Vernetztes Auto: Moderne Fahrzeuge werden updatefähig. Den Kunden erspart dies Werkstattbesuche – und der Umwelt hilft es auch.
Für Tesla-Fahrer ist es bereits seit Jahren Normalität: Die Software ihrer Autos wird regelmäßig aktualisiert. Und dazu müssen sie nicht mal in die Werkstatt: Über Funk werden den Autos neue Funktionen aufgespielt oder die vorhandenen verbessert. Höhere Reichweite, automatisiertes Fahren im „Autopilot“-Modus und sogar mehr PS lassen sich so „over the air“ (ota) programmieren.
Mittlerweile haben auch anderen Autohersteller verstanden, wie wichtig die Update-Fähigkeit ihrer Fahrzeuge ist. Die VW-Gruppe schickt ihre Kunden nun noch einmal in die Werkstatt, um sich dort die aktuelle Software abzuholen, dann sollen zumindest die neuen Modelle wie Golf VIII, ID.3 und Skoda Enyaq neue Software per Funk empfangen können. Das Smartphone auf Rädern, seit Jahren ein gern verwendetes Schlagwort in der Autoindustrie, wird endlich Realität.
Qualcomm dominiert das Geschäft
In den Autos wird künftig die gleiche Technik verwendet wie in Smartphones: Renault, BMW und Stellantis (Peugeot, Opel, Jeep, Fiat etc.) kooperieren mit Qualcomm, dem US-Konzern für Mobilfunktechnologie. Heute sind die Chips von Qualcomm in fast jedem Handy, künftig auch in vielen Autos. Ab 2024 soll es keinen Peugeot, Fiat oder Opel mehr geben, der nicht wie ein Smartphone ständig Daten austauscht, möglichst über das neue, schnelle 5G-Netz. „Alle großen Automobilhersteller arbeiten an 5G-Vernetzung“, sagt Nakul Duggal, Leiter des Autogeschäfts von Qualcomm. Der US-Halbleiterhersteller dominiert das Geschäft mit Kommunikationschips für Smartphones – und Autos. Snapdragon heißt der Chipsatz, den auch Apples iPhone nutzt, und der nun in die Automobilwelt einzieht. Nahezu alle großen und viele kleine Hersteller haben die Technik schon im Einsatz oder stehen kurz vor dem Serieneinstart.
OTA steigert den Wiederverkaufswert
Was der Kunde davon hat, erklärt Thierry Cammal, bei Renault verantwortlich für die Software im Auto. Er sieht die Update-Fähigkeit als entscheidenden Faktor sogar für den Restwert eines Fahrzeugs: „Wenn sich ein Auto per Update technisch auf den neusten Stand bringen lässt, steigert das den Wiederverkaufswert.“ Auch ältere Autos können so verbesserte Funktionen aufgespielt bekommen, wie eine genauere Verkehrszeichenerkennung, bessere Sprachsteuerung oder automatisches Fahren auch bei höheren Geschwindigkeiten. Sogar die Reichweite eines Elektroautos kann nachträglich verlängert werden, wenn die Steuerung der Batteriezellen eine bessere Software erhält. Auch mehr PS lassen sich aufspielen. Wer wird dann noch ein Auto kaufen, das sich nicht updaten lässt?
Es braucht eine neue Fahrzeugarchitektur
Doch der Einbau eines Kommunikationschips reicht dazu nicht aus. Cammal: „Die alte Fahrzeugarchitektur, bei der jede Funktion ein eigenes Steuergerät hatte, ist nicht mehr zeitgemäß.“ In Luxuslimousinen können mehr als hundert solcher ECUs (electronic control units) verbaut sein, verbunden mit einem Gewirr an Leitungen. Auch hier gibt Tesla das Tempo vor: Sind im Model S noch 3 Kilometer Kabel verbaut, um alle Funktionen miteinander zu verbinden, sind es im Model 3 nur noch 1,5 Kilometer. Am Ende dieser Entwicklung will Elon Musk mit 100 Metern Kabel auskommen – und drei zentralen Steuergeräten für Antrieb, Autopilot und Infotainment.
„Zum digitalen Lifestyle der Kunden passen“
Für Stellantis sind es vor allem die Kunden, die vernetzte Fahrzeuge verlangen: „Unsere Fahrzeuge müssen zum digitalen Lifestyle unserer Kunden passen“, sagt Konzernchef Carlos Tavares. „Wir bringen die Beziehung des Fahrers mit seinem Auto auf ein neues Level.“ BMW will vor allem die automatisierten Fahrfunktionen seiner neuen Modelle durch Updates stetig verbessern. So kann der neue iX zunächst nicht viel mehr als seine Wettbewerber, also den Abstand zum Vordermann und die Spur halten. Über Update könnten die Bayern dem Elektrik-Flaggschiff ihrer Marke aber automatisches Fahren zumindest auf der Autobahn ermöglichen – wenn der Gesetzgeber dies zulässt.
Mit 5G auf die Datenautobahn
Wie wichtig die Vernetzung des Autos mit der Infrastruktur ist, davon wissen Nutzer von Elektroautos ein Lied zu singen: Wo ist die nächste freie Ladestation, die mit der vorhandenen Akku-Ladung noch erreicht werden kann? Diese Frage kann die Routenplanung eines E-Autos nur beantworten, wenn es ständig mit der Außenwelt kommuniziert. Mit dem neuen Mobilfunkstandard 5G werden vernetzte Autos endgültig auf die Datenautobahn einbiegen. Nahezu unbegrenzte Möglichkeiten ergeben sich daraus: Autos warnen einander vor Stauenden, Eisglätte und Unfallstellen. Das Auto empfiehlt dem übermüdeten Fahrer eine Kaffeepause beim nächsten Café und bestellt schon mal den Latte Macchiato.
Kommunikation mit der Umgebung
In wenigen Jahren werden vernetzte Fahrzeuge täglich über 8 Gigabytes an Daten übertragen – so viel wie 20 Smartphones heute. Denn auch die Kommunikation des Autos mit dem direkten Umfeld über verschiedene Funkfrequenzen wird kommen: CV2X (Cellular Vehicle to Everything) heißt diese Art der vielfältigen Vernetzung. Die Ampel sendet per Funk, dass sie gleich auf Rot springt. So kann das Auto langsam ausrollen und verschwendet keine Energie mit einer Bremsung. Das macht Verkehr nicht nur effizienter, sondern reduziert auch Luftverschmutzung und Verbrauch. Qualcomm-Chef Cristiano Amon schätzt, dass sich der Strom und Treibstoffverbrauch durch intelligente Vernetzung des Autos mit seiner Umwelt zum Beispiel „in den USA um 20 Prozent reduzieren lässt“. Damit würde dort doppelt so viel CO2 vermieden, wie der Verkehr in Deutschland verursacht. SP-X/Titelfoto: LeasePlan
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