Viele Irrtümer über die Rechte von Radfahrern im Verkehr halten sich hartnäckig. Ein Überblick über die wichtigsten.
Ein Rechtsverstoß im Straßenverkehr ist schnell passiert. Dabei ist es nicht von Belang, ob man bewusst oder unbewusst gehandelt hat. Doch gibt es immer wieder Missverständnisse, weil sich das Wissen über die Rechte und Pflichten von Radfahrern verwässert hat, etwa: Dürfen Radfahrer Zebrastreifen nutzen?
„Radfahrer dürfen Autos rechts nicht überholen“
Einen Radfahrer passieren zu lassen, ist für einen Autofahrer gefühlt die Höchststrafe. Vor allem das Rechtsüberholen an Ampeln sorgt schnell für Verstimmungen, wenn sich die Radfahrer durch die entstehenden Lücken schlängeln. Aber allen schimpfenden Autofahrern sei gesagt: Das ist vollkommen legal. „In §5 der Straßenverkehrsordnung steht: Radfahrer dürfen wartende Fahrzeuge mit mäßiger Geschwindigkeit und besonderer Vorsicht rechts überholen“, erklärt Claudia Schulze-Domnick, Partner-Anwältin der Rechtsberatung Bikeright.
„Radfahrer gehören nicht auf die Fahrbahn“
Auch wenn das Autofahrer ebenfalls nicht gerne lesen: Fahrräder sind Fahrzeuge und gehören deshalb grundsätzlich auf die Fahrbahn. „Ausnahmen sind lediglich Radwege, die mit einem blauen Verkehrszeichen gekennzeichnet sind. Die Beschilderung schreibt eine verpflichtende Nutzung vor und ist im Straßenverkehr eher die Ausnahme als die Regel“, so Schulze-Domnick weiter. Konkret handelt es sich dabei um die Verkehrszeichen 237 (Radweg), 240 (gemeinsamer Fuß- und Radweg) sowie 241(getrennter Fuß- und Radweg). Übrigens muss auch ein ausgeschilderter Radweg nicht benutzt werden, wenn er nicht befahrbar, unzumutbar oder nicht straßenbegleitend ist.
„Radfahrer dürfen nicht auf dem Gehweg fahren“
Das ist korrekt, es gibt jedoch Ausnahmen. Kinder bis acht Jahre müssen und bis zehn Jahre dürfen auf dem Gehweg fahren. Ein Erwachsener darf ein Kind dabei auf dem Gehweg radelnd begleiten. „Die Regelung ist erst seit Anfang 2017 gültig und soll einen stetigen Blickkontakt zwischen Begleitperson und Kind gewährleisten. Das sorgt für mehr Sicherheit bei den Fahranfängern“, erklärt Guido Meitler vom Kinderfahrzeughersteller Puky. Dabei ist besondere Rücksicht auf Fußgänger geboten.
„Radfahrer müssen in der Fußgängerzone grundsätzlich schieben“
Das ist falsch. Das Verkehrszeichen 242.1 für Fußgängerzone enthält zwar ein Radfahrverbot und wer sich nicht daran hält, riskiert ein Verwarnungsgeld von 15 Euro. Aber: „Man darf sein Fahrrad als Tretroller nutzen. Die Gefährte gelten laut Gesetz nicht als Fahrzeuge, sondern als Fortbewegungsmittel, die zum Fußverkehr zählen. Sie dürfen deshalb auch auf Gehwegen genutzt werden“, erklärt Anwältin Schulze-Domnick. Dafür darf der Radfahrer weder im Sattel sitzen noch die Pedale zum Antrieb nutzen. Erlaubt ist lediglich eine Fortbewegung, bei der man mit einem Fuß auf einem Pedal steht und sich mit dem anderen Fuß vom Boden abstößt. Die Hände gehören allerdings an den Lenker. Für rollernde Radfahrer gilt: Vorsichtig unterwegs sein und keine Fußgänger belästigen. Ansonsten droht ein Verwarnungsgeld.
„Für Radfahrer gilt das Rechtsfahrgebot“
Das ist korrekt. Allerdings bedeutet Rechtsfahrgebot nicht, dass Radfahrer sich komplett rechts an den oft unebenen Fahrbahnrand drängen müssen und sich dabei selbst in Gefahr bringen, etwa indem sie Autofahrer zum Überholversuch auch bei enger Fahrbahn einladen. Der Gesetzgeber schreibt lediglich „möglichst weit rechts“. In diversen Gerichtsurteilen wird zu einem Mindestabstand zum Fahrbahnrand von ca. 80 Zentimetern geraten. „Damit soll verhindert werden, dass Fußgänger am Gehwegdurch Radfahrer behindert werden und sichergestellt, dass die Radfahrer etwa vor unachtsam geöffneten Autotüren bessergeschützt sind“, erklärt Volker Dohrmann vom Hamburger Radhersteller Stevens. Bei dichtem Verkehr kann der Abstand je nach Situation auch nur 40 Zentimeter betragen, bei hohen Bordsteinen, tiefen Gullydeckeln oder anderen Gefahren kann je nach Situation auch mehr als ein Meter Sicherheitsabstand nötig sein.
„Radfahrer dürfen einen Zebrastreifen benutzen“
Dies ist ein Irrtum. Fahrradfahrer dürfen einen Überweg nicht mit dem gleichen Vorrecht wie Fußgänger überqueren, denn dies kann zu brenzligen Situationen führen. Muss ein Auto wegen eines fahrenden Radfahrers auf dem Fußgängerüberweg abbremsen oder halten, riskiert der Radfahrer ein Bußgeld. „Richtig wäre für den Radfahrer, abzusteigen und sein Rad über den Zebrastreifen zu schieben oder zu rollern. Dann genießt er die gleichen Vorrechte wie ein Fußgänger,“ beschreibt Jasmin Schindelmann von Winora. Auf der Fahrbahn ist der Radfahrer wie der Autofahrer verpflichtet, den Fußgängern das Überqueren zu ermöglichen. Die Stadt Göttingen hat jedoch mit dem „Göttinger Zebra“ eine lokale Ausnahme erarbeitet: In zwei Zebrastreifen ist eine spezielle Radfahrerfurt ausgewiesen, damit Radfahrer nicht extra absteigen müssen. Diese Idee, die der Stadt bereits eine Auszeichnung zur Fahrradfreundlichkeit eingebracht hat, ist jedoch nicht in der bundesweiten Straßenverkehrsordnung verankert.
„Tiere dürfen auf dem Rad nicht mitgenommen werden“
Das ist zwar korrekt, aber es gibt eine Ausnahme für Hunde. Laut §28 StVO dürfen vom Fahrrad aus Hunde geführt werden. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC e. V.) rät, die Leine dabei nur lose in der Hand zu halten und sie nicht um Handgelenk oder Lenker zu binden. Dies könne ansonsten zu Stürzen führen. Außerdem sollten Hunde nur auf Radwegen und nicht auf der Fahrbahn mitgeführt werden. Wer seinen treuen Begleiter aber immer dabei haben möchte, der kann ihn in einem speziellen Anhänger mitnehmen (z. B. von Croozer, ab 699 Euro).
„Man darf alkoholisiert Fahrradfahren“
Das stimmt nur teilweise. Die Grenze zur Fahruntüchtigkeit für Radfahrer ist mit 1,6 Promille deutlich höher als für Autofahrerbei 0,5 Promille. Wer höher alkoholisiert erwischt wird, muss mit Punkten und einer Geldstrafe rechnen. Außerdem kann die Behörde eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) anordnen. „Wer da durchfällt, verliert auch als Radfahrer seine Fahrerlaubnis, ebenso wie ein Auto- oder Motorradfahrer. Wer zudem bereits ab 0,3 Promille einen Unfall baut oder auffällig fährt, kann ebenfalls dafür belangt werden und erhält bei einem Unfall eine Teilschuld“, erklärt Bikeright-Gründer Paul Prieß.
„Radfahrer dürfen nicht nebeneinander fahren“
Auch wenn es aus Sicht der Autofahrer nicht nachvollziehbar ist, dürfen Radfahrer unter bestimmten Umständen tatsächlich nebeneinander fahren. Laut StVO (§ 2, Abs. 4) dann, „wenn der Verkehr nicht behindert wird“. „Das ist immer dann der Fall, wenn dem Autofahrer noch genügend Platz zum Überholen mit mindestens 1,5 Metern Abstand bleibt“, erklärt Anja Knaus vom E-Bike-Hersteller Flyer. In verkehrsberuhigten Zonen oder auf Fahrradstraßen ist das Nebeneinanderfahren generell gestattet. Und auch Verbände von Radfahrern dürfen in Zweierreihen fahren – das gilt immer, wenn mindestens sechzehn Radfahrer als Gruppeunterwegs sind.
„Radfahrer dürfen während der Fahrt das Smartphone nutzen“
Bedienen darf man das Smartphone während der Fahrt nicht, aber man kann es zur Navigation, zum Musikhören oder zum Telefonieren via Freisprechanlage nutzen. Das ist allerdings fast nur mit Kopfhörern möglich. „Die Lautstärke darf dabei allerdings nur so laut sein, dass Warnsignale, auch Fahrradklingeln, gehört werden können“, erklärt Philipp Elsner-Krause von Fahrer Berlin, dessen Unternehmen unterschiedliche Smartphone-Halterungen für den Fahrradlenker anbietet.
„Jemanden auf dem Gepäckträger mitnehmen ist okay“
Stimmt nicht. Lediglich Kinder bis zum siebten Lebensjahr dürfen in einem passenden Sitz auf dem Gepäckträger mitgenommen werden. Alles darüber hinaus ist nicht erlaubt. So wird zumindest das Gesetz ausgelegt – das steht jedoch aktuell zur Diskussion. Der Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) setzt sich dafür ein, dass §21 Abs. 3 StVZO dahingehend überarbeitet wird, dass sich das Beförderungsverbot einzig auf einsitzige Fahrräder bezieht. Ist das Fahrrad hingegen für die Mitnahme von weiteren Personen konzipiert und eine Sitzmöglichkeit vorhanden, sollen auch weitere Personen transportiert werden dürfen. Ein Beispiel ist das „Multicharger“ von Riese & Müller (ab 3.799 Euro), das über einen verlängerten Gepäckträger verfügt, der eine Zuladung von 60 Kilogramm ermöglicht. Durch spezielle Fußrasten sowie einen besonderen Griff kann auch eine weitere Person auf dem Midtail-E-Bike mitgenommen werden. pd-f
Add a Comment