Mit der weiter steigenden Zahl von E-Bikes gewinnt auch das Tuning an Bedeutung.
Der seit Jahren anhaltende Boom von Elektrofahrrädern in Deutschland hat dazu geführt, dass im vergangenen Jahr erstmals mehr E-Bikes als herkömmliche Fahrräder gekauft wurden. Wenn die begrenzte Motorunterstützung der Pedelecs auf 25 km/h den Besitzer stört, kommen Tuning-Kits aus dem Internet ins Spiel. Sie versprechen unkomplizierte Abhilfe und höhere Geschwindigkeiten. Das Problem: Da die Pedelecs nicht für stärkere Belastungen ausgelegt sind, können überlastete Bremsanlagen, Rahmen und Anbauteile zu Ermüdungsbrüchen am gesamten Fahrrad führen. Hinzu kommt der fehlende Versicherungsschutz.
Überlastete Bremsen
Die Sachverständigenorganisation Dekra warnt insbesondere vor überlasteten Bremsanlagen. Wenn das Fahrrad beim Bremsen die Geschwindigkeit reduziert, wird Bewegungsenergie in Wärme umgewandelt. Da die manipulierten Pedelecs nicht für Bremsvorgänge aus 40 oder 60 km/h ausgelegt sind, kann die Bremsanlage überhitzen und schlimmstenfalls dauerhaften Schaden nehmen. Im Vergleich zu 25 km/h muss beim Bremsen schon aus 36 km/h die doppelte Bewegungsenergie in Wärme umgewandelt werden. So haben schon kleine Geschwindigkeitsunterschiede eine große Auswirkung.
Das schleichende Nachlassen der Bremswirkung ist mit bloßem Auge meist kaum zu erkennen. Wird die Bremse ohne Reparatur weiter benutzt, kommt es im schlimmsten Fall zum Totalausfall.
Doch nicht nur die Bremse wird durch das Pedelec-Tuning nachhaltig geschädigt. Das aktuelle wissenschaftliche Projekt der Dekra Unfallforschung zeigt einen Teufelskreis im Gesamtsystem, der durch die Überhitzung der Bremse ausgelöst wird. Im Rahmen des Projekts wurden verschiedene Bremsversuche durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen negative Auswirkungen auf die Bremswirkung sowie Unregelmäßigkeiten bei der Bremskraftübertragung. Folglich erreicht das Gesamtsystem des getunten Pedelecs höhere Temperaturen, da es die beim Bremsen entstehende Wärme nicht schnell genug an die Umgebung abgeben kann. Diese Materialveränderung kann eine Rissbildung begünstigen.
Rahmen dauerbelastet
Während der Fahrt mit dem getunten Pedelec kommt es zu einer Dauerbelastung des Rahmens und der Anbauteile. Verschiedene Faktoren, wie eine längere Ausnutzung der maximalen Motorleistung, eine höhere Belastung des Rahmens und höhere Geschwindigkeiten über Bodenunebenheiten können im Zusammenspiel zu einem Ermüdungsbruch an Rahmen, Lenker oder an der Sattelstütze führen.
Hinzu kommt der fehlende Versicherungsschutz: Für Fahrzeuge wie Mofas, Leichtkrafträder und S-Pedelecs besteht die Versicherungspflicht inklusive Kennzeichen. Pedelecs, bei denen die Motorunterstützung bei 25 km/h endet, zählen rechtlich als Fahrräder und benötigen für die Teilnahme am Straßenverkehr keine eigene Haftpflichtversicherung. Das getunte Pedelec fällt in die Kategorie der Kraftfahrzeuge, für die andere rechtliche Vorschriften gelten, zum Beispiel ein Führerschein der Klasse AM. Wer das Pedelec trotz der hohen Risiken ohne Betriebserlaubnis im öffentlichen Straßenverkehr fährt, riskiert ein Bußgeld und einen Punkt in Flensburg. Kommt es mit dem getunten Fahrrad zu einem Unfall, haftet der Fahrer für den entstandenen Schaden im Ernstfall allein.
10 bis 15 Prozent der Radler tunen
Die von den Herstellern produzierten S-Pedelecs, die bis zu einer Geschwindigkeit von 45 km/h unterstützen, erhalten eine Typgenehmigung oder Einzelbetriebserlaubnis in einem gesonderten, herstellerunabhängigen Prüfverfahren. Die Bremsanlage ist aufgrund der Risiken einer der Prüfpunkte. Laut einem der größten deutschsprachigen Online-Pedelec-Foren tunen zwischen 10 und 15 Prozent der Nutzer ihre Pedelecs. Auch wenn diese Zahlen nicht repräsentativ für alle Pedelec-Besitzer sind, gewinnt das Tuning trotz der starken Risiken insgesamt an Bedeutung. Carla Lauwasser/SP-X
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