In den Städten könnten schon bald Flotten von Robotaxis unterwegs sein. Erste Tests starten schon im kommenden Jahr.
Was bislang nur als Test in stark begrenzten Bereichen wie Messen mehr als Versuchsobjekt zu erleben war, könnte schon bald durchstarten: die Robotaxis. Auch in Deutschland soll das Angebot schon bald breit ausgerollt werden. Die Betreiber erhoffen sich einträgliche neue Geschäftsmodelle, die Kunden günstige und flexible Beförderung. Eine Lösung der Verkehrsprobleme dürften die Dienste aber nur bedingt sein.
Bislang sind Robotaxis vor allem in Asien und den USA unterwegs, wenn auch meist noch im Rahmen von Alltagstests und Forschungsprogrammen. Einige wenige Dienste sind jedoch bereits kommerziell orientiert und zumindest regional für einen universellen Fahrgastkreis zugänglich. Deutschland hing der Entwicklung bisher hinterher, will nun aber aufholen.
Sixt und Mobileye starten
Bereits im kommenden Jahr startet der Mobilitätsdienstleister Sixt gemeinsam mit dem israelischen Sensortechnikunternehmen Mobileye einen selbstfahrenden Robotaxi-Dienst. Zunächst ist eine Testflotte im Großraum München geplant, die wenig später in den Regelbetrieb überführt werden soll. Die Basisfahrzeuge stammen vom chinesischen Hersteller Nio, Mobileye steuert Kameras, Radar und Lidar bei. Die Fahrzeuge fahren vollautomatisiert (Level 4), allerdings ist für Notfälle zunächst ein menschlicher Fahrer an Bord. Gebucht werden die Fahrten per Smartphone, unter anderem über die App der Sixt-Mobilitätsplattform „One“.
Moia startet mit dem ID.Buzz
In Deutschland wären die Münchner Ridehailing-Robotaxis die ersten ihrer Art, sollte der Start wie geplant erfolgen. Die Konkurrenz formiert sich allerdings bereits: am anderen Ende der Republik, in Hamburg. Dort will VW ab 2025 mit einem kommerziellen Dienst starten, anders als Sixt aber nicht mit dem sogenannten Ridehailing, sondern mit Ridepooling. Orientiert sich der Münchner Ansatz am klassischen Taxigeschäft, soll in der Hansestadt eine Art Anruf-Sammeltaxi-Dienst etabliert werden. Mit dem Fahrdienst Moia hat VW in diesem Geschäftsfeld bereits mehrere Jahre Erfahrungen gesammelt. Die Mobilitätstochter ist dementsprechend auch bei dem neuen Robo-Fahrdienst an Bord und betreibt die elektrischen Kleinbusse für den Konzern. Punkten könnten die Norddeutschen dabei nicht zuletzt mit ihrem Fahrzeug: einer automatisierten Variante des kommenden Elektro-Busses ID.Buzz. Der Retro-Stromer steht optisch in der Tradition der frühen Bullis und soll ähnliche Sympathien wecken wie dieser.
Zunächst mit Sicherheitsfahrer
Als Partner ist das Technologieunternehmen Argo AI beteiligt, das die Hard- und Software für das autonome Fahren entwickelt. Bereits Ende dieses Jahres sollen die Straßenzüge des initialen Testgebietes in den Hamburger Stadtteilen Winterhude, Uhlenhorst und Hohenfelde vermessen werden. Unter anderem geht es um die Lage und Abstände von Ampeln, Radwegen und Straßenschildern. Anschließend sind Tests zum autonomen Fahren auf öffentlichen Straßen der Hansestadt geplant, zunächst aber wie bei Sixt mit einem Sicherheitsfahrer. Der öffentliche Betrieb startet dann zur Mitte des Jahrzehnts.
Der Reiz des fahrerlosen Fahrens liegt für die Anbieter vor allem in der Reduzierung des menschlichen Personals. Dadurch fallen nicht nur Lohnkosten weg, sondern auch Pausenzeiten und arbeitsrechtliche Grenzen. Die Fahrzeuge können daher prinzipiell im Dauerbetrieb unterwegs ein. Inwiefern der Kunde profitiert, ist noch offen. Die meisten Anbieter stellen moderate Preise in Aussicht, die unter denen konventioneller Taxis liegen. Wie sich die Kosten auf Dauer entwickeln, ist aber kaum abzusehen.
Weniger Autos in den Städten?
Welchen Einfluss eine Automatisierung auf den Verkehr in Städten hat, ist ebenfalls ungewiss. Das Versprechen ist, dass komfortable und günstige Robotaxis zumindest einen Teil der privaten Pkw-Flotte ersetzen. Und das könnte tatsächlich klappen: 2019 haben die Verkehrsplaner der PTV Group ein Verkehrsmodell für die Regionen Oslo und Akershus entwickelt, um mögliche Effekte des autonomen Fahrens genauer zu beleuchten. In einigen der untersuchten Szenarien konnte durch die Automatisierung die Anzahl der Autos auf der Straße um 84 bis 93 Prozent reduziert werden. Besonders wenn alle Verkehrsteilnehmer autonome Fahrzeuge teilen und dabei Fahrgemeinschaften nutzen würden, wären sieben Prozent der heutigen Fahrzeuge ausreichend, um alle Fahrten in der Hauptverkehrszeit abzudecken. Gleichzeitig könnte es anderen Studien zufolge aber auch einen Rebound-Effekt geben, wenn die neuen Mobilitätsdienste so attraktiv sind, dass sie Fußgänger und Radfahrer zum Umstieg auf ein Robo-Fahrzeug bewegen.
Zunächst warten Probleme
Der Weg zu einem Idealzustand wäre zudem ohne Zweifel steinig. So dürften autonome Autos den Verkehrsfluss zunächst einmal nicht verbessern, sondern stören. Jochen Lohmiller von PTV hat am Beispiel Kölns errechnet, dass die durchschnittliche Verlustzeit aller Autofahrer durch Robomobile deutlich steigen würde. Ebenso die Staulänge und die Anzahl der nötigen Stopps. Die Durchschnittsgeschwindigkeit würde im Gegenzug sinken: Bei einem Roboauto-Anteil von 20 Prozent an der Gesamtflotte um 11 Prozent, bei 50 Prozent sogar um 13 Prozent. Wichtigster Grund: Die autonomen Fahrzeuge sind so programmiert, dass sie sich besonders penibel an Verkehrsregeln halten, große Abstände wahren, nicht noch bei Dunkelgrün über die Ampel huschen oder Straßenmarkierungen überfahren. Menschliche Fahrer legen die Regeln flexibler aus, fahren riskanter, aber am Ende fixer.
„Neue Gefahrenquellen“
Der Mix mit den weniger pingeligen menschlichen Fahrern sorgt also möglicherweise eher für Probleme als für Erleichterungen. „Daraus sowie aus einem noch ungeübten und möglicherweise falschen Umgang mit der Technik können sich neue Gefahrenquellen und Beeinträchtigungen der Sicherheit im Verkehr ergeben“, warnt etwa die Denkfabrik Agora Verkehrswende. Auch bei den Folgen für die Umwelt sehen die Forscher noch Probleme. So könnten autonome Fahrzeuge durch effizientere Fahrweise einerseits 10 bis 20 Prozent Energieersparnis gegenüber konventionellen Autos erreichen, demgegenüber sei aufgrund von erhöhten Geschwindigkeiten im Verkehr sowie durch den Betrieb und das Gewicht der zusätzlich benötigten Technik im Fahrzeug von einer Steigerung des Energiebedarfs auszugehen. Holger Holzer/SP-X
Add a Comment