Das Elektroauto hat derzeit die Nase vorn. Auch die deutschen Hersteller setzen auf die batteriebetriebene Variante – sie gehen aber unterschiedliche Wege.
Das batteriebetriebene Elektroauto ist die (nähere) Zukunft, das mit Wasserstoff betriebene Auto Zukunftsmusik. Das ist derzeit die Ansicht der Chefetagen der deutschen Autohersteller, die sich nun auf eine gemeinsame Strategie geeinigt haben. Dennoch gibt es Unterschiede im Detail – ein Überblick.
VW: Voller Einsatz
Volkswagen setzt von allen am konsequentesten auf die E-Mobilität und investiert fast 30 Milliarden Euro in die neue Antriebstechnik. Bis 2030 sollen weltweit vier von zehn VW-Neuwagen mit Elektromotor vorfahren. Entsprechend massentauglich startet die Elektro-Offensive Ende des Jahres: Nicht mit einem Luxusmobil, sondern mit dem knapp 30.000 Euro teuren Kompaktauto ID.3, das in der Tradition von Käfer und Golf das künftige Volumenmodell der Marke werden soll.
Der Fünftürer steht auf einer speziell entwickelten E-Auto-Plattform, auf der schon bald weitere Modelle wie ein SUV und ein Bus folgen sollen. Für wirklich kleines Geld dürfte es die E-Mobile aus Norddeutschland aber nicht geben, auch wenn der Konzern bereit sein dürfte, zur Vermeidung von CO2-Strafen bei jedem verkauften Auto kräftig drauf zu zahlen.
BMW: Vorsprung eingebüßt
Mit dem Elektroautoi3 war BMW vor sechs Jahren noch Pionier, mittlerweile drohen die Münchner, eher in die Verfolgerrolle abzurutschen – auch wenn sie aktuell noch mit Abstand die meisten E-Autos aller deutschen Hersteller verkaufen, könnte die akute Neuheitenflaute den Vorsprung rasch schrumpfen lassen. Denn mit dem iX3 steht das nächste neue Modell wohl erst 2021 beim Händler.
Ab dann zumindest soll es schnell gehen, i4 und i5 sollen die Reihen auffüllen. Dazu kommt ein Nachfolger für den Plug-in-Hybrid-Sportwagen i8. Bis 2023 sollen insgesamt 25 elektrifizierte Modelle verfügbar werden, knapp die Hälfte könnten reine E-Mobile sein. Dazu kommt: Schon 2020 rollt eine elektrifizierte Variante des Kleinwagens Mini der auf die Straße.
Mercedes: Auf der Plattform des GLC
Als einziger deutscher Hersteller leistet sich Mercedes-Mutter Daimler mit Smart bald eine reine E-Auto-Marke. Der elektrische Fortwo leidet allerdings auch unter dem typischen Problemkomplex der E-Mobilität: geringe Reichweite und hohe Preise. Dessen eingedenk startete die Schwestermarke mit dem Stern ihre Elektro-Offensive zunächst mit dem stattlichen SUV EQC, wo der Aufpreis für die neue weniger auffällt als in bei einem Klein- oder Kompaktwagen. Die Stuttgarter nutzen dabei die Plattform des konventionellen SUV-Modells GLC, verzichten also auf eine spezielle E-Auto-Architektur – und damit auf mögliche Platz- und Verbrauchsvorteile. Das gilt auch für die kommenden Modelle, die auf der Technik von V-Klasse, GLA, E-Klasse und S-Klasse basieren werden.
Audi: Die Highend-Marke
Während die Volumenmarke VW die E-Mobilität in die breite Masse tragen will, setzt Premium-Schwester Audi auf Highend-Modelle. Im Fokus haben die Ingolstädter dabei den US-Hersteller Tesla. Dieser hatte die erfolgsverwöhnten Deutschen mit begehrenswerten E-Autos nachhaltig geschockt und zu späten Konkurrenzangeboten gezwungen. Bei Audi heißt dieses seit wenigen Monaten E-Tron und ist eine Art elektrifizierter Q5.
Richtig ernst machen die Ingolstädter erst Anfang 2021 mit dem E-Tron GT, einem gemeinsam mit Porsche entwickelten Elektro-Sportler, der auf einer komplett neuen Architektur sitzt und nicht nur gegenüber dem Tesla Model S wieder einen Vorsprung durch Technik herausfahren soll. Dazwischen füllen weitere auf E-Antrieb konvertierte Modelle wie ein E-Tron Sportback das Portfolio. Zudem schickt Audi 2021 ein Kompakt-SUV auf der Elektro-Plattform des VW-Konzerns ins Rennen, eine süddeutsche Interpretation des ID-SUV.
Porsche: Hochleistungsstromer Taycan
Ist der E-Motor der Tod des Sportwagens? Oder verspricht er vielmehr seine Wiedergeburt? Auch bei Porsche war man lange uneins, nun scheinen die Vorbehalte gegen die Technik aber überwunden: Mit dem Taycan soll Anfang 2020 ein Hochleistungs-Stromer an den Start gehen, der der Tradition der Marke Ehre macht. Zu seinen technischen Prunkstücken zählt aber nicht nur die Fahrdynamik, sondern eine besonders schnelle Ladetechnik, die Tankstopps auf Minuten beschränkt.
Zur Seite gestellt bekommt die viertürige Limousine später noch einen Crossover namens Cross Turismo, der auf SUV-Elemente setzt und vor allem mehr Platz bietet als der flachere Taycan. Was die Modelle kosten ist zwar noch unklar, billig dürften sie jedoch nicht werden. Allerdings gilt das für alle Porsche-Autos und war bislang kein Erfolgshindernis. Von den deutschen Premiumherstellern dürften die Zuffenhausener daher das geringste Problem mit den hohen Aufpreisen für E-Mobile haben.
Opel: Zweiter Anlauf unter PSA-Dach
Bei einem Blitz im Markenlogo liegt das Thema Elektromobilität für Opel eigentlich nahe. Dass es mit der Antriebstechnologie in Rüsselsheim bislang nicht geklappt hat, liegt nicht zuletzt am langjährigen Mutterkonzern General Motors, dessen Stromer in erster Linie für den Heimatmarkt und nicht für europäische Bedürfnisse entwickelt wurden.
So gesehen könnte der zweite Stromer-Anlauf unter PSA-Dach besser laufen: Opel nutzt für den Anfang 2020 startenden Corsa E die Plattform und Antriebstechnik Peugeot e-208, ein Auto nach ganz und gar europäischem Zuschnitt. Sicher ein Vorteil. Zum Risiko könnte werden, dass der E-Kleinwagen auf einem konventionellen Modell aufbaut und gewissen Vorteile der alternativen Antriebstechnik nicht einstreichen kann. Wie schwer das – vor allem im Wettbewerb mit dem VW ID – wiegt, dürfte nicht zuletzt eine Preisfrage und eine Frage von Verfügbarkeit werden.
Ford: Unübersehbare Lücke
Unter den großen Autokonzernen ist Ford wohl der Klassen-Schwächste in Sachen E-Mobilität. Zwar hat das US-Unternehmen mit seinem starken Kölner Arm mittlerweile einige Plug-in- und Mild-Hybride zumindest angekündigt, bei rein elektrischen Pkw klafft aber weiterhin eine unübersehbare Lücke. Wie die angekündigte Modelloffensive mit 16 elektrifizierten Autos bis 2022 aussehen soll, ist weitgehend unklar. Versprochen ist immerhin ein Hochleistungs-SUV mit E-Antrieb, das 2020 starten soll. Ein Volumenmodell nach Corsa E oder ID-Strickmuster scheint zunächst nicht zu kommen.
Gemeinsame Initiativen
Auch wenn die deutschen Marken modellpolitisch eigene Wege gehen, müssen sie doch zusammenarbeiten. Denn ohne ein enges Netz an öffentlichen Ladesäulen dürfte die E-Offensive schnell verpuffen. BMW, Daimler und der VW-Konzern haben sich daher bereits Ende 2017 zum Charging-Joint-Venture Ionity zusammengeschlossen. Das Unternehmen soll europaweit Ladestationen für Elektroautos hochziehen, um die Stromer uneingeschränkt langstreckentauglich zu machen. Ende 2020 soll an 400 Standorten schnelles oder ultraschnelles Laden möglich sein.
Ob die E-Auto-Pläne der deutschen Hersteller aufgehen, wird sich jedoch erst ab 2021 zeigen. Dann nämlich werden in der EU CO2-Strafzahlungen akut, die die Hersteller Milliarden kosten könnten. Neben der wachsenden Bedeutung der E-Mobilität in China und den Problemen im Zuge der Abgaskrise waren die drohenden Sanktionen wohl der Hauptgrund, dass die deutschen Hersteller – spät, aber immerhin doch noch – ihre Liebe zum Stromauto entdeckten. Holger Holzer/SP-X/Foto: VW
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