Eine Allianz-Studie zeigt, dass immer mehr Radfahrer verunglücken. Dies liegt auch an der wachsenden Zahl von E-Bikes.
Während die Zahl der schweren oder gar tödlich verunglückten Autofahrer rückläufig ist, sterben in Deutschland fast 40 Prozent der Verkehrsopfer als Zweiradfahrer. Vor 20 Jahren war es ein Viertel. Eine Verkehrssicherheitsstudie der Allianz Versicherung dokumentiert die Gefahr, in der sich Zweiradfahrer in Deutschland befinden.
Zahl der Verunglückten steigt
Der Anteil der verunglückten Radfahrer steigt nicht nur relativ zu den rückläufigen Todeszahlen unter den Autofahrern, in Teilsegmenten haben sich auch die absoluten Zahlen erhöht. Insbesondere die Fahrer von E-Bikes sowie von E-Scootern leben im Straßenverkehr gefährlich. Bei Motorradfahrern ist die Entwicklung der Verunglücktenzahlen weniger dramatisch, wobei die absoluten Zahlen weiterhin unerfreulich sind. Jeder zweite tödlich verunglückte Zweiradfahrer ist mit dem Motorrad verunglückt.
Das deutliche Anwachsen der Zahlen verunglückter Fahrradfahrer ist auch dem Trend zu Elektrozweirädern geschuldet. Besonders heftig zeigt sich das bei den E-Scootern: Von 1.584 Verunglückten in den ersten zehn Monaten 2020 stieg ihre Zahl binnen Jahresfrist auf 4.001, eine Steigerung um 153 Prozent. Die Zahl der Schwerverletzten erhöhte sich von 306 auf 652 (plus 113 Prozent). Weiterhin ermittelte die Allianz-Studie, dass bei den Fahrradopfern jeder dritte Getötete ein Elektrofahrzeug genutzt hatte. Das Getötetenrisiko für Fahrradfahrer liegt nach der Berechnung des Allianz Zentrums für Technik (AZT) beim E-Fahrrad im langjährigen Mittel dreimal höher. Dass Senioren hierbei besonders häufig betroffen sind, ist bekannt; das höhere Risiko eines schweren Unfalls trifft aber auch Jüngere.
Das Risiko trifft alle Altersgruppen
Ein durchaus nennenswerter Teil von ihnen erhöht sein Unfallrisiko dadurch, dass er sich selbst in Gefahr bringt. Und zwar durch falsche Straßenbenutzung, unangepasste, zu hohe Geschwindigkeiten und Ablenkung. So hat die Allianz herausgefunden, dass 71 Prozent der 18- bis 24-Jährigen mit Ohrhörern Fahrrad fahren. Das häufigste Fehlverhalten bleibt allerdings die „falsche Straßenbenutzung“, beispielsweise das Radeln auf Gehwegen oder auf dem falschen Radweg.
Zwei von drei Radfahrern fahren ganz bewusst verbotswidrig auf dem Bürgersteig, um sich vom Autoverkehr zu separieren. Insgesamt haben die Unfälle zwischen Fußgängern und Radfahrern innerhalb der vergangenen zehn Jahr um 25 Prozent zugenommen. Sehr stark, nämlich um 63 Prozent, ist im Zehn-Jahres-Vergleich die Zahl der Kollisionen zwischen Fahrradfahrern angestiegen. Über die Gründe sagte die Studie nichts aus; hier bedürfe es weiterführender Unfallforschung.
Zu schnell und abgelenkt
Dass Radwege zwar viele Probleme zumindest lindern, aber nicht alle lösen, demonstriert die Allianz-Studie ebenfalls: Die Unfallauswertung Fahrrad/Pkw ergab, dass 45 Prozent aller Radopfer an Orten mit Radweg verunglückten. Bei 39 Prozent erfolgte die Kollision beim Einfahren des Rads in die Kreuzung, und zwar von einem Rad- oder Fußweg kommend.
Weil bei tödlichen Fahrradunfällen in der Hälfte aller Fälle der Kopf betroffen ist, wäre es hilfreich, wenn mehr Radler einen Helm tragen würden; derzeit sind es nur 26 Prozent und ihre Zahl wächst gerade mal um ein Prozent pro Jahr. Die Folge: Radler ohne Helm weisen bei einem Unfall 2,5-mal mehr Kopfverletzungen auf als Radler mit Helm. Die Allianz ist der Ansicht, dass es zumindest für Kinder bis 14 Jahre sowie für die Nutzer von E-Fahrrädern eine gesetzliche Helmtragepflicht geben sollte.
Helmpflicht für Kinder?
Auch wenn im Fahrradverkehr 28 Prozent aller Unfälle sogenannte Alleinunfälle sind, so zeigt diese Zahl, dass es in rund drei Vierteln aller Unfälle einen Unfallgegner – zumeist ein Auto – gibt. Fahrassistenzsysteme können sich diesbezüglich unfallmindernd auswirken. Deshalb begrüßt die Allianz, dass neue Fahrzeugtypen ab 2024 verpflichtend ein Notbremssystem aufweisen müssen, das Fahrradfahrer und Fußgänger erkennt und selbsttätig eine Bremsung auslöst. Bei Fahrzeugzulassungen älterer Modelle muss ein solches System in der EU ab 2026 eingebaut sein.
Allerdings sei modernste Assistenztechnik allein nicht ausreichend, um die Zahlen verunglückter Zweiradfahrer zu reduzieren. Unerfahrenheit, Unwissenheit, Unachtsamkeit, Müdigkeit, Drogenwirkung, Risikofreude, Rücksichtslosigkeit sowie schierer Mutwille findet sich bei allen Verkehrsteilnehmern, weiß die Versicherung. Dagegen helfe nur Aufklärung. Deshalb müsse der Fokus stärker auf Verhaltensrecht und Regelbefolgung liegen.
Für seine Studie „Zweiradsicherheit im Überblick“ führte das Allianz Zentrum für Technik eine repräsentative Telefonerhebung unter 1.205 deutschen und 400 Schweizer Fahrradfahrern beiderlei Geschlechts durch. Zudem wurden 1.000 Allianz Schadenakten zufällig ausgewählter Fahrrad- und Motorradunfälle ausgewertet. Ulf Böhringer/SP-X/Titelfoto: Allianz
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