Während elektrische Motorräder nicht so richtig in den Markt finden, klappt das bei E-Rollern schon besser. Warum?
Was im Automarkt funktioniert, lässt bei den Motorrädern noch auf sich warten: die Elektrifizierung. Eine Übergangstechnologie wie bei den Pkw mit den Plug-in-Hybriden kann es bei den Motorrädern freilich nicht geben; man ist also gezwungen, sich zu entscheiden. Aber es gibt auch nicht andere Hürden, die gegen den Kauf sprechen: Preis, Reichweite, Sound – für viele Biker sind das Killer-Kriterien. Und entsprechend übersichtlich sind die Zulassungszahlen bei den E-Motorrädern.
Über ein Jahrzehnt lang müht sich Zero, in Kalifornien beheimateter Hersteller von batterieelektrisch angetriebenen Motorrädern, mittlerweile, seine Absatzzahlen in Deutschland auszubauen. Der Erfolg ist noch immer überschaubar. Wies die Neuzulassungs-Statistik des Industrieverbandes Motorrad in Deutschland (IVM) Ende November 2016 immerhin 174 Zero-Neuzulassungen nach 98 im Vorjahr aus, so bilanziert der IVM für das jetzt zu Ende gehende Jahr bis Ende November knapp über 300 Einheiten. Damit blieben 2021 die Neuzulassungen auf Vorjahresniveau. Immerhin, möchte man sagen, denn der Motorradmarkt insgesamt büßte rund 7 Prozent Volumen ein. Man tritt momentan bei Zero also offensichtlich mehr oder minder auf der Stelle. Ganz im Gegensatz zu den E-Pkw, deren absolute wie relative Zahlen in diesem Jahr steil angestiegen sind.
Energica: Kaum sichtbar
Nun gibt es außer Zero auch noch andere Marken, die elektrisch angetriebene Motorräder offerieren. In erster Linie ist hier der norditalienische Hersteller Energica aus Modena zu nennen; drei leistungsstarke Modelle hat man im Programm, die supersportliche Ego, die nackte Eva und die retrogestylte EsseEsse9. Bis zu 110 kW/150 PS sind sie stark, bis zu 240 km/h ist die Ego schnell, in sagenhaften 2,6 Sekunden katapultiert der elektrische Donnerbolzen seinen Fahrer auf Tempo 100. Energica gibt an, dass die Reichweite über Land bis zu 198 Kilometer am Stück möglich macht und man am Schnelllader in 40 Minuten 80 Prozent der Batteriekapazität aufladen kann. Aber die drei Modelle leiden unter ihrem hohen Gewicht von rund 275 Kilogramm und unter dem hohen, wenn auch angesichts von Ausstattung und Hightech-Standard nicht unangemessenen Preis. Zwischen 25.000 und mehr als 30.000 Euro sind für eine Energica fällig. Damit sind die italienischen E-Motorräder nicht nur Nischenmodelle, sondern höchst exklusive Nischenfahrzeuge. Ihre Stückzahlen dürften auch nach fast zehn Jahren Marktpräsenz noch in ganz Europa mikroskopisch klein sein; genaue Zahlen sind nicht verfügbar.
Livewire: Keine Zahlen
Zu den Nischen-Bikes auf Elektrobasis zählt auch die Livewire; 2019 wurde dieses E-Motorrad als Harley-Davidson Livewire vorgestellt, Ende 2019 tröpfelten die ersten Fahrzeuge auf den deutschen Markt. Absatzzahlen hat der Hersteller bis heute keine genannt, vermutlich aus nachvollziehbaren Gründen. Kenner des Marktes vermuten, dass in den zwei Jahren, in denen das 78 kW/106 PS leistende und 251 Kilogramm wiegende Nakedbike nun käuflich erworben werden kann, keine 100 Stück auf deutsche Straßen gerollt sind. Immerhin: Harley-Davidson hat mit der Entwicklung und Präsentation der extrem fahraktiven Livewire Flagge gezeigt; ob sich die frühe Präsentation des Projektes auch irgendwann wirtschaftlich positiv niederschlägt, weiß heute niemand zu sagen.
BMW könnte, will aber nicht
Andere große Hersteller halten angesichts der mehr als schleppenden Marktnachfrage nach elektrisch angetriebenen Motorrädern mit ihren Entwicklungen hinter dem Berg; so steht BMW quasi „Gewehr bei Fuß“, wagt sich aber nicht aus der Deckung. Die Bayern verfügen über sämtliche Technologien, um ein leistungsstarkes E-Motorrad bauen zu können, doch haben die Marktforscher wieder und wieder abgewunken. „Wir sehen das derzeitige Potenzial elektrisch angetriebener Zweiräder im urbanen Raum, aber nicht im Bereich des herkömmlichen Einsatzes von Motorrädern“, heißt es aus München. Kein Wunder: Ziel von erlebnishungrigen Motorradfahrern sind nicht die Gewerbegebiete mit ladesäulenbestückten Aldi-Filialen, sondern bergige Ausflugsgebiete. Dort gibt es in der Regel bislang weder eine nennenswerte Ladeinfrastruktur noch wird es sie in baldiger Zukunft geben. Die oftmals zitierte „elektrische GS“ wird in diesem Jahrzehnt also kaum käuflich sein.
E-Roller: BMW hat vorgelegt
Anders ist die Situation bei batterieelektrischen Motorrollern. Bei der Moped-Klasse (Maximaltempo 45 km/h) ist die Ausrüstung mit E-Motor und Akku schon nahezu Standard; die Käufer haben längst realisiert, dass für Fahrten im 10- bis 20-Kilomter-Radius der elektrische Antrieb keinerlei Einschränkungen bedeutet. Primär sind es chinesische Produkte, die zu vergleichsweise günstigen Preisen ab 1.500 Euro im Handel angeboten werden, doch in jüngster Zeit wagen sich auch renommierte europäische Marken wie beispielsweise Husqvarna oder KTM aus der Deckung. Auch Vespa mit der Elettrica ist am Markt vertreten. Vorreiter bei den sogenannten Leichtkraftrollern war BMW gewesen; die Bayern brachten schon 2013 den C Evolution auf den Markt, der an die 120 km/h schnell war, rund 100 Kilometer Reichweite bot, aber auch 260 Kilogramm wog und mindestens 15.000 Euro kostete – ohne dass BMW damit so wirklich auf seine Kosten kam. Vor allem der Großraum Paris entwickelte sich zum Habitat des C Evolution. Die staugeplagten Hauptstädter Frankreichs, vor allem aber die dort oftmals mit leistungsstarken Rollern arbeitenden Lieferdienste haben den Nutzen von kräftigen E-Motorrollern als erste erkannt.
Bald kommt der CE 04
Den schweren, teuren C Evolution hat BMW mittlerweile ausgemustert; dieses Frühjahr folgt ihm der ab 11.990 Euro kostende CE 04 (Titelfoto) nach. 31 kW/42 PS Spitzenleistung katapultieren die mit 231 Kilogramm noch immer nicht leichte Fuhre in 2,6 Sekunden auf Tempo 50. Abgeregelt wird zur Reichweitenmaximierung (130 km) bei Tempo 120. Während diese Version des CE 04 mit 15 kW/20 PS Dauerleistung als Kraftroller den Führerschein A2 erfordert, darf die auf eine Dauerleistung von 11 kW/15 PS reduzierte Variante mit dem A1- Schein ab 16 Jahren und mit dem B196-Schein auch von Pkw-Fahrern bewegt werden; Drehmoment und Maximaltempo entsprechen den Werten des „größeren“ Bruders. Man darf davon ausgehen, dass BMW vom CE 04 weitaus höhere Stückzahlen produzieren und absetzen kann als vom vergleichsweise teuren und schweren Erstling C Evolution, lässt sich der CE 04 doch auch deutlich schneller laden: 45 Minuten sollen mit Hilfe des aufpreispflichtigen Schnellladers genügen, um den Stromvorrat von 20 auf 80 Prozent zu hieven. In der Summe seiner Eigenschaften dürfte der BMW CE 04 die Technologieführerschaft im Bereich der zweirädrigen elektrischen Urbanmobilität einnehmen.
Der Nutzen muss da sein
Die Situation der elektrisch angetriebenen Zweiräder ist realitätsgeprägt: Kunden kaufen kein Fahrzeug, das für ihre spezifischen Einsatzzwecke keinen Nutzen bringt. Wer ab und zu eine 300-Kilometer-Tagestour machen will, bleibt dem Verbrennungsmotor treu, der bekanntlich nie effizienter zu betreiben war als gegenwärtig. Auch emotional steht dem E-Antrieb beim Motorrad ein Hindernis im Weg: Nicht wenige Motorradfahrer fürchten den Tag, an dem sie dem Benzinmotor zwangsweise Adieu sagen müssen und entscheiden sich gerade deshalb ganz bewusst, noch so lange „lustvoll Benzin abzufackeln“, wie das nicht verboten ist. Ulf Böhringer/SP-X/Titelfoto: BMW
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