Im Testzeitraum von 14 Tagen fallen uns an einem Auto viele Kleinigkeiten auf. Das Test-Tagebuch fasst diese zusammen. Der Kandidat: BMW iX xDrive50.
Fünf Meter lang ist er. Und mehr als 2,5 Tonnen schwer. Er besitzt schon beeindruckende Daten, der BMW iX xDrive50, der da auf unseren Redaktionsparkplatz gerollt ist. Noch mehr gefällig? Der Radstand beträgt exakt drei Meter und die Anhängelast 2,5 Tonnen. Da dauert es nicht lange, bis die Diskussion auflebt, die da dieser Tage lautet: Braucht es so viel E-Auto für die Mobilitäts- und Energiewende?
Diese Debatte ist derzeit allgegenwärtig, da mit dem BMW i7, dem Audi Urbansphere und dem Mercedes-Benz EQS SUV dieser Tage drei weitere Dickschiffe vorgestellt wurden, die die gleiche Klientel bedienen – und die auf unseren Sozialen-Medien-Seiten heftig diskutiert und kritisiert wurden. Nun, wir möchten uns an dieser Stelle (noch) nicht einmischen in den Disput, sondern das Auto vorstellen. Die genannten 2.510 Kilogramm Gewicht werden bewegt von zwei stromerregten Synchronmotoren mit 385 kW/523 PS und einem mächtigen Drehmoment von 765 Newtonmeter. Stromerregte Synchronmotoren? Der von BMW entwickelte Motor kommt ohne die üblichen Permanentmagnete aus, sondern er erzeugt das Magnetfeld elektrisch. So kann auf teure und kritische sogenannte seltene Erden verzichtet werden, zudem sollen sie sich mit niedrigen Verbräuchen auszeichnen.
630 Kilometer Reichweite?
In seinem Boden steckt eine Batterie mit einer nutzbaren Kapazität von 105,2 kWh (brutto 111,5 kWh), die laut WLTP eine Reichweite von bis zu 630 Kilometern ermöglichen soll. Das klingt ziemlich optimistisch, da der Testwagen bei uns mit einem Durchschnittsverbrauch von gut 25 kWh ankam. Laut Adam Riese wären da kaum mehr als 400 Kilometer drin. Die maximale Ladeleistung soll 200 kW betragen. Wir werden sehen.
Rein optisch fällt natürlich die riesige Niere an der Front auf, hinter der sich einige Sensoren und das Radar verbergen und die deswegen beheizt ist, damit die Helfer im Winter nicht den Dienst versagen. Dennoch ist sie das herausragende Designmerkmal. Natürlich hat so viel E-Auto seinen Preis. Das Basismodell steht mit 98.000 Euro brutto in der Liste; unser Testwagen kommt auf 119.090 Euro, inklusive solcher Extras wie Interieurapplikationen in Kristallglas (1.150 Euro), Laserlicht (2.000), oder ein Wärmekomfort-Paket (1.200). Wir sind gespannt.
26.04.2022: Der BMW iX ist kaum angekommen, da konnten wir schon die wichtigste Frage klären, die da lautet: Wie viel Strom verbraucht das große SUV mit seinen mehr als 2,5 Tonnen Leergewicht? Zum Vergleich: Der etwa gleich große (und schwere) Audi e-tron Sportback 55 quattro konsumierte in unserem Test seinerzeit 23,7 kWh. Und: Laut BMW-Datenblatt soll der iX mit 19,3 bis 22,5 kWh auskommen.
Nun, auf unserer Tour von Frankfurt am Main nach Stuttgart und zurück über insgesamt 450 Kilometer begnügte sich der Münchner bei nicht allzu hohem Tempo mit 22,5 kWh je 100 Kilometer, was doch ein guter Wert ist. Nähert man sich auf Autobahnen allerdings Tempi von 150 km/h sind es schnell Werte um die 30 kWh – alles gefahren im Eco-Modus des Fahrzeugs.
Mit diesen Werten lässt es sich leben, fuhren wir in den vergangenen Monaten doch auch kleinere Fahrzeuge, die im Schnitt mehr als 20 kWh verbrauchten – wie etwa der Opel Mokka-e mit 23,8 kWh. Ein Grund für die relative Sparsamkeit des iX ist sicherlich auch, dass die Karosserie mit einem cW-Wert von 0,25 für ein SUV sehr windschlüpfig geraten ist. Dazu trägt eine aktive Luftklappensteuerung bei: In normalen Fahrsituationen sind neben der Niere auch die Lufteinlässe im unteren Bereich der Frontschürze vollständig geschlossen.
Apropos Niere: Sie ist DER Aufreger an dem Auto und provoziert Nachbarn und Passanten regelmäßig zu Kommentaren und bisweilen Kopfschütteln – aber auch positiven Statements. So viel können wir aber schon sagen: Die Perspektive ändert sich, wenn man hinter dem etwas eckigen Lenkrad Platz genommen und die ersten 100 Kilometer abgespult hat. Dazu mehr im nächsten Teil.
28.04.2022: Wir waren laden, sogar schon zweimal – jeweils an EnBW-HPC-Ladern an Autobahnen. Dabei ermittelten wir in etwa die gleichen Werte bei frühlingshaften Temperaturen von einmal 18 und einmal 12,5 Grad und warm gefahrenem Akku. Der Ladepunkt war ins Navi eingegeben, die gefahrene Strecke betrug 30 Kilometer. Die maximale Ladeleistung von 200 kW konnte zwar nicht erreicht werden, doch mit der Ladekurve (siehe Foto) kann man durchaus zufrieden sein.
Der Einstieg ins Laden begann bei einer Restladung von 10 Prozent mit 130 kW, was sich schnell auf 178 kW steigerte und dann gleichmäßig bis 66 kW und einem Ladestand von 78 Prozent abfiel. Der Ladevorgang dauerte 40 Minuten. Leider zeigt die iX die Ladeleistung nicht auf dem Display an, sondern nur den Ladestand in Prozent und Kilometern. Erfreulich ist die Tatsache, dass man sich auf die Restkilometeranzeige verlassen kann; die reale Reichweite liegt (bei den derzeitigen Temperaturen) zwischen 400 und 450 Kilometern. Kaum erwähnenswert ist, dass der Lader an AC-Quellen 11 kW in den Akku einspeist. 22 kW haben wir noch nicht ausprobiert.
30.04.2022: Eine Weiterentwicklung erfuhr der BMW-Sprachassistent. Er (oder sie) versteht nun fast alles; Adressen werden gut erkannt und Routen natürlich unter Einbeziehung möglicher Staus errechnet. So führte die Navigation uns Freitags nachmittags unter Umfahrung des deftigen Staus auf der B10 durch Zuffenhausen nach Bad Cannstatt und ersparte uns mehr als 20 Minuten Wartezeit. Der Sprachassi findet auch den gewünschten Radiosender oder reguliert die Temperatur.
Auf jener Tour von Frankfurt/Main nach Stuttgart und zurück reichte die Reichweite nicht ganz für die Heimfahrt, so dass uns die Navigation bereits bei der Eingabe der Rückfahrts-Route aufforderte, eine Ladesäule zu wählen. Dabei stellte sie 50 Säulen in der Umgebung zur Wahl, nicht jene entlang der Route. Da wir aber bereits losgefahren waren, ignorierten wir die Aufforderung. Als wir einige Kilometer später Ladesäulen entlang der Route einforderten, schien die Spracheingabe überfordert – und wir mussten manuell die Einstellung der Ladesäulensuche in „entlang der Route“ vornehmen.
Gut gelungen ist übrigens die adaptive Rekuperation, die in Abhängigkeit von Sensoren und Navigationsdaten agiert. Während der iX auf freier Strecke zu segeln beginnt, sobald das Fahrpedal entlastet wird, maximiert er beim Annähern an eine Kreuzung mit roter Ampel selbständig die Verzögerungswirkung. Das klappt sehr gut, vor allem bei vorausfahrenden Fahrzeugen.
03.05.2022: Was wir auch auf unseren Touren erfuhren: Der iX ist ein formidabler Reisewagen, der entspanntes Fahren möglich macht. Das Fahrwerk federt so ziemlich alles weg, was die Ruhe stören könnte. Ein Grund: Die Reifen der optionalen 21- oder 22-Zoll-Felgen (auf unserem Testwagen sind es die 21-Zöller) auf deren Innenseite eine mehrere Zentimeter dicke Schaumstoff-Schicht aufgetragen wurde, um Abrollverhalten und -geräusch zu verbessern – die Serien-Bereifung in 20 Zoll hat dieses Feature nicht.
Und es gibt noch weitere Besonderheiten wie etwa die Interieurapplikationen „Clear&Bold“ für 1.150 Euro Aufpreis. Dann sind die Regler für die elektrische Sitzverstellung und der iDrive-Controller aus geschliffenem Glas (Foto). Das mag chic aussehen, aber eine schräg stehende Sonne warf uns bisweilen Spiegelungen ins Auge, die wir so nicht gewohnt waren. Die Fläche rund um den iDrive-Controller ist aus Holz, hinterleuchtet und mit leichten Erhebungen für die einzelnen Funktionen.
Kaum Fugen zeigt zudem der Übergang zwischen Front und Haube – sie ist nämlich nicht zu öffnen. Der iX-Kunde kann lediglich das Logo durch Draufdrücken aufschnappen lassen, um in die Öffnung darunter Waschwasser einzufüllen. Die Frontklappe selbst ist nur in der Werkstatt zu öffnen – einen vorderen Kofferraum (Frunk) gibt es also nicht. Aber das spart den entsprechenden Mechanismus und die Scharniere.
Erwähnenswert auch: Trotz seiner Größe bietet der iX nur ein Kofferraumvolumen von rund 500 Litern, bei umgelegten Rücksitzlehnen sind es immerhin 1.750 Liter. Damit liegt der iX aber nur auf dem Niveau des X3 oder iX3. Die üppige Anhängelast von 2.500 kg haben wir ja bereits erwähnt.
05.05.2022: Kommen wir zum Ende. Die Testzeit ist abgelaufen, der BMW iX auf dem Weg zurück nach München. Er lässt uns einigermaßen erstaunt zurück, denn an das anfangs recht argwöhnisch beäugte Trumm von Auto konnten wir uns gewöhnen: die riesige Niere, die enormen Ausmaße. Er überzeugte uns mit dem Fahrkomfort, der fortschrittlichen Technik, einem Sprachassistenten, der wirklich viel versteht, übersichtlicher Bedienung, seiner Laufruhe und Langstreckentauglichkeit.
Vor allem aber beeindruckte sein Verbrauch. Nach 880 gefahrenen Kilometern – und dabei durchaus lange Autobahnstrecken – meldete uns der Bordcomputer einen Verbrauch von 22,8 kWh auf 100 Kilometer. Und das bei einem Gewicht von mehr als 2,5 Tonnen. An der Ladesäule kam er zum Abschluss einmal mehr auf einen Lade-Peak von 180 kW und einer Kurve, die nur leicht und gleichmäßig abfällt. Dennoch dauert es bei der riesigen Batterie eine gute halbe Stunde bis zum Ladestand von 80 Prozent und mehr.
Was uns nicht gefallen hat? Die Sitzheizung ist zu schwach, und einmal löste aus unerfindlichen Gründen die Alarmanlage aus. Knackig ist freilich auch der Preis von mindestens 100.000 Euro, der mit den wichtigsten Extras schnell auf das Preisniveau unseres Testwagens von 120.000 Euro hochschnellen dürfte. Meinen Sie, dass das vielen zu viel ist? Mitnichten: Die Lieferfristen liegen bei 34 Wochen (Stand März).
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