Der EU-Data Act soll 2025 den Zugang von Daten zum Auto für Dritte öffnen. Und dann ist da noch der virtuelle Autoschlüssel.
Als Frank Sommerfelds Schwester ihr erstes Auto kaufte, hat sie den großen Bruder um Hilfe gebeten: Der heutige Vorstandschef der Allianz Versicherung gibt beim alljährlichen „Autotag“ des Unternehmens zwar zu, dass „ich wenig Ahnung von Autotechnik hatte“. Der Blick unter die Haube des betagten Ford Fiesta habe aber immerhin gezeigt: „Motor ist da – und nicht alles voll schmierigem Altöl.“ Und vor allem der Kilometerstand auf dem mechanischen Tacho, der war auch akzeptabel. Also hat Sommerfeld sein Okay gegeben.
Heute ist solche Einschätzung weit schwerer, vor allem bei Elektroautos, so Sommerfeld: „Unter der Haube gibt es ja oft gar nichts mehr zu sehen. Und die wertvollste Information ist ganz unzugänglich.“ Das sei nämlich nicht mehr die Kilometeranzeige, sondern der Zustand der Batterie. Und über deren Fitness nach einigen Jahren weiß bisher meist allein der Hersteller Bescheid – und behält das bisher meist für sich.
EU Data Act: Zugang zu den Daten für Dritte
Sommerfeld hofft darum auf den neuen EU Data Act. Die gesetzliche Regelung der Europäischen Union soll ab 2025 prinzipiell den Zugang zu allen Daten im Auto für Dritte öffnen. Dann könnte per Ferndiagnose etwa ein Versicherer seinen Kunden warnen, wenn die Batteriedaten lebensgefährliche Brandgefahr aufzeigen. Und bei einem Unfall ließe sich sehr schnell erfassen, ob und wie schwer auch der Akku beschädigt ist. Reparaturfähig oder Schrott? Der Kunde und ein möglicher Gebrauchtwagenkäufer wüssten schnell Bescheid.
Die neue Datenfreiheit soll aber noch ganz andere Möglichkeiten eröffnen: „Wir könnten individuell maßgeschneiderte Tarife anbieten, bei den umsichtige Autofahrer niedrigere Tarife zahlen müssen“, so Sommerfeld. Denn der Bordcomputer eines modernen Autos erfasst ja längst auch, wie schnell ein Mensch in enge Kurven fährt, ob er die Geschwindigkeitsbeschränkungen einhält, wann und wie sanft er vor der Ampel bremst oder ob er brav die Spur hält. Bei Fahranfängertarifen hat die Allianz bereits ein solches Telematikprodukt am Start. Gemessen wird das Fahrverhalten dabei über das Smartphone. Lammfromme Jungfahrer müssen nun nicht mehr darunter leiden, dass sie statistisch in eine Risiko-Gruppe mit „testosterongeladenen jungen Rasern gepackt werden”, so Sommerfeld. Das brave Fahrverhalten kann so bis zu 30 Prozent der Versicherungskosten sparen. Wenn die vollen Daten direkt aus den Fahrzeugen zur Verfügung stünden, wäre noch mehr drin.
Angst vor Datenmissbrauch
Allerdings befürchtet jeder zweite Autofahrer Datenmissbrauch, groß ist die Furcht vor Hacking-Angriffen, Datendiebstahl und Datenmissbrauch durch Unbefugte. Viele bezweifeln zudem, dass die Daten im Fahrzeug nur anlassbezogen genutzt werden. Mehr als 70 Prozent der Befragten in einer repräsentativen europaweiten Umfrage der Allianz wollen darum etwa informiert werden, wenn Telefondaten gespeichert werden – und drei Viertel verlangen einfache und klare Löschprozeduren. Nur dann sollen die Firmen ran an ihre Daten dürfen.
Manchmal hat der Mensch hinter dem Steuer aber gar nicht die Hoheit über seine Fahrdaten. Denn der EU Data Act gewährt die ausdrücklich dem „Nutzer“ des Gerätes – und das ist eben der, der das Fahrzeug rechtmäßig besitzt. Das ist aber oft eine Leasinggesellschaft. Die hat sicher ganz eigene Interessen daran, zu erfahren, was der Kunde alles mit dem geliehenen Auto treibt. Da kann die Datenhoheit bei der Rückgabe ein teures Gut werden.
Problem: Der virtuelle Schlüssel
Auch die Allianz sieht übrigens die neue Welt des digital vernetzten Autofahrens nicht ausschließlich rosig. Kopfzerbrechen macht dem Versicherer derzeit etwa der Trend zum virtuellen Autoschlüssel, der per Auto-App Zugang zum Fahrzeug bringt. „Wir erwarten, dass zukünftig alle Fahrzeuge mit virtuellen Schlüsseln verkauft werden“, sagte Lucie Bakker, Vorständin Schaden bei der Allianz. Das sei zwar komfortabel, berge aber auch Risiken. Wird beispielsweise das Fahrzeug einer Werkstatt zur Reparatur oder Inspektion übergeben, muss dem Werkstattpersonal zur Nutzung des Fahrzeugs ein zusätzlicher Schlüssel in der App generiert und digital zur Verfügung gestellt werden. Was passiert aber mit diesem Schlüssel nach Abschluss der Reparatur? Bei einigen Herstellern ist dieser Schlüssel zeitlich beschränkt gültig, bei anderen muss er aktiv gelöscht werden. Und bei manchen kennt selbst Europas größter Versicherer die Regeln nicht.
Wie viele Schlüssel gibt es?
Schwierig wird´s auch, wenn der Besitzer gar nicht mehr weiß, wie viele Schlüssel es gibt. „Der Halter des Fahrzeugs sollte jederzeit wissen, wie viele Autoschlüssel generiert wurden und wie viele davon noch aktiv sind”, so die Fachleute. Das sei nicht nur wichtig beim Verkauf des Autos, sondern auch im Versicherungsfall, beispielsweise nach einem Diebstahl. Und davon gibt es jährlich immer noch rund 12.000 allein in Deutschland.
In der guten alten Autoschlüsselwelt reicht der Kunde für die Regulierung den vollständigen Schlüsselsatz bei der Versicherung ein – meist zwei ganz normale. Beim virtuellen Fahrzeugschlüssel müsste er dazu eigentlich sein Smartphone aushändigen und angeben, ob es beim Klau weitere virtuelle Fahrberechtigungen gab. Das ist eine ganz neue Hürde, die den Schadenersatz mächtig komplizieren könne, so Bakker.
Es entstehen neue Hürden
Die Experten fordern darum, dass der Schlüssel-Code zum Beispiel nicht kopierbar sein dürfe, bei Weitergabe müsse ein neuer individueller Schlüssel generiert werden – und der Kunde sollte bei einem Totaldiebstahl sofort alle virtuellen Schlüssel nachweisbar zurückziehen können. Da gibt es wohl auch nach dem Start des Data Act noch einige Schlüsselfragen zur Datensicherheit. SP-X
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