Vor allem Opel soll als Vorreiter Erfahrungen mit Brennstoffzellen-Transportern sammeln. Das Problem ist der Treibstoff.
Im Pkw bleibt der Elektroantrieb mit Brennstoffzelle wohl noch lange eine Nischen-Technologie. Im Straßengüterverkehr sieht das anders aus: Neben Lkw-Herstellern setzen mittlerweile auch zahlreiche Transporter-Hersteller auf die Alternative mit Wasserstoff und Brennstoffzelle. In Deutschland fährt die Stellantis-Tochter Opel bei der Technik voraus.
Seit Ende 2021 bauen die Rüsselsheimer den Vivaro-e nicht nur als rein batteriebetriebenen Elektro-Transporter, sondern auch in einer „Hydrogen“-Variante mit zusätzlicher Brennstoffzelle. Der Kastenwagen verfügt nur noch über einen kleinen Akku, der für rund 50 Kilometer Fahrt ausreicht. Für die restlichen mehr als 350 Kilometer sorgen drei 700-bar-Wasserstofftanks im Unterboden, die eine 45-kW-Brennstoffzelle mit Energie versorgen. Damit kommt der Vivaro unterm Strich knapp 100 Kilometer weiter als das rein batteriebetriebene Modell.
„Das Tanken dauert nur drei Minuten“
Das leichte Reichweitenplus ist aber nicht der eigentliche Vorteil, sondern das schnelle Aufladen. „Das Tanken dauert nur drei Minuten mit Wasserstoff und bietet sofort wieder eine hohe Reichweite“, erläutert Opel-Chef Uwe Hochgeschurtz die Technik. Beim gewerblichen Einsatz von leichten Nutzfahrzeugen seien kurze Stehzeiten im Alltagsbetrieb bares Geld. „Elektroautos mit Brennstoffzellen bieten eine ideale Lösung für Kunden, die mit ihrem Transporter emissionsfrei weite Strecken absolvieren und gleichzeitig schnell auftanken wollen.“
Opels Wasserstoff-Offensive läuft allerdings zunächst erst langsam an. Bis Ende 2023 sollen zunächst einmal 2.000 Fahrzeuge gebaut und an ausgewählte Flottenkunden geliefert werden. Zu den bereits bekannten Abnehmern zählt Miele, interessant sollen die Hydrogen-Transporter aber auch für Energieversorger, Paketzusteller und Kommunen sein. Oder für jedes Unternehmen, das von einem Image-Gewinn durch die lokal emissionsfreie Antriebstechnik profitieren will.
Renault kommt mit dem Master
Andere Stellantis-Marken bieten vergleichbare Transporter an, Peugeot rüstete sein Zwillingsmodell e-Expert auf Wunsch mit der identischen Technik aus, und auch Citroen liefert eine H2-Variante des e-Jumpy. Die Brennstoffzellen baut Stellantis in dem mit dem Reifenhersteller Michelin und Zulieferer Faurecia betriebenen Joint Venture Symbio selbst. Aber auch die Konkurrenz ist beim Thema Wasserstoff dabei: So will Renault im laufenden Jahr den Kastenwagen Master als Wasserstoff-Fahrzeug anbieten. Die Reichweite ist mit rund 500 Kilometer angekündigt. Später sollen weitere Aufbau-Varianten folgen, darunter auch ein Shuttle-Bus. Die nötigen Wasserstofftankstellen für den Betriebshof will der Autohersteller gleich mitliefern.
Dass gerade die Franzosen so energisch auf Wasserstoff setzen, dürfte auch mit der Politik ihres Heimatlandes zu tun haben. Die dortige Regierung nämlich investiert massiv in den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft. Ziel ist die Weltmarktführerschaft bei grünem Wasserstoff, der allerdings nicht nur aus Wind- und Sonnenkraft, sondern auch mit Hilfe von Kernkraft produziert werden soll. Zu den wichtigsten Punkten zählt die Umstellung von Güter- und Personentransport auf Wasserstoff-Fahrzeuge, unter anderem sollen bis Ende 2028 bis zu 1.000 Tankstellen für Brennstoffzellenfahrzeuge entstehen.
„Wasserstoff wird eine wichtige Rolle zukommen“
Auch Deutschland will eine Wasserstoffwirtschaft, sieht sich anders als das Nuklearland Frankreich aber weniger als Produzent des Gases. Stattdessen soll grüner Wasserstoff vor allem importiert werden. Auch Opel-Chef Hochgeschurtz antwortet auf die Frage nach der Herkunft des Energieträgers mit dem Ausland: „Schon bald werden große Mengen erneuerbarer Energien an entlegenen Orten der Welt im großen Stil kostengünstig und klimaneutral produziert und dann zu den Verbrauchern transportiert werden. Wasserstoff wird hier eine wichtige Rolle zukommen, weil der Transport einfacher und billiger ist als leitungsgebundener Strom.“
Derzeit wird die „graue“ Variante vertankt
Trotz solch optimistischer Prognosen zählt die Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff zu den großen Problemen der Brennstoffzellentechnik. Denn bislang handelt es sich bei dem überwiegenden Teil des in Deutschland vertankten und anderweitig genutzten H2 um die „graue“ Variante, die vor alle aus Erdgas hergestellt wird. Für Klima und Umwelt ist bei einem Einsatz nichts gewonnen. Ein Import grünen Wasserstoffs im großen Stil ist bislang nicht zu erkennen. Solange das so ist, ist der batterieelektrische Transporter der größte Gegenspieler des Brennstoffzellen-Lieferwagens. Auch, weil der verfügbare Grünstrom dort wesentlich besser genutzt werden kann. Denn selbst mit sauberer Elektrizität ist die Wasserstoffherstellung extrem energieaufwändig – und viel weniger effizient, als den Strom direkt im Batterieauto zu verfahren.
Weitere Erfahrungen sammeln
Opel und seine Stellantis-Schwestern wird das aber wohl nicht stören. Für die deutschen und französischen Marken ist die Erweiterung des Lieferwagen-Angebots auf Brennstoffzellenfahrzeuge auch unter anderen Gesichtspunkten interessant. Zum einen sammelt man weitere Erfahrung mit der Brennstoffzellentechnik, die künftig sicherlich auch im Güterverkehr eine wichtige Rolle spielen wird. Zum anderen bedient man Großkunden mit einem Produkt, das derzeit kein anderer großer Hersteller im Angebot hat. Daraus – so das Kalkül – dürften sich weitere Möglichkeiten ergeben, miteinander ins Geschäft zu kommen. Dann vielleicht auch mit Batterie-Transportern. SP-X/Titelfoto: Opel
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