Mehr Reichweite, bis 575 km, verspricht Volvo mit dem überarbeiteten XC40 Recharge Single Motor, Extended Range. Wir haben’s ausprobiert und fuhren nach Schweden.
Wollte der XC40 die angegebenen 575 km Reichweite schaffen, dürfte er rein rechnerisch etwa 13,6 kWh auf 100 km verbrauchen – so viel wäre dann aus der 79 kWh fassenden Batterie (netto) herauszuholen. Da der Norm-Verbrauch nach WLTP bereits bei 16,6 kWh pro 100 km liegt, müsste man mit etwa Tempo 70 unterwegs sein, um diese Reichweite zu erzielen. Wohl gemerkt ohne Berücksichtigung der Rekuperation oder zusätzlicher Verbraucher wie Heizung, Gebläse Scheinwerfer, Scheibenwischer etc.
Aber genau diese Zusatzaggregate brauchen wir jetzt. Denn es ist morgens 7 Grad kalt, dunkel, und Regen wird vorhergesagt. Jede Menge Regen.
Schauen wir ihn uns aber zunächst mal an, den überarbeiteten Volvo XC40. Unter der Haube hat sich viel getan – der Motor, eine sparsamere Neuentwicklung, wanderte von vorne nach hinten, der Antrieb freilich gleich mit. Zusammen mit der 82-kWh-Batterie (brutto) soll der 2024er XC40 viel weiter kommen als bislang. Und vor allem sparsamer sein. Von außen sieht der Schwede schon mal gefällig aus – das Design ist ja bei den Skandinaviern geblieben, während der chinesische Produzent Geely vor allem die Technik beisteuert.
Außen sieht der XC 40 wie ein typisches Volvo-SUV aus, freundlich, einladend, geräumig. In dezentem Grau steht er da, mit großem Panoramadach, beleuchteten Bügel-Türgriffen, steilem Heck und der Volvo-typischen Form der Hecklichter. Dazu die Scheinwerfer: Uns beeindruckt immer wieder das hammermäßig hervorragende Licht – nicht von ungefähr werden diese Pixel-LED-Scheinwerfer wohl „Thor’s Hammer“ genannt. Das Armaturenbrett wirkt hingegen ein wenig nüchtern, vor allem das Display hinter dem Lenkrad. Ein Blauton überwiegt. Nun gut, allzu viel Farbenspiel kann auch ablenken.
Erst auf Knopfdruck wird in der Mitte zwischen beiden Anzeigen des Tacho-Displays die Google-Navigation eingeblendet. Mehr lässt sich am Layout des Anzeige-Instruments nicht verändern. Das 9-Zoll-Display in der Mitte ist harmonisch integriert und sieht nicht aus wie ein nüchtern aufgestelltes Tablet – so wie beim kleinsten Volvo-Modell EX30.
Volvo XC40 Modelljahr 2024: Nur noch eine Steckdose
Die Mittelkonsole mit ihrem geräumigen Fach kann noch jede Menge Krimskrams aufnehmen, und im sogenannten Tunnel lässt sich das Smartphone kabellos laden. USB-C-Anschlüsse sind ebenfalls reichlich vorhanden, außerdem gefällt der als Kristall geformte Wahlhebel in der Mitte. Leider ist die 12-Volt-Steckdose vorne nun die einzige im gesamten Wagen, so dass man ein langes Kabel nach hinten zu einer Kühlbox oder ähnlichem verlegen müsste.
Dann mal los auf die große Tour. Bis zu 575 km werden „unter optimalen Bedingungen“ versprochen, bei rein innerstädtischem Betrieb sollen es sogar 775 km sein. Der Verbrauch soll im Mittel bei 16,6 kWh pro 100 km liegen. Ein guter Wert für ein über 2 Tonnen schweres SUV. Wie sieht das allerdings in der Praxis aus, wenn die Bedingungen nicht optimal sind, wenn es regnet, windet und sich die Temperaturen unterhalb von 10 Grad, ja, um den Gefrierpunkt, bewegen? Wagen wir doch mal den Test, dachten wir uns, und fahren mit dem XC40 dorthin zurück, wo er herkommt – nach Schweden.
Bei Temperaturen um die 8 Grad und aktiviertem Reichweitenoptimierer – mehr als 410 km Reichweite zeigt der vollgeladene Volvo bei unserem Start nicht an. Die 410 km sind der integrierten Google-Navigation jedoch noch nicht genug: Eine weibliche Stimme teilt uns gleich beim Start mit, dass wir die 350 km entfernte Ladestation beim derzeitigen Akkustand von 100 Prozent nicht erreichen können. Nanu? Berücksichtigt die App gleich die Witterung und die Kasseler Berge, die wir überwinden müssen? Versuchen wir es trotzdem, vielleicht ändert sich der Wert unterwegs, wenn wir etwas langsamer fahren. Schließlich ist eine Reichweitenanzeige immer auch abhängig von der Fahrweise bisheriger Wagenlenker.
Der Kick aufs Strompedal muss schon kräftig ausfallen, auf dass sich der schwere Schwede in Bewegung setzen kann. Zunächst einmal müssen wir die Bergabfahrhilfe bzw. Autohold überwinden, damit der Wagen überhaupt davonrollt. Da wirkt das SUV doch etwas träge. Doch dieser Eindruck trügt. Wie agil der XC40 sein kann, beweist ein kurzer Tritt aufs Pedal – und der Bolide stürmt nach vorne mit all seinen 252 PS und 420 Newtonmeter. 7,3 Sekunden bis 100 km/h. Immer genug Spurtfähigkeit im Akku.
Abstandshalter im Volvo XC40 spielt verrückt
Das bereits aktivierte One-Pedal-Driving ist auf der Autobahn doch etwas störend, vor allem, wenn der Volvo XC40 energiesparend den Berg hinuntersausen soll. Beim Loslassen des Pedals käme er zum Stehen. Aber das lässt sich leicht auf Automatik umstellen, wobei er dann beim Bremsen rekuperiert – was die Anzeige auf dem Tacho-Display bildhaft wiedergibt – und den Abstand zum Vordermann wahrt.
Doch dieser automatische Abstandshalter (per Radar) der Auto-Rekuperation macht uns echt zu schaffen. Der Assistent orientiert sich nicht nur stur am vorausfahrenden Fahrzeug. Er bremst auch dann ab, wenn wir durch Gassen fahren, in denen Autos alternierend geparkt sind. In leichten Kurven bremst er sogar plötzlich, wenn Fahrzeuge auf der Nebenspur auftauchen. Was beim Überholen auch den nachfolgenden Verkehr irritiert. Die veränderte Perspektive genügt offenbar zum Verrücktspielen. Ganz klar: In dieser Form ist der Assistent nicht zu gebrauchen. Vielleicht ist alles aber auch nur eine Sache der Kalibrierung?
Nicht ganz so optimal verläuft auch die Bedienung des Panoramadachs. Obwohl es draußen trocken ist, schwappt nach dem Öffnen etwas Wasser herein und auch auf auf die Sitze, deren 2.200 Euro teurer Wollbezug doch etwas empfindlich scheint: Die Flecken haben wir nie ganz entfernen können (sorry, Volvo). Ansonsten sorgt das Glasdach für einen schön hellen Innenraum, der auf uns insgesamt angenehm nüchtern wirkt.
Dank 360-Grad-Kamera lässt sich der Wagen komfortabel rangieren, während diverse Warngeräusche nicht allzu penetrant klingen. Und der Wendekreis ist mit 11,40 Metern nicht allzu groß. Alles Wichtige ist zudem vom Fahrersitz leicht erreichbar, vor allem der Knopf für den Tempomaten am Lenkrad, der auf langen Strecken nützlich ist. Zusammen mit dem Pilot Assist und dem Spurhalte-Assistenten soll er das Fahrzeug halbautonom bewegen. Die Kräfte, die man am schön griffigen Lenkrad dann jedoch zum Halten und Korrigieren aufbringen muss, hinterlassen bald ihre Spuren in Muskeln und Sehnen. Anders gesagt: Es zwickt.
Sehr angenehm, ja fast schon als Luxus, empfinden wir das Harman-Kardon-Soundsystem im XC40. Auch dessen Bedienung sowie die der übrigen Apps erschließen sich intuitiv.
Inzwischen sind wir der ersten Ladestation näher gekommen, vielleicht erreichen wir den EnBW-Ladepark bei Burgwedel ja doch noch. Tatsächlich ändert sich die Anzeige im Lauf der Fahrt immer wieder – aber nicht nur ins Positive. Mal ist die Ladestation mit 4 Prozent SoC (State of Charge – Ladestand) noch zu erreichen, dann sind es mal wieder minus 2. Die Google-Stimme mahnt erneut, schon 30 km früher neue Energie zu tanken. Die App listet brav diverse Lademöglichkeiten in der Nähe auf.
Nein, fahren wir doch zunächst etwas langsamer, so zwischen Tempo 100 und 110. Tatsächlich sinkt der Durchschnittsverbrauch von Anfang 26 kWh auf knapp 18,8. Inzwischen ist es ja auch warm im Auto und die Wärmepumpe muss nicht mehr so schuften. Und wir gewinnen im Laufe der weiteren Fahrt eine wichtige Erkenntnis: Der XC40 kann signifikant Energie sparen, wenn er sachte bewegt wird. Es genügen schon wenige Kilometer Reduktion. Unser Durchschnittsverbrauch fällt hier dann auf einen Wert von etwa 18 kWh pro 100 km.
Dennoch: Zur Sicherheit hören wir auf die „innere“ Stimme, laden dann doch 30 km früher als geplant. Der Volvo konditioniert die Batterie rechtzeitig vor, wenn der Fahrer ein Ladeziel eingegeben hat. Deshalb wundern wir uns nicht, als die Anzeige an einem 300-kW-Lader von Aral gleich auf 206 kW springt. Offiziell kann der XC 40 mit 200 kW laden. Mit einem SoC von 14 Prozent stecken wir an, und nach 30 Minuten und zehn Sekunden ist der Akku zu 80 Prozent gefüllt.
Volvo: Die Reichweite sinkt
Freilich werden wir diese Werte im weiteren Verlauf der Tour nicht immer erreichen. Schon deshalb nicht, weil manche Station nicht mal 200 kW hergibt. Aber auch dann verzögert sich die Abfahrt höchstens um einige Minuten.
Weiter sinkende Temperaturen (nachts bis 1 Grad) drücken später die maximale Reichweite auf 380 km. Zum Ausgleich wärmen wir den Innenraum noch während des Ladens vor, was dann aber nicht groß zu Buche schlägt. Auf den ersten 20 Kilometern verlieren wir fast immer gut sechs Prozent SoC.
Aber dieser XC 40 ist ein berechenbares Elektroauto. Es wird nicht passieren, dass ein SoC von 12 Prozent aus unerklärlichen Gründen plötzlich auf 5 Prozent fällt. Und auch beim dritten Ladestopp hintereinander fließt der Strom schnell in die Batterie hinein, einzig der Ventilator des On-board-Laders macht ordentlich Wind.
So schaffen wir insgesamt die 1.500 km bis zum Ziel, vorbei am Herstellungsort des Wagens, Göteborg, dann noch weiter und wieder zurück. Auch wenn die maximale Reichweite inzwischen auf 380 km gesunken ist – Kälte, Regen, Dunkelheit und Sturm fordern ihren Tribut. 575 km sind so nicht zu schaffen – aber vielleicht im Sommer mit wenigstens 70 km/h?
Unser Testwagen kam mit Maximalausstattung: Zusätzlich zur üppigen Ultimate-Bestückung gab es eine semielektrische Anhängerkupplung (960 Euro), die Lackierung in Vapour Grey (790 Euro), 20-Zoll-Leichtmetallfelgen im 5-Speichen-Sport-Design (660 Euro), abgedunkelte Seiten- und Heckfenster (390 Euro), Sitzbezüge aus Tailored Wool (2200 Euro) und besagte Pixel-LED-Scheinwerfer mit der Bezeichnung „Thors Hammer” (1100 Euro).
Kosten: Beim ADAC wird das Modell Extended Range Ultimate bei einer Jahresleistung von 15.000 km mit 909 Euro pro Monat beziehungsweise 72,8 Cent pro Kilometer angegeben. Dabei schlägt der Wertverlust mit monatlich 613 Euro zu Buche. Der jährliche Haftpflichtbeitrag wird bei 100 Prozent mit 904 Euro angegeben, die Vollkasko (100% bei 500 SB) mit 1.125 Euro.
Volvo XC40 Recharge Pure Electric Single Extended Range – Technische Daten:
Fünftüriges SUV mit fünf Sitzen, Länge: 4,440 Meter, Breite: 1,863 Meter (mit Außenspiegeln: 2,034), Höhe: 1,647 Meter, Radstand: 2,702 Meter, Kofferraumvolumen: 452 – 1.328 Liter, Frunk: 31 Liter.
Elektrischer Permanentmagnet-Synchronheckmotor, 185 kW/252 PS, maximales Drehmoment: 420 Nm, Batteriekapazität: 79 kW/h netto, Lader mit max. 200 kW (DC) und dreiphasig 11 kW (AC), Reichweite 575 km (WLTP/20-Zoll-Felgen), Heckantrieb, 1-Gang-Getriebe, 0–100 km/h: 7,3 s, Vmax: 180 km/h, Normverbrauch nach WLTP: 16,6 kWh/100 Kilometer, CO2-Ausstoß: 0 g/km, Wärmepumpe, Testverbrauch: 20,4 kWh (ohne Ladeverluste).
Anhängelast: 0/1.500 kg (ungebr./gebremst), Stützlast 100 kg, Zuladung: 445 kg, Dachlast 75 kg.
Preis: 47.500 Euro (Basis), Testwagenpreis: 64.750 Euro (Variante „Ultimate” mit Sonderzubehör; sonst 55.500)
Gutes Raum-/ Platzangebot
Guter Fahrkomfort
Gute Bedienbarkeit
Gute Rundumsicht
Präzise 360-Grad-Kamera
Geringer Geräuschpegel innen
Hervorragendes Licht
Frunk mit Kabel und Pannenset
Norm-Reichweite nur bei mäßigem Tempo zu schaffen
Ladeplanung nicht immer stimmig
Abstandsradar fehlerhaft
Schiebedach nicht per Sprachbefehl bedienbar
Lenkung etwas schwergängig
Plastik an Einstiegen und Kofferraum empfindlich
Keine 12-V-Steckdose im Kofferraum
Kaum Änderungen am Tacho-Display möglich
Add a Comment