Weil er alte Citroëns liebt, hat Karosseriebauer Caselani Legenden wie die Fourgonnette in die Neuzeit geholt – und mittlerweile richtig gut zu tun.
Eigentlich wollte Fabrizio Caselani nur mal wieder ordentlich in Urlaub fahren. Doch daran war mit seinem Wohnmobil nicht zu denken. Denn so viel Charme und Charakter der Eigenausbau auch haben mag, so langsam kommt man damit voran. Und sonderlich zuverlässig ist der Kastenwagen auch nicht mehr. Schließlich ist Caselani trotz seines italienischen Passes ein Freund des französischen Automobilbaus und vor allem ein leidenschaftlicher Citroën-Fan.
Deshalb kam für seinen Camper kein anderer Kastenwagen in Frage als der Type H. Nur dass der erstens schon seit über 40 Jahren nicht mehr gebaut wird und zweitens selbst zum Schluss seiner über 30 Dienstjahre nicht mehr als 57 PS Leistung hatte. „Große Sprünge sind damit nicht zu machen und für den Weg in den Urlaub braucht man mehr Zeit, als ein Unternehmer für gewöhnlich hat“, sagt Caselanis Freund und Mitarbeiter David Obendorfer und erinnert sich kopfschüttelnd an jenen Moment, als die beiden auf die Idee kamen, den wegen seiner geriffelten Karosserie auch als „Wellblechgarage“ geschmähten Transporter für den nächsten Urlaub kurzerhand auf Basis eines neuen Jumper nachzubauen.
Den Type H für den Urlaub aufbauen
Mit Wellen kennen sich Caselani und Obendorfer schließlich aus, allerdings weniger im Blech als auf dem Wasser. Denn eigentlich lebt Caselanis Firma in Cremona, eine Stunde südlich von Mailand, vom Bootsbau – fertigt Rümpfe für Yachten und hilft den großen Werften an den norditalienischen Seen bei der Produktion ihrer Prototypen. Weil in den einsamen Hallen weitab von jedem Wasser deshalb alles gibt, was man zum Laminieren von Glasfaserverstärktem Kunststoff braucht, für den Bau von Formen, für das Drucken von 3D-Modellen und für das Fräsen neuer Zierteile, stand dem Projekt nichts im Wege.
Doch dummerweise hat Caselani die Rechnung ohne die Sozialen Medien gemacht. Denn kaum hatte er die ersten Fotos seines neuen Wohnmobils gepostet, wollten auch andere Fans und Follower so einen Umbau, erzählt Obendorfer, weshalb aus der Schnapsidee plötzlich ein Geschäftsmodell geworden ist und zwischen den Schiffsrümpfen immer öfter Kleintransporter in den Hallen parkten.
Und dann kam Citroën…
Und irgendwann ist auch Citroën auf uns aufmerksam geworden, erzählt der Designer. „Natürlich waren die nicht so ganz begeistert, dass wir ungefragt eine ihrer Ikonen angefasst haben“, räumt er ein. Doch während andere Großkonzerne wahrscheinlich spaßbefreit ein Heer von Anwälten auf den Weg gebracht hätten, sind die Franzosen dem Charme der Restomods erlegen und haben eine Kooperation angeboten.
Das ist jetzt gute fünf Jahre her und die Zusammenarbeit war mehr als fruchtbar. Denn mittlerweile haben die rund 30 Mitarbeiter bei Caselani nicht nur rund 500 Type H gebaut, die vor allem als frankophile Foodtrucks, als Lieferwagen oder bei Marktbeschickern zum Einsatz kommen. Seit 2000 ist auf Basis des Jumpy auch der Type HG entstanden, für den es zumindest einen Prototypen als historische Vorlage gibt.
Die Wellblechente
Und dann haben Caselani und Oberndorfer irgendwann ihren bislang größten Coup ausgeheckt und die legendäre Fourgonnette auf Basis des 2CV ausgegraben. Bei uns bekannt als Kasten- oder Wellblechente, war sie über Jahrzehnte das Rückgrat im kleinteiligen Transportgeschäft unserer Nachbarn, hat Bauern den Weg zum Markt gewiesen, Bäckern die Baguettes ausgefahren und dem Handwerk einen goldenen Boden bereitet – und feiert jetzt als Restomod auf Basis des Berlingo ein Comeback.
„Wir sind sehr stolz darauf, dass unser Bestseller Berlingo von Caselani neu aufgelegt wurde, inspiriert vom legendären 2CV Fourgonnette, der sowohl in der Geschichte von Citroën als auch in der Automobilbranche seine Spuren hinterlassen hat“, gibt sich Citroën- Designchef Pierre Leclercq geschmeichelt. „In den Ateliers des Karosseriebauers Caselani wurde mit dem Design begonnen und wir haben dann Hand in Hand zusammengearbeitet. Unsere eigenen Designer haben die Arbeit genau im Auge behalten, um sicherzustellen, dass der ursprüngliche 2CV Fourgonnette nicht zu wörtlich interpretiert wird, das Ergebnis jedoch wirklich die DNA von Citroën in sich trägt.“
Offiziell in Deutschland zu haben
Mit dem Ergebnis sind die Franzosen offenbar so zufrieden, dass die Fourgonnette in Deutschland jetzt ganz offiziell zu Preisen ab 46.400 Euro in die Verkaufslisten der Händler aufgenommen wurde. Für einen Aufpreis von knapp 20.000 Euro und zwei Wochen Geduld wird ein neuer oder auf Wunsch auch ein gebrauchter Berlingo als Kasten, Kombi oder Van dann in Italien mit einem Dutzend neuer Karosserieteile beplankt, bekommt eine schlanke Schnauze, die freistehenden Rundscheinwerfern aus dem Jeep Wrangler und charmante Rückleuchten im Retro-Look und wird so zum charmanten Hingucker, der einen aus der deutschen Provinz sofort in die Provence beamt.
Zwar haben sich Signore Caselani und sein Designchef redlich Mühe gegeben mit dem Retro-Van und den Charme der Ente tatsächlich in die Neuzeit gerettet, selbst wenn der Fourgonnette ein bisschen Vintage-Chic auch im Innenraum gut zu Gesicht gestanden hätte. Und dass die Neuinterpretation jetzt nicht mehr schnattert, ist wahrscheinlich sogar ein Segen. Von den vergleichsweise alltagstauglichen Fahrleistungen, mit für Enten schier unvorstellbaren 135 km/h Spitze und einer Reichweite von bis zu 285 Kilometern selbst beim Elektromodell einmal ganz abgesehen. Schließlich musste dem Original ein asthmatischer Zweizylinder mit anfangs neun und später zwölf PS genügen.
Kein Wellblech, sondern Kunststoff
Doch an einem Punkt haben die Italiener gemogelt und sich weiter vom Original entfernt, als vielen lieb sein dürfte: Was nach Wellblech aussieht, ist nichts anderes als Kunststoff. Aber auch diesem freizügigen Kunstgriff können sie bei Caselani durchaus etwas abgewinnen: Während die meisten der knapp 1,3 Millionen von 1951 bis 1978 gebauten Originale mittlerweile von Rost zerfressen sein dürften, hat das neue Modell buchstäblich eine Dauerwelle: An der Wellblechente aus Plastik jedenfalls beißt sich die Zeit die Zähne aus.
Zwar kam der Segen aus Paris für Caselani und Obendorfer einem Ritterschlag gleich und seit ihre Modelle offiziell über das Citroen-Netz vertrieben werden, brummt der Laden erst recht. „Mittlerweile ist der Auftragsbestand so groß, dass wir neue Kunden um ein paar Wochen Geduld bitten müssen“, räumt der Designchef ein. Doch hat die Sache für den Firmenchef auch einen Haken. Egal ob mit seinem klapprigen Type H oder dem modernen Nachbau ist für ihn an ausgedehnte Reisen im Wohnmobil derzeit nicht zu denken. Benjamin Bessinger
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