Autokosten: Die Versicherungseinstufung eines Pkw hängt vor allem an dessen Reparierbarkeit. Doch wie funktioniert das?
Was Autokäufer bei der Wahl ihres Wunschmodells oft nicht bedenken, ist die Reparierbarkeit und damit die Typklasseneinstufung. Die kann bei der Gesamtkostenbetrachtung eines Pkw durchaus eine Rolle spielen, können die Versicherungskosten zwischen der niedrigsten und der teuersten Typklasse immerhin 20-Mal so hoch sein. Der Blick auf die Typklasse lohnt vor allem bei E-Autos, da deren Schäden im Schnitt teurer sind.
Doch der Reihe nach: Um zu erkennen, wie teuer einen das eigene Wunschauto im Ernstfall kommen könnte, muss man selbst kein Experte sein, sondern kann sich auf die Arbeit von Fachmännern wie Christoph Lauterwasser verlassen. Der ehemalige Chef des Allianz Zentrum für Technik (AZT) hat sich jahrzehntelang mit der Reparatur-Freundlichkeit von Pkw-Modellen befasst. Sie ist die Grundlage für die Typklassen-Einstufung in der Kfz-Versicherung.
Das AZT ist so etwas wie die Unfallforschungs-Abteilung der Allianz. In Ismaning bei München werden unter anderem die Crashtests durchgeführt, auf deren Basis die Kfz-Versicherung ihre Typklasseneinteilung vornimmt. „Ganz simpel ausgedrückt: Wir crashen das Auto, um zu schauen, was dabei kaputt geht. Und dann kalkulieren wir, wie teuer die Reparatur ist“, fasst Lauterwasser das Prinzip zusammen. Anfang des Jahres hat er die Leitung des AZT an seinen Nachfolger Christian Sahr übergeben, bleibt aber noch als Berater für das Unternehmen tätig.
Autokosten: Crashtests geben Aufschluss
Die am Institut durchgeführten Crashtests sind so gestaltet, dass sie typische Schäden abbilden, wie sie etwa bei simplen Auffahrunfällen im Stadtverkehr entstehen. Die deutschen Versicherer geben jährlich hunderte Millionen Euro für die Regulierung aus. Geld, das letztlich bei den Versicherten eingesammelt wird. Vor allem bei denen, die Autos mit schlechter Typklasseneinstufung fahren. „Die Typklasse hat einen enormen Einfluss auf die Prämie, die der Kunde bezahlt. Die Versicherungskosten können in der ungünstigsten Typklasse 20-mal so hoch sein wie in der niedrigsten – für Autokäufer geht es da um viel Geld“, weiß Lauterwasser. Und das heißt für die Fahrzeughersteller, dass sie sich bei neuen Fahrzeugmodellen anstrengen müssen, vernünftige Ergebnisse in den speziellen Crashtests zu erzielen, die das AZT gemeinsam mit internationalen Partnern entwickelt hat.
Den Ursprung haben Crashtest-Institute wie das AZT in den 70er-Jahren, als die Zahl der Autos in ganz Europa stark zunahm – und damit auch die Zahl der Schäden und die Gesamthöhe der Reparaturkosten. Damals kalkulierten die Versicherungen die Prämien noch rudimentär, was sich mit dem stetig anwachsenden Volumen an versicherten Fahrzeugen schon bald als finanzielles Risiko herausstellte. Also begann man bei den Assekuranzen damit, sich systematisch und wissenschaftlich mit dem Thema Reparierbarkeit zu befassen und eigene Tests durchzuführen. Die Ergebnisse interessierten auch die Hersteller, die fortan zumindest teilweise schon bei der Entwicklung der Fahrzeuge auf die spätere Unfall-Performance achteten.
Ins Bewusstsein der Öffentlichkeit kamen Crashtests verstärkt in den 90er-Jahren, als die Sicherheitsorganisation EuroNCAP mit ihren Versuchen startete. Anders als bei den Tests des AZT ging es vor allem um die Insassensicherheit, die daraufhin auch als Verkaufsargument immer wichtiger wurde. Das hatte auch Auswirkungen auf die Reparierbarkeit, zogen doch verstärkt feste und hochfeste Stähle in die Karosserien ein, die sich nach einem Schaden nicht mehr einfach schweißen lassen, sondern geklebt oder genietet werden müssen. Und auch Lebensretter wie Airbags und ESP trieben die Reparaturkosten hoch, wenn sie ersetzt werden mussten. Eine Entwicklung, die in den vergangenen Jahren mit der Einführung immer aufwändigerer aktiver Sicherheitssysteme mit empfindlichen Radar- und Kamerasensoren noch einmal an Fahrt aufgenommen hat.
Die Prämien haben zuletzt wieder angezogen
Nach einigen Ausschlägen in den 70er- und 90er-Jahren haben die Prämien für die Kfz-Versicherung zuletzt wieder Rekordhöhen erreicht. Neben Inflation und hohen Rohstoffkosten spielt dabei auch die steigende technische Komplexität der Fahrzeuge eine Rolle. Dabei waren die Hersteller in den vergangenen Jahrzehnten durchaus erfolgreich damit, die Reparaturfreundlichkeit der Fahrzeuge zu erhöhen. Lauterwasser führt als Beispiel die Einführung sogenannter Abschnittsreparaturen an. Früher mussten beschädigte Längsträger komplett bis zur Stirnwand ausgebaut werden, was meist nicht ohne den Ausbau des kompletten Motors möglich war.
Dass heute vieles viel einfacher zu reparieren ist, liegt auch an den sogenannten Crash-Boxen, die mittlerweile in fast allen Neuwagen zu finden sind. Dabei handelt es sich um eine Art Sollbruchstellen im Vorderwagen, die leicht austauschbar sind und bei einer Kollision Energie aufnehmen, um so die Verformung von Strukturteilen zu verhindern. Bei einem Auto ohne Crash-Box, wie etwa einem VW Golf II, kann ein simpler Auffahrunfall über die B-Säule bis zum Dach Deformationen auslösen, die schnell einen Totalschaden bedeuten. Bei einem aktuellen Golf VIII hingegen bleibt der Schaden auf die vordere Fahrzeugfront begrenzt.
Die Herausforderung E-Auto
Eine aktuelle Herausforderung für die Kfz-Versicherungen ist das E-Auto. „Was wir sehen, ist, dass die Durchschnittsschäden bei Elektrofahrzeugen in der Größenordnung 30 Prozent teurer sind als bei den Verbrennern. Da gibt es verschiedene Treiber. Neben kostspieligen Schäden an der Batterie sehen wir auch, dass die Werkstätten teils deutlich höhere Stundenverrechnungssätze verlangen“, sagt Lauterwasser.
Hinzu kommt, dass bei einem Unfall das Risiko eines verzögerten Batteriebrands besteht, die Akkus deshalb aufwändig gesichert und in Quarantäne gesteckt werden müssen – mit entsprechenden Lagerkosten. Die Allianz fordert daher schon seit längeren Warnsysteme, die automatisch anschlagen, wenn eine beschädigte Batterie in einen kritischen Zustand kommt. „Da gibt es verschiedene technische Ansätze, wie das Erkennen von Leitgasen, die weiterentwickelt und ins Fahrzeug gebracht werden müssten. Damit könnten die beteiligten Experten wie Werkstätten, Abschlepper oder Feuerwehren gewarnt werden“, erläutert Lauterwasser.
Auch darüber hinaus hat der Experte Vorschläge, wie das Beheben von Unfallschäden billiger und nachhaltiger werden könnte. „Häufig ist die Reparatur sehr viel günstiger als der Tausch von Teilen. Sie müssen kein Ersatzteil neu kaufen und Sie können oft auch reparieren, ohne dass Sie das Teil abmontieren oder raustrennen müssen, was Arbeitszeit spart.“ Als konkretes Beispiel nennt er die Instandsetzung von verkratzten Scheinwerfern. Hierzulande ist das Polieren und Lackieren nicht erlaubt; stattdessen muss die gesamte Einheit getauscht werden, was schnell mit vierstelligen Beträgen zu Buche schlägt. „Aus meiner Sicht sollte man in Deutschland noch einmal darüber nachdenken solche Reparaturen doch zu erlauben. Es spricht aus Sicherheitsgründen nichts dagegen“, sagt Lauterwasser, der aber klare Grenzen für das Drücken der Reparaturkosten erkennt. „Ich glaube nicht, dass es jemals Null-Euro-Crashs geben wird. Wenn es zu einem Unfall kommt, dann wird es immer einen gewissen Schadenumfang geben. Aber der lässt sich mehr oder weniger verträglich gestalten. Ich glaube eher, dass man durch künftige Sicherheitssysteme noch mehr Unfälle verhindern kann.“ SP-X/Titelfoto: Allianz
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