Mit seinen Kulleraugen ist der GWM Ora 03 ein Hingucker. Er macht so einiges richtig gut, das DC-Laden aber geht zu langsam. Fahrbericht.
Der chinesische Hersteller Great Wall Motor, kurz GWM, ist seit etwa einem Jahr auf dem deutschen Markt vertreten. Und zwar mit zwei Marken: Ora und Wey. Aufmerksamkeit bekam er vor allem durch das erste Ora-Modell, das zunächst Funky Cat hieß, vor kurzem aber in 03 umgetauft wurde. Ein Hingucker ist der 03 aber auch durch sein eigenständiges Design mit runden Kulleraugen und dem Entenbürzel-Heck.
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Dabei ist der 03 nicht unbedingt ein typischer Kleinwagen mit kleiner Batterie und überschaubarer Reichweite; er kann als 400 Pro auch mit einem 63 kWh (59,2 kWh netto) großen Akku und einer WLTP-Reichweite von 420 Kilometern geordert werden. Diese Kilometerleistung zu erreichen war zu dieser Jahreszeit allerdings nicht möglich. Nach dem Vollladen auf 100 Prozent zeigte der Bordcomputer maximal 343 Kilometer an. Immerhin: Auf die Reichweiteangaben des Bordcomputers kann man sich verlassen.
Für Interessenten von Kleinwagen geht es immer auch um den Preis. Die Preispalette startet beim Basismodell namens 300, das es nur mit kleinem Akku für 38.990 Euro inklusive Mehrwertsteuer gibt. Erst „400 Pro“ (44.490 Euro) kommt mit dem größeren Akku, aber ohne Wärmepumpe, die dann 900 Euro kostet. Unser Testwagen, 400 Pro+, schlägt mit 47.490 Euro zu Buche. Das ist eine Menge Geld für einen Kleinwagen, auch wenn er top ausgestattet ist. Zum Vergleich: Das Tesla Model 3 steht momentan ab 42.990 Euro im Konfigurator (Long Range 51.990).
Ora 03: Viel Luxus im Kleinwagen
Dafür bietet der GMW Ora 03 einiges, was man von Kleinwagen nicht gewohnt ist. Der Innenraum wirkt hochwertig ausstaffiert; das Armaturenbrett ist mit Stoff/Leder überzogen, die Sitze wirken ebenfalls hochwertig und fahren beim Aussteigen zurück. Auch die Heckklappe öffnet sich elektrisch. Fast alles ist also an Bord, was man auch aus höheren Klassen kennt – bis auf ein Head-up-Display. Das ist nicht erhältlich.
Und natürlich gibt es einen elektronischen Begleiter, bei Ora heißt er Charly. Dieser wird dargestellt als kleine weiße Figur auf dem mittleren Display, verstellt auf Wunsch die Heizung, öffnet den Kofferraum oder das Schiebedach und informiert über das Wetter und mehr. Er gibt aber auch Warnungen von sich, etwa wenn man die zulässige Geschwindigkeit überschreitet, unaufmerksam ist oder (nach seiner Ansicht) zu spät bremst. Uns hat sich noch nicht erschlossen, nach welchen Kriterien Charly sich berufen fühlt zu warnen, denn er meldet sich nicht bei jeder „Verfehlung“. Auf jeden Fall mag Charly keine flotten Fahrten, denn ab 120 km/h wechselt ein Teil des Fahrerdisplays von Grün auf Rot, und Charly warnt vor zu hoher Geschwindigkeit. Naja, ein wenig Selbständigkeit sollte man dem Fahrer schon noch zugestehen – 120 km/h ist ja nicht soo schnell.
Die gute Nachricht ist aber: Man kann die Assistenzarmada recht einfach abschalten. Dann meldet sich auch der Aufmerksamkeitswarner nicht mehr. Allerdings ist dies bei jedem Neustart vonnöten – und auch das kann auf Dauer nerven. Auch muss man das Radio nach jedem Start neu einschalten, was übrigens nicht nur beim Ora so ist, sondern uns auch bereits beim Nio EL7 und dem Aiways U6 aufgefallen ist.
Das DC-Laden könnte schneller gehen
Alles in allem ist man nach jedem Losfahren erst einmal damit beschäftigt, sich das Auto so einzurichten wie man es mag. Das geht über die winzigen Tasten auf dem Display oder per „Hey Charlie“ und einem Befehl. Die Kopplung des Handys erwies sich als problemlos, über Bluetooth lassen sich kabellos Audiodateien abspielen. Eine Ladeplanung für längere Strecken gibt es nicht.
Womit wir beim Kapitel Laden wären. Während der GMW Ora 03 an AC-Säulen mit 11 kW zapft, dauert das Laden an DC-Säulen sehr lang. GWM gibt die Spitzen-Ladeleistung mit 67 kW an, was sich beim Test in etwa bestätigte. Der Ora legte mit (vorgewärmtem) Akku mit 60 kW nach einer Minute flott los und pegelte sich fortan bei um die 50 kW ein (siehe Chart). Das ist nicht viel, aber ein Wert, der zu erwarten war. Letztlich dauerte der Ladevorgang von 15 auf 80 Prozent SoC lange 54 Minuten; nach 30 Minuten Ladezeit hatte der Ora 55 Prozent SoC erreicht. In dieser Zeitspanne hatte er etwa 120 Kilometer nachgeladen. Der Durchschnitt lag bei 44 kW. Damit qualifiziert sich der Ora 03 nur bedingt als Reiseauto.
Und dann ist da noch der (Winter-)Verbrauch. Die Werte sind freilich mit Vorsicht zu genießen, da wir meist bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt unterwegs waren. Auf der Testrunde bei etwas wärmeren Temperaturen kamen wir laut Bordcomputer auf 19,1 kWh je 100 Kilometern. Insgesamt kamen wir nach knapp 400 gefahrenen Kilometern auf einen Durchschnittswert von 24,1 kWh je 100 Kilometer – inklusive Ladeverlusten wohlgemerkt. Ohne Ladeverluste bewegten wir uns zwischen 21 und 22 kWh je 100 Kilometer. Im Sommer lässt er sich sicherlich unter 20 kWh je 100 Kilometer fahren.
Fazit: GWM macht so einiges anders, indem das Unternehmen den Kleinwagen mit Wertigkeit und einem gewissen Luxus ausstattet. Zudem mag der Ora 03 mit seinem Design punkten, immerhin hat man im vergangenen Jahr 4.660 Fahrzeuge abgesetzt. Das lässt man sich aber auch bezahlen. Die Ladeleistung am Schnelllader sollte man auf jeden Fall verbessern.
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GWM Ora 03 – Technische Daten:
Fünftüriger Elektro-Kleinwagen mit Frontantrieb; Länge: 4,23 Meter, Breite: 1,82 Meter, Höhe: 1,60 Meter, Radstand: 2,65 Meter, Leergewicht 1.615 – 1.655 Kilogramm, Kofferraumvolumen: 228 bis 858 Liter, Anhängelast: keine, kein Frunk.
Permanenterregter Synchronmotor mit 126 kW/171 PS, maximales Drehmoment 250 Nm, Automatikgetriebe, Lithium-Ionen Batterie mit 63 kWh., nutzbar 59,3 kWh, 0-100 km/h: 8,2 s, Vmax: 160 km/h, max. Reichweite 420 km (WLTP, kombiniert).
Messwerte: Max. Ladeleistung 11 kW AC, 60 kW DC, Ladeleistung (Durchschnitt) 44 kW, Ladezeit von 15 auf 80 % SoC: 54 Minuten.
Verbrauch: 16,0 bis 16,6 kWh (WLTP), Testverbrauch: 24,1 kWh (Winter) inkl. Ladeverlusten, Testrunde (100 km): 19,1 kWh.
Preis: ab 38.990 Euro, Testwagenpreis: 47.490 Euro.
Gute Ausstattung
Hohe Materialqualität
Gute Verarbeitung
Viele Assistenten
Relativ gutes Platzangebot
Schneller Rechner
Langsamer DC-Lader
Kein Frunk
Hohe Ladekante
Recht teuer
Sehr kleine Touchfelder
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