steht mehrere Stunden auf einem öffentlichen oder privaten Parkplatz, kann die in dessen Akku gespeicherte Energie oder Teile davon über eine spezielle Ladesäule in das Netz zurückgegeben werden. Dieser Strom steht dann lokalen Energieversorgungsunternehmen und im nächsten Schritt wiederum anderen Nutzern zur Verfügung. In Kombination mit einer flexiblen Stromtarifgestaltung können die Besitzer ihre BEVs rechtzeitig und zu niedrigeren Kosten in den Schwachlastzeiten aufladen, sodass das E-Fahrzeug wieder über genügend Batteriekapazität verfügt, sobald es benötigt wird. Die Netzbetreiber profitieren bei diesem System gleichzeitig von signifikant niedrigeren Betriebskosten beispielsweise durch den Wegfall von Zwischenspeichern.
Um V2G unterstützen zu können, müssen BEVs mit der richtigen Hardware ausgestattet sein. Dazu gehört ein bidirektionales Ladegerät, das sowohl das Laden als auch das Entladen der Antriebsbatterie des Fahrzeugs ermöglicht. Für die adäquate Steuerung dieser Funktionen bedarf es außerdem einer hierfür angepassten Software.
Strom aus dem BEV für das eigene Zuhause nutzen
Elektrofahrzeuge können darüber hinaus auch Haushalte und Gebäude mit Strom versorgen. In einem geschlossenen elektrischen Ökosystem, das unabhängig vom öffentlichen Stromnetz ist, versorgt ein BEV ein Haus mit Strom und senkt so nicht nur die Energiekosten des Haushalts, sondern reduziert auch die Nachfrage im lokalen Stromnetz. Diese Nutzung des BEV-Stroms ist unter dem Begriff Vehicle to Home (V2H) zusammengefasst oder wird als Vehicle to Building (V2B) bezeichnet, wenn die in E-Fahrzeugen gespeicherte Energie zur Versorgung eines Gebäudes, beispielsweise eines Bürokomplexes, genutzt wird.
Hyundai setzt auf V2G-Technologie
Eines der Unternehmen, die diesen Bereich erforschen, ist Hyundai. Die Koreaner führen derzeit in Deutschland und in den Niederlanden zwei vielversprechende V2X-Pilotprojekte mit modifizierten Hyundai Ioniq 5 durch: jeweils eines mit dem Fokus auf V2H und V2G. Bereits heute erlaubt die von Hyundai entwickelte Electric Global Modular Platform (E-GMP) des Ioniq 5, externe elektrische Geräte aufzuladen und mit Strom zu versorgen. Hiermit lassen sich während der Fahrt oder im Stand beispielsweise E-Bikes, E-Scooter oder Notebooks mit bis zu 230-Volt-Wechselstrom speisen. Diese Technologie wird Vehicle to Load (V2L) genannt und liefert eine Leistung von bis zu 3,6 Kilowatt. Diese reicht aus, um beispielsweise eine mittelgroße Klimaanlage oder einen 55-Zoll-Fernseher bis zu 24 Stunden lang zu betreiben.
V2L und V2G sind technisch verwandt, arbeiten jedoch mit unterschiedlichen Softwarelösungen. Für den Austausch der Energie mit dem Stromnetz im Rahmen von V2G muss zunächst ein Kommunikationsprotokoll zwischen dem BEV und dem Netz definiert werden. Hyundai plant, den für bidirektionales Laden geeigneten On-Board Charger, der auch in den Serienmodellen des Ioniq 5 verbaut ist, zu einem späteren Zeitpunkt auch für die V2G-Technologie nutzbar zu machen. Darüber hinaus wird Hyundai demnächst ein neues Elektrofahrzeug vorstellen, welches ab Werk über die V2G-Technologie verfügt. Titelfoto: Mitsubishi
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