Jung, urban, sportlich, stylisch, umweltfreundlich: Es ist klar, was für eine Zielgruppe Seat mit dem Cupra Born ansprechen möchte, doch ist der Wagen auch ein Blick in die Zukunft der E-Mobilität. Warum wir von dem Spanier begeistert waren:
Aussehen und ein erstes Augenschweifen verschaffen uns Menschen einen ersten Eindruck von neuen Dingen oder Personen, den wir danach nur schwer wieder loswerden. So bilden sich beim ersten Blickkontakt mit einem Auto sofort Assoziationen im Kopf: Der ID.3 beispielsweise ruft bei uns sofort ein Bild von einem Häuschen mit Garten in der Vorstadt auf. Das Auto gehört Vater oder Mutter einer vierköpfigen Familie mit gut bezahltem Job, geregeltem Alltag und zukunftsorientiertem Denken. Der Cupra Born basiert auf der selben MEB-Plattform von VW, ist aber in anderen Sphären unterwegs.
Nicht zu klein, nicht zu groß
Um bei der Analogie zu bleiben: Der Fahrer des Cupra Born lebt in der selben Stadt wie die ID.3-Familie, ist allerdings erst um die 30, macht Sport, kämpft in seiner Freizeit für die Umwelt und legt abends in angesagten Clubs in der Innenstadt auf. Kurz gesagt: Ähnliche Technik, andere Welt. Wir steigen am Flughafen Barcelona in die große Variante des Born, die erst ab kommendem Frühjahr erhältlich sein wird. 77 KWh Batterie, 170 KW Leistung. Der Born gefällt von außen, wirkt sportlich und kompakt, aber nicht zu klein und auch nicht aufdringlich. Innen erhebt sich ein Display hinter dem Lenkrad, ein Head-Up-Display dahinter leuchtet auf und der Bildschirm in der Mitte des Navi-Displays zeigt viele unklare Symbole – dazu später mehr.
Die 310 Nm sind natürlich zu spüren und über die Fahrdynamik müssen wir bei einem modernen Elektroauto nicht sprechen, denn die Übersetzung der Energie auf die Reifen ist direkt, das Fahren macht sofort Freude. Das Interior ist schlicht gehalten, lediglich die vielen Knöpfe am Lenkrad wirken etwas überzogen. Ansonsten sammeln sich alle Knöpfe und Anzeigen auf der Fahrerseite, dieser soll vom satellitenartigen Armaturenbrett umgeben sein. Das unterstreicht die sportliche Note des Born. Es stehen mehrere Fahrmodi zur Auswahl, darunter finden wir die üblichen Verdächtigen: Comfort, Range, Normal und im individuellen Modus kann der Fahrer selbst einstellen, was ihm wichtig ist. Der Born schießt von null auf 100 in 6,6 Sekunden.
Wie in 007s Auto
Die von uns getestete Performance-Variante hat sogar einen fünften Modus. Innerhalb des Lenkrads ist ein daumengroßer Knopf mit dem Cupra-Logo angebracht. Diesen kurz gedrückt, aktiviert das Fahrzeug den Cupra-Mode: Die Beschleunigung ist nun maximal, die Lenkung extrem direkt und die Rekuperation sehr aggressiv. Beim erneuten Drücken auf den Knopf springt das Fahrzeug zurück in den Fahrmodus, den man verlassen hat. Erst halten wir den Knopf für eine unnötige Marketing-Übertreibung des Sportkonzepts, doch der Spaß stellt sich schnell ein! Auf der kurvigen Küstenstraße südlich von Barcelona macht das regelmäßige Drücken des Power-Knopfs jedes Mal Freude, sorgt für ein gewisses 007-Feeling.
Und der Knopf ist sogar an vielen Stellen ganz praktisch: Ein recht voller und hitziger Verkehrskreisel am Stadtrand von Barcelona. Bergauf müssen wir hier einfahren und zwar aus dem Stand, wenn sich eine Lücke bietet. Cupra-Mode an, Fuß aufs Strompedal und sofort schießt der Cupra ansatzlos in eine sich auftuende Lücke. Im katastrophalen Innenstadt-Verkehr von Barcelona bewegt sich der Wagen geschmeidig, ist für keine Stelle zu groß und der Fahrer fühlt sich wohl. Mit anderen Autos hätte man bei engen Gassen, wilden Rollerfahrern und dauerhupenden Transportern das Gefühl, der Elefant im Porzellanladen zu sein, nicht aber im Born.
Plastik aus dem Meer
Der Cupra Born will mehr sein als nur die Angeber-Version des ID.3. Mit einem Elektroauto geht immer das Thema Umweltschutz einher. Doch auch in dieser Kategorie glänzt der Wagen: Seat arbeitet mit der Seaqual Initiative aus Girona zusammen. Diese fischen Plastik aus den Ozeanen. Aus diesem schafft Seat in mehreren Zwischenschritten den Sitzstoff für den Born. Das Material sieht gut aus, fühlt sich angenehm an, besteht tatsächlich zu 86 Prozent aus recyceltem Plastik. Noch dazu wird der Cupra im CO2-neutralen VW-Werk in Zwickau gebaut. Das zeigt, wo uns die Elektromobilität in Zukunft hinführen kann, nämlich zum immer CO2-neutraleren Auto. Cool, bitte mehr davon!
Ebenfalls wichtige Themen bei E-Autos sind bekanntlich das Laden und die Reichweite. Unsere Variante mit der 77 kWh-Batterie zeigt fast vollgeladen 390 Kilometer an und das scheint zu stimmen. Nach mehrstündiger Testfahrt durch die Innenstadt, bergige Serpentinenstraßen, Autobahnabschnitten und Kurven an der Küste kommen wir mit immer noch über 300 Kilometern auf der Reichweiten-Uhr im Küstenörtchen Sitges an. Obwohl knapp 130 Kilometer gefahren wurden. Das erfreut zwar, hat aber einen gewissen Beigeschmack, denn ob das so stimmt, wird wohl leider erst ein Langzeit-Test des Fahrzeugs in der Zukunft zeigen.
Knopfüberflutung am Lenkrad
Möglich wäre, dass die Rekuperation, die auf den Berg- und Küstenstraßen möglich war, einiges abgefangen hat. Vielleicht rechnet der Computer des Vorserienmodells aber auch nicht richtig. Verbraucht haben wir auf der abwechslungsreichen Strecke 15,5 kWh im Schnitt. Mit vorsichtigem Fahren im Range-Modus dürften sogar deutlich bessere Werte drin sein. In sieben Minuten können 100 Kilometer Reichweite nachgeladen werden, in „unter“ 40 Minuten, so Seat, lädt die Batterie von fünf auf 80 Prozent. Die maximale Ladeleistung beträgt 170 kW.
Leider gibt es ein paar Negativ-Punkte: In unserem Testfahrzeug war keine Augmented Reality-Funktion eingebaut, diese hätten wir gerne gesehen. Auch sind zwei Displays vor der Nase etwas zu viel des Guten. Direkt hinter dem Lenkrad bekommt der Fahrer einige Infos mehr angezeigt, als im Head-Up-Display dahinter in der Windschutzscheibe. Daraus folgt, dass wir auf letzteres während der ganzen Fahrt nur ein Mal kurz geachtet haben, man nimmt es wirklich kaum wahr. Die Knöpfe am Lenkrad sind zu viele, sich kurzzeitig einen Überblick zu verschaffen, ist kaum möglich. Zudem setzt Cupra in unserer Modellvariante auf ein Mittelding aus Touch und physischem Druck.
Bezahlbarer Allrounder
Es dauert eine ganze Weile, bis wir mit den Knöpfen umgehen können. Beim Kontakt mit den Fingern reagieren diese bereits, stellen das Radio ungewünscht lauter oder leiser, bei bewusstem Druck ist es schwer, das Radio nur minimal lauter oder leiser zu machen. Beim Lenken in steilen Kurven greifen wir das Lenkrad in der Lenkbewegung hin und wieder bei 9 und 3 Uhr an. Das führt dazu, dass der Handballen ungewollt die Lenkrad-Knöpfe berührt. Der Kofferraum ist mit 385 Litern zwar eigentlich gar nicht so klein, stellt bei zwei Handgepäck-Koffern und einer Kameratasche aber die Tetris-Fähigkeiten des Fahrers auf die Probe. Das große Display ist unübersichtlich. Nur mit Hilfe und einer kleinen Suchaktion finden wir die Fahrzeugdaten, die Verbrauch und gefahrene Strecke zeigen. Selbsterklärend und intuitiv ist hier nichts. Gewöhnungssache natürlich, doch bei unserer kurzen Fahrt ein ständiges Ärgernis.
Trotz dieser Kritik: Während unserer etwa vierstünden Testfahrt ist der kleine Born ganz oben auf die private Auto-Wunschliste geschossen. Mit Preisen zwischen rund 32.000 und 40.000 Euro, je nach Ausstattungswunsch, Leistung und Batteriegröße ist der Born bezahlbar. Nach Abzug der deutschen Förderung ergibt sich dadurch aber ein ziemlich guter Preis für ein Auto wie dieses.
Sportlich, stadtaffin
Nicht zu groß, nicht zu klein
Schönes Design, modernes Markenkonzept
Sitze recycled, CO2-neutral produziert
Beim Lenken drückt die Hand versehentlich Knöpfe am Lenkrad
Komplizierte und nicht intuitive Software
Viel zu viele Lenkrad-Knöpfe
Cupra Born – Technische Daten:
Fünftüriger Kompaktwagen mit elektrischem Heckantrieb, Länge: 4,32, Breite: 1,81 Meter, Höhe: 1,54 Meter, Radstand: 2,77 Meter, Kofferraumvolumen: 385 Liter, Antrieb mit einem Elektromotor, Systemleistung 150 kW (204 PS, bald mit 170 KW verfügbar), maximales Drehmoment 310 Nm, Eingang-Automatikgetriebe, Batterie mit 58 kWh (bald 77 kWh verfügbar). 0-100 km/h: 7,3 s (6,6 s in der Boost-Variante), Vmax: 160 km/h (abgeregelt), Stromverbrauch: 15,5 – 16,7 kWh/100 km (WLTP kombiniert), max. Reichweite 395 – 424 km (WLTP).
Add a Comment