RS steht bei Audi schon immer für höchste Performance – auch elektrisch. Mit dem RS e-tron GT kommt Anfang 2021 sogar der stärkste RS aller Zeiten.
Es ist ein später Abend. Der längst stillgelegte Flughafen liegt in tiefster Dunkelheit. Lediglich entlang einer Startbahn markieren rote Positionslichter auf beiden Seiten die Begrenzung. Noch stehen auch die drei großen Leuchten einer Ampel am Anfang des Asphaltbandes auf Rot. Dann der Countdown. Parallel zum Verdunkeln des ersten Ampellichts mit dem linken Fuß voll auf die Bremse, der rechte drückt das Pedal daneben bis zum Bodenblech durch. Schnell genug, um für den Katapultstart gerüstet zu sein.
Dann springt die Ampel auf Grün. Weg von der Bremse und der Prototyp des Audi RS e-tron GT schießt pfeilschnell los. Auch wenn die Positionslichter den schnurgerade führenden Weg weisen und die Scheinwerfer das Flugfeld beleuchten, kostet es eine Menge Überwindung mit einem derartigen Tempo in die Schwärze der Nacht einzutauchen. Fast geht dabei unter, dass Kopf und Wirbelsäule mit massiver Kraft nach hinten gedrückt werden, sich die Finger haltsuchend ans Lenkrad krallen. Schließlich ein heller Blitz, der das Ende dieser Beschleunigungsorgie bedeutet. Ausatmen. Luftholen. Beim Zurückrollen schließlich der klare Gedanke: Auf öffentlichen Straßen verbietet sich ein solches Sprintmanöver.
Der Speed raubt den Atem
Das muss auch gar nicht sein. Denn selbst der Antritt mit deutlich weniger Speed raubt so manchem Fahrer und erst recht dem Beifahrer den Atem. Dabei ist die von Audi angegebene Zeit von etwas mehr als drei Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 nicht so entscheidend. Es sind die ersten brutal schnellen Meter, die den Magen um die Wirbelsäule wickeln und ohne entsprechende Vorbereitung – gerade am Steuer – einen gehörigen Schrecken verursachen können.
Auf der anderen Seite haben sich die Entwickler von Audi Sport zur Aufgabe gemacht, sowohl beim e-tron GT als eben auch beim RS e-tron GT, eine besonders große Spreizung zwischen Sportlichkeit und Komfort zu erzielen. Beim letztgenannten Modell haben wir das am Steuer eines Prototypen auf etwa 150 kurvenreichen und bergigen Landstraßen ausführlich erfahren können. Es ist schon überaus beeindruckend, wie präzise der Elektro-RS mit seinem Quattro-Antrieb, der Hinterachslenkung und dem elektrischen Hinterachsdifferenzial, alles in Serie verbaut, um die Ecken fegt. Bis zu 646 PS mit Overboost (sonst 598 PS) leisten die mit einem Zweigang-Getriebe kombinierten beiden E-Maschinen, vorne 238 , hinten 455 PS, im System. Das sind dann – aufgrund des deutlich stärkeren E-Motors an der Hinterachse um die 122 PS mehr Systemleistung, als der e-tron GT ohne die zusätzliche RS-Kraftspritze auf die Straße bringt.
Fußgarage für die Fondpassagiere
Das maximale Drehmoment des RS übertrifft mit 830 Newtonmetern (Nm) den GT um 180 Nm. Das erlaubt ein Höchsttempo, das erst bei 250 Kilometer pro Stunde abgeregelt wird. Beim GT ist bei 240 Schluss. Die Energie für die E-Triebwerke kommt aus einer Batterie mit einer Leistung von 93,4 Kilowattstunden (netto 85,9 kWh). Der Akku, bestehend aus 396 Pouche-Zellen in 33 Modulen, ist sehr flach im Fahrzeugboden eingebettet. Die Passagiere im Heck haben aufgrund einer Aussparung im Boden, wie beim Schwestermodell Porsche Taycan und auch beim GT, eine so genannte Fußgarage, also mehr Platz, um die Füße abzustellen.
Unterstützt wird die Performance des E-Sportlers von einer direkt reagierenden Lenkung, die ebenso wie Fahrwerk und Ansprechverhalten vor allem im Dynamic-Modus besonders scharf gestellt ist. Wird über die Drive-Select-Taste die Komfort-Gangart gewählt, zahlt sich die erstmals in einem Audi eingesetzte Luftfederung mit drei Kammern spürbar aus. Deutlich sanfter gleitet der RS e-tron GT dann selbst über ramponierte Straßen oder Querrillen.
Komfort und Sportlichkeit
Generell haben die Entwickler alles daran gesetzt, eine möglichst große Spreizung zwischen Komfort und Sportlichkeit zu erreichen. Linda Kurz vom Produkt-Marketing sagt dazu: „Wir wollten beim RS e-tron GT und auch beim e-tron GT den Charakter eines Gran Turismo nachdrücklich betonen. Deshalb haben wir uns bewusst gegen eine kompromisslos-sportliche Auslegung entschieden. Beide Versionen sollen sportlichen Ambitionen entgegenkommen, aber gleichwohl auch mit hoher Alltagstauglichkeit überzeugen, wenn sie im Frühjahr 2021 auf den Markt kommen.“
Dann wird der RS serienmäßig über LED-Matrix- Licht, Carbid-Bremsscheiben, Torque Vectoring plus und die Luftfederung verfügen. Die Reifendruckkontrollanzeige (Reifendruck und Reifentemperatur) und die Beschleunigungsmessung (g-Meter) gibt es sogar ausschließlich im RS.
Zentral: Der Sound
Für den Sound beider Modelle waren ein gutes Ohr, beste Softwarekenntnisse – aber auch phantasievolle Überlegungen notwendig. Der Klang eines Autos stellt eine ganz besondere Qualität dar – eine, die man zwar physikalisch beschreiben kann, vor allem aber live erleben muss. Tiefe Frequenzen vermitteln Eindrücke von Kraft, mittlere transportieren Sportlichkeit und Agilität. Hohe Frequenzen passen gut zur elektrischen Klangkulisse eines Elektrofahrzeugs. „Der Passant auf der Straße hört den Außensound eines Autos ganz anders, als Fahrer und Beifahrer den Innensound erleben“, sagt der promovierte Elektrotechniker Stephan Gsell.
Noch eine Spur mehr Emotion vermittelt ein optionales Soundpaket. Zwei im Gepäckraum liegende Steuergeräte und Verstärker generieren dann den Außen- und den Innensound. Der vordere Außenlautsprecher bekommt hier noch ein Pendant im Heck. Außerdem gibt es in den hinteren Türen zwei Lautsprecher, die für den besonderen Klangteppich Innenraum verantwortlich sind. Der Fahrer kann im Fahrdynamiksystem Audi drive select selbst einstellen, wie der e-Sound klingen soll. Im Modus efficiency beschränkt er sich auf den gesetzlich vorgeschriebenen Warnklang. Bei comfort kommt zusätzlich der hintere Außen-Lautsprecher ins Spiel. Im Modus dynamic werden beide Außen-Lautsprecher lauter und der Innen-Sound wird zusätzlich aktiviert.
Tarnfolie für die Serie?
Nicht ausgeschlossen ist außerdem, dass die speziell für die beiden e-tron GT-Modelle in mehr als sechs Monaten entwickelte Tarnfolie nicht nur auf den Prototypen zu sehen ist. Nach den Worten des zuständigen Designers Marco dos Santos gibt es Überlegungen, eine entsprechende Folierung als Option für die Serienfahrzeuge anzubieten. „Das feine und präzise Netz aus Grafiken tarnt nicht nur, sondern betont die Form der Karosserie an den entscheidenden Stellen. Das gilt insbesondere für die Schweller, denn dort schlägt das Herz des Autos.“
Treffend geschrieben, Danke.