Vor allem Newcomer interessieren sich für den Brennstoffzellenantrieb in E-Motorrädern. Erste Konzepte gibt es schon.
Allgegenwärtig ist die Diskussion, ob der Wasserstoff-/Brennstoffzellenantrieb im Pkw ein sinnvoller ist und dessen Entwicklung weiter voran getrieben werden sollte. Diese Frage lassen wir einfach mal dahingestellt. Doch wie sieht es bei Motorrädern aus? Fest steht: Mit Wasserstofftanks und Brennstoffzellen sind große Reichweiten bei relativ wenig Bauraum und Gewicht darstellbar. Genau dieser Umstand macht eine Anwendung von Wasserstoff auch im Zweirad-Sektor interessant. In jüngster Zeit haben allerdings nur Newcomer konkrete Vorschläge für Wasserstoffantriebe beim Motorrad unterbreitet, während sich die Branchengrößen bis auf weiteres bedeckt halten.
Das E-Motorrad leidet an der Reichweite
Dabei könnte die Brennstoffzelle dem E-Motorrad den Weg aus der Nische ebnen. Soll das Elektro-Bike halbwegs zufriedenstellende Reichweiten und Fahrleistungen bieten, werden mächtige und damit schwere und preistreibende Akkus benötigt. Und selbst damit eignen sich die teuren Einspurstromer in der Regel nur für Kurztrips oder den Einsatz im Stadtverkehr. Vor allem auch lange Ladezeiten – ähnlich schnelle DC-Lader wie im Pkw-Bereich gibt es nicht – schränken den Einsatzbereich weiter ein. Als Reisemotorrad eignet sich jedenfalls keines der derzeit am Markt verfügbaren Modelle.
Nachtanken in wenigen Minuten
Mit Brennstoffzellen-Technik ließe sich das Gewicht/Reichweiten-Dilemma bei E-Motorrädern in ein besseres Verhältnis rücken. Erstens ließe sich die Speicher- und E-Antriebstechnik vergleichsweise kompakt und mit moderatem Gewicht in Zweirädern unterbringen. Zweitens könnte Wasserstoff für große Reichweiten in wenigen Minuten nachgetankt werden. Sollte es eine entsprechende Versorgungsinfrastruktur geben, wäre das Brennstoffzellen-Bike somit auch für lange Touren sinnvoll nutzbar.
Doch wo kommt der Wasserstoff her?
Ein Problem bei Brennstoffzellen-Antriebe ist allerdings die Versorgung beziehungsweise Speicherung von Wasserstoff. Die derzeit in Brennstoffzellen-Pkw eingesetzten Hochdrucktanks scheinen jedenfalls im Zweiradsektor wenig geeignet. Die derzeit erfolgversprechendste Lösung könnte das Speichern des leicht flüchtigen Gases in kompakten Kartuschen sein, die sich mit wenigen Handgriffen auswechseln lassen. Ein solches Konzept hat in diesem Jahr Segway, Tochterunternehmen des chinesischen Elektronik-Riesen Xiaomi, mit dem angeblich bereits seriennahen Motorrad Apex H2 vorgestellt.
Erste Modelle: Segway Apex H2
Das vollverkleidete Bike mit vorne wie hinten einarmig geführten Rädern soll über einen 60 kW/82 PS starken E-Antrieb verfügen, der den Sprint aus dem Stand auf 100 km/h in drei Sekunden und maximal 150 km/h erlaubt. Für die Stromversorgung ist eine nicht näher spezifizierte Kombination aus Brennstoffzelle und Pufferbatterie verantwortlich. Der zur autarken Stromerzeugung benötigte Wasserstoff wird in Kartuschen gespeichert. Drei davon stecken seitlich in der Apex. Wie weit das E-Bike damit insgesamt kommt, verrät Segway nicht, allerdings soll für die Apex ein Gramm Wasserstoff für einen Kilometer reichen. Zum Vergleich: Das Brennstoffzellenauto Toyota Mirai braucht mindestens die zehnfache Menge. Sollten über eine Crowdfunding-Aktion genügend Interessenten zusammenkommen, will Segway die Apex H2 bereits 2023 in Serie bauen. Der Preis soll unter 10.000 Euro liegen.
Erste Modelle: X-Idea XCell
Im Oktober hat die chinesische Designfirma X-Idea mit dem futuristischen Designentwurf XCell einen gewagteren Blick in eine vermutlich noch fernere Brennstoffzellenzukunft gewagt. Form und Sitzposition dieser Studie sind variabel. Ob Chopper oder Sportmotorrad – der Fahrer kann dies nach Tagesform entscheiden. Wie beim Apex H2 ist auch hier ein E-Antrieb mit Brennstoffzelle angedacht. Der für die Stromerzeugung benötigte Wasserstoff kommt ebenfalls aus kleinen Kartuschen. Zur Antriebstechnik wurden allerdings keine Details genannt. Konkrete Pläne für den Bau gibt es demnach wohl ebenfalls nicht.
Erste Modelle: Mob-Ion AM1
Wiederum bodenständiger und wesentlich konkreter ist die französische Firma Mob-Ion mit dem E-Scooter AM1, der mit Brennstoffzellenantrieb möglicherweise schon 2023 in Serie gebaut werden könnte. Technisch basiert der 50er-Roller auf dem konventionellen E-Roller AM1, der von einem 3 kW/4 PS starken Nabenmotor im Hinterrad angetrieben wird. Dort wo eigentlich die Traktionsbatterie Platz findet, haben die Franzosen jedoch eine Brennstoffzelle des Partners Stor-H implantiert. Diese Technik spart gegenüber der reinen Akkulösung Gewicht und Platz. Entsprechend bietet der AM1 mit Brennstoffzelle mehr Stauraum unter der Sitzbank. Der zum Betrieb der Brennstoffzelle benötigte Wasserstoff kommt auch hier aus mobilen Minitanks. Die kleinen und nachfüllbaren Kartuschen können dank eines integrierten Metallschwamms größere Mengen Wasserstoff bei einem vergleichsweise niedrigen Druck von 9 bis 10 bar speichern. Die kleinen Behälter, so die Idee, würden in einem Tauschsystem zirkulieren; ist ein Tank leer, lässt er sich gegen einen vollen ersetzen.
Der Weg in die Zukunft?
Wie in den zuvor beschriebenen Beispielen skizziert, könnte die Brennstoffzelle hinsichtlich Kosten, Reichweite und Alltagstauglichkeit eine durchaus interessante Option für Zweiradhersteller sein. Doch aktuell setzen auch die Großen der Branche auf batterieelektrische Lösungen in ihren CO2-Vermeidungsstrategien. Selbst von Herstellern aus dem wasserstoffaffinen Japan sind derzeit keine konkreten Impulse für eine Brennstoffzellen-Zukunft im Motorradbereich erkennbar. Allerdings haben sich erst jüngst Kawasaki und Yamaha mit einigen Autoherstellern wie Mazda und Toyota offiziell zu in einer Partnerschaft zusammengefunden, in der man die Einsatzmöglichkeiten alternativer und klimafreundlicher Kraftstoffe in Verbrennungsmotoren erforschen will. Speziell die Motorradhersteller wollen dabei unter anderem auf Wasserstoff als Energieträger setzen. Womöglich könnte diese Initiative irgendwann auch Brennstoffzellen-Anwendungen den Weg in die Zweiradzukunft ebnen. Mario Hommen/SP-X/Titelfoto: Segway
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