Dolby Atmos

Dolby Atmos im Auto: Das Klangwunder?

Beim (Auto-)HiFi geht es im nächsten Schritt nicht um Wattzahlen. Dolby Atmos soll den Klang revolutionieren.

Dave McKendry ist ganz ehrlich: „Bei meiner ersten Begegnung mit der neuen Technik hier im MSM-Studio habe ich überhaupt nicht erfasst, was daran so besonders sein soll.“ Der Gitarrist, Singer und Songwriter hatte vor einigen Jahren eine mit vielen Tonspuren eingespielte Aufnahme seiner Musik mit in das Kellerstudio in Schwabing gebracht – und das Team der Toningenieure haben daraufhin die Tonspuren sozusagen neu konstruiert. „Da musste ich ganz neu hinhören“, schwärmt McKendry heute. Und dieses Eintauchen in den neuen Sound seiner Musik begeistert den Mann aus Belfast seither jeden Tag.

Stefan Bock hat dem irischen Berufsmusiker die Augen geöffnet – oder vielmehr: die Ohren. Denn der Besitzer des Münchener Tonstudios MSM hat wie kaum ein Zweiter in Deutschland tiefe Erfahrungen bei der Verwandlung von Musik-Dateien in das Abspielformat Atmos der US-Firma Dolby. Und der Toningenieur ist sich sicher, dass er mit den Möglichkeiten der Technik Hunderte Millionen Menschen begeistern wird. „Vor allem für das Hörerlebnis im Auto ist Dolby Atmos wie geschaffen“, sagt der Experte.

Das ist auch gleich vor der Haustür erfahrbar – im wörtlichen Sinne: Dort steht eine Mercedes S-Klasse bereit, in der das beste Soundsystem für dieses Fahrzeug eingebaut ist: eine Burmester-Anlage mit 1.750 Watt und 31 Lautsprechern, vom Subwoofer im Kofferraum über die Lautsprecher in Kopfhöhe bis zu der Beschallung von der Decke. Aber die Masse macht es nicht, das besondere Hörerlebnis.

„Für das Auto wie geschaffen“

Dolby Atmos
Toningenieur Stefan Bock ist begeistert von den 3D-Möglichkeiten im Fahrzeug. Fotos: Mercedes-Benz

Viele Lautsprecher sind natürlich hilfreich, um die Töne, Worte oder Geräusche besonders lebensecht aus allen Ecken kommen zu lassen. Doch Bock erklärt den anderen Ansatz des Dolby-Verfahrens, das ursprünglich für Hightech-Kinosäle entwickelt wurde: „Diese Technologie schafft ein immersives und besonders realistisches Klangerlebnis, das den Zuhörer tiefer ins Geschehen eintauchen lässt.“ Das geschieht dadurch, dass die Klänge nicht wie bei herkömmlichen Surroundsystemen festen Kanälen zugewiesen sind, mit denen sie dann einen räumlichen Eindruck imitieren. Bei Dolby Atmos ist der Ton nicht nur auf die Verteilung zwischen Hoch-, Tief- und Mitteltönern oder Subwoofer beschränkt. Stattdessen ist es, als würde jeder Ton zu einem eigenen Objekt, das sich frei in einem virtuellen Raum bewegen kann. Die MSM-Tontechniker können dann diese Objekte frei in einem dreidimensionalen Raum anordnen, statt sie einfach einzelnen Lautsprechern zuzuweisen.

Diese Unabhängigkeit von physischen Lautsprechern bedeutet, dass sich das Audioerlebnis individuell anpassen lässt – für jeden einzelnen Platz im Auto. Dolby Atmos arbeitet dazu mit sogenannten Klangobjekten, die auf dem Computerbildschirm im Tonstudio zu sehen sind. Bis zu 118 solcher Soundobjekte können gleichzeitig in einem virtuellen Raum platziert werden. Der revolutionäre Vorteil für den Hörer zeigt sich etwa bei einer Neubearbeitung von Michael Jacksons Hit „Thriller“ – der mit dem berühmten knarzend öffnenden Sargdeckel zu Beginn. Das Geräusch kommt für alle Passagiere auf ihren Sitzen stets von rechts tief unten, gefolgt von polternden Schritten, die sich gruselig dem Zuhörer nähern. Im Mercedes übrigens sogar fühlbar. Denn die Limousine ist mit acht sogenannten „Excitern“ im Sitz ausgestattet: Körperschall-Wandler, die den wummernden Sound in taktvolle Vibrationen übersetzen. Der Zuhörer sitzt mitten im Geschehen, dank vier Dimensionen so eindrucksvoll wie nie zuvor spürbar.

Der Zuhörer sitzt mitten drin

Hinter der präzisen Klangortung und natürlichen Bewegung von Geräuschen steckt geballte Technologie. Im Studio mit seinen neun Lautsprechern in Kopfhöhe, einem Subwoofer und vier Lautsprechern, die von der Decke schallen, hört McKendry andächtig eine neue Abmischung der Tonspuren seiner Musik. Was da zu hören ist, kommt aus der Abmischung im Computer. „Aber es hört sich so als würde ich wieder direkt mit meiner Band auf der Bühne stehen“. Dolby Atmos lässt sich aber auch so abmischen, dass der Zuhörer wie beim klassischen Konzert in der Königsloge sitzen kann und von einer virtuellen Bühne beschallt wird. Je nach Wunsch des Künstlers oder Rechteinhabers.

Die neue Möglichkeit der Hörerfahrung ist aber nicht nur etwas für Bestens-Verdiener. Denn Atmos ist „praktisch ein Produktionsweg“, so Bock. Die Tonspuren werden in dem Format kodiert – und dann für alle möglichen Endgeräte wieder dekodiert. Dadurch kann auch ein gutes Ausgabegerät mit nur zwei Lautsprechern schon das neue 3D-Hören ermöglichen. Mercedes wird das Verfahren daher schon im kommenden Jahr per Update in viele Baureihen bringen können. Auch andere Hersteller ermöglichen dann das Abspielen von Atmos-Musik. Und weil große Streaming-Plattformen wie Apple-Music oder Audible ebenfalls immer mehr Angebote für Atmos bringen, hat Studio-Besitzer Bock reichlich zu tun: „Diese Angebote an Hunderte Millionen Nutzer etwa über Kopfhörer, Soundbars oder Auto-Hi-Fi-Systeme verhelfen dem Format zum Durchbruch“, ist sich der Experte sicher. Nicht nur die Tonspuren von McKendry werden dazu derzeit neu abgemischt. „Schon Ende der Sechziger haben ja etwa die Beatles oder Stones ihre Songs mit mehreren Spuren aufgenommen – da lässt sich theoretisch überall 3D-Klang erzeugen.“

Ob die Stars der vergangenen Jahrzehnte das aber auch so gewünscht hätten? Da hat Bock eine klare Meinung: „Musik wurde schon immer nach der Aufnahme abgemischt. Und mit Dolby Atmos geht es ja gerade nicht um Effekthascherei, sondern um echtes Hörerlebnis.“ Wenn die Menschen dafür still am idealen Platz sitzen, lässt sich das besonders beeindruckend erleben. Das Auto ist da einfach der ideale Konzertsaal. Peter Weißenberg/SP-X

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