Wie kann es sein, dass sich jemand zum zweiten Mal ein Elektroauto kauft und dann auch noch mehr als 40.000 Euro dafür ausgibt?
Ist das eine Marotte, finanzielle Dekadenz oder politisches Sendungsbewusstsein? Nein, wenn auch die Sorge um die Umwelt eine Rolle spielt, so gibt es für mich auch andere Gründe, jetzt nach drei Jahren mit dem Nissan Leaf den Wechsel von der ersten Generation E-Auto auf die zweite zu gehen und auf den Hyundai Kona Elektro umzusteigen.
Elektrisch zu fahren, ist für mich das Sinnbild von Effektivität. Das liegt schlichtweg an der Technologie. Wenn deutlich mehr als 90 Prozent der Energie in Bewegung umgesetzt werden und Strom beim Fahren sogar zurückgewonnen wird, dann fasziniert mich das. Und noch viel mehr, darin zu sitzen, eine unglaubliche Kraft zu spüren, die sich zudem fast lautlos durch den Verkehr bewegt, diese Einfachheit, den Wagen mit meist nur einem Pedal zu bedienen und ihn zu Hause an einer schlichten Steckdose wieder aufladen zu können.
Die Power des E-Motors fasziniert
Ja, ich gestehe, auch die Power eines E-Motors fasziniert mich. Der Hyundai Kona Elektro bietet mit seinen 204 PS und 395 Newtonmetern (Nm) deutlich mehr Power, als man sie im Alltag benötigt. Das Grinsen beim Beschleunigen könnte also auch von den enormen G-Kräften stammen. Gleichwohl ist es nicht die Stärke eines Stromers, ein hohes Tempo über längere Zeit hinweg zu liefern. Immerhin, der Kona hat mit seiner Batteriekapazität von 64 kWh (große Batterie) eine ansehnliche Reichweite von 450 km, doch haben ihm seine Erfinder bei Tempo 167 den Saft abgedreht. Wer dieses Tempo dauerhaft fahren will, wird nach etwa zweieinhalb Stunden liegenbleiben.
Und doch gibt es bemerkenswerte Fortschritte in der zweiten Generation der Elektroautos. Die Alltagstauglichkeit profitiert von einer deutlich verbesserten Effizienz. Habe ich mich beim 30-kWh-Leaf noch über die viel zu optimistische Reichweitenangabe aufgeregt, so ist sie beim Kona auffällig präzise. Die Angabe der Restreichweite wackelt allenfalls, wenn es in die Berge geht. Dann schmilzt sie relativ schnell dahin – um aber dann beim Bergabfahren dank dreier unterschiedlicher Rekuperationsstufen exponentiell wieder anzusteigen.
Reichweitenängste? Nicht mehr
Mit dem Nissan Leaf musste ich meine Touren sorgfältig planen – reicht es ohne Nachladen, heute mal 80 km weiter als sonst zu fahren? Ist eine Ladestation in der Nähe? Schaffe ich die Strecke im Winter mit eingeschalteter Heizung und drei weiteren Personen im Auto? Zugegeben – den Kona habe ich in der kalten Jahreszeit noch nicht fahren können. Aber er vermittelt nicht das Gefühl von Energieknappheit. Ich muss nicht darum bangen, mein Ziel zu erreichen, wenn ich die 204 Pferdestärken mal kurz vom Zügel lasse.
Was letztlich auch ein wenig am geänderten Messverfahren – Wechsel vom Fahrzyklus NEFZ auf den realistischeren WLTP – liegen könnte. Der Verbrauch des Wagens bewegte sich bei sommerlichen Temperaturen zwischen 14,4 und 23,5 kWh auf 100 km, je nach Fahrweise und gewähltem Drive-Modus – Eco, Comfort oder Sport. Das entspricht umgerechnet nach reinem Heizwert von Diesel einem Verbrauch zwischen 1,5 und 2,4 Litern. Kosten pro 100 km bei einem Strompreis von etwa 0,29 Euro pro kWh: 3,50 Euro. So effizient ist Elektro.
Einladung zum Schweben
Und so anders zu fahren als ein Verbrenner. Der Hyundai Kona Elektro lädt bei moderatem Tempo fast zum Schweben ein – entspannt und bisweilen kaum spürbar, wäre da bei langsamem Fahren nicht dieser singende, sphärische Sound. Er soll Fußgänger warnen. Bei durchgedrücktem Strompedal reagiert der Wagen deutlich nervöser, weil an den angetriebenen Vorderrädern von Anfang ein Drehmoment von 395 Nm zerrt. Blitzstarts sind trotz Traktionskontrolle ohne durchdrehende Räder kaum zu schaffen. In 7,6 Sekunden ist der mehr als 1,7 Tonnen schwere Stromer aus dem Stand auf 100 km/h. Da staunt der Nebenmann an der Ampel schon mal.
So viel Power braucht Zeit zum Wiederaufladen. Die maximale Ladedauer beträgt an einer 4,6-kW-starken Wallbox mit Wechselstrom über ein Typ-2-Kabel beim großem Akku 9,4 Stunden. Wer aber hat schon so viel Leistung an einer simplen Haushaltssteckdose zur Verfügung? Da liegen meist nur 2,3 kW bei 10 Ampere an. Dann dauert es mehr als 30 Stunden, bis die leere 64 kWh-Batterie wieder voll ist. Zum Glück ist sie niemals ganz leer. Mit dem neuen Modelljahr 2020 bekommt der Kona immerhin einen 11 kW-Onboardlader für Wechselstrom.
Warum ich nie mehr als 80 Prozent lade
An einer Gleichstromladesäule saugt der Hyundai schon heute maximal 75 kWh, braucht dann etwa 50 Minuten zur Vollladung. Diese Möglichkeit nutze ich jetzt einmal in der Woche. Denn häufiger muss der Hyundai Kona Elektro bei meinem Fahrprofil selten an die Steckdose. Zudem lade ich ihn maximal bis 80 Prozent – was sich über den 8 Zoll großen Bildschirm der Steuerungseinheit regeln lässt. Experten empfehlen das, um die Batterie zu schonen, gleichwohl, sie auch nicht stärker als bis zu 20 Prozent Restenergie zu entladen. Hyundai gewährt immerhin acht Jahre oder 200.000 km Garantie auf den Akku.
Spannend könnte es werden, wenn die ersten Garantiefälle auftreten – welche Erfahrungswerte gibt es, wie lange halten die Akkus wirklich durch, wie viel verlieren sie an Kapazität, welche Austauschmöglichkeiten gibt es? Auf Antworten müssen wir noch warten, denn noch ist alles zu sehr Neuland. Wer sicher gehen will, least seinen Stromer. Ich habe mich diesmal für den Kauf entschieden. Weil ich glaube, dass die Nachfrage nach Elektroautos schon bald zunimmt, der Wiederverkaufswert dadurch gesichert ist. Schon jetzt ist die Nachfrage nach E-Autos groß – auf meinen Kona musste ich acht Monate warten. Andere warten sogar länger. Teslas Autos verlieren derzeit kaum an Wert. Und Volkswagen hat für seinen künftigen Stromer ID.3 bereits alle 30.000 Reservieungen eingefahren.
Jaja, der Preis…
Es fällt auf, dass sich Stromer äußerlich kaum mehr von Verbrennern unterscheiden. Den Kona weist als Elektroauto der fehlende Kühlergrill und die Bezeichnung „Electric“ am Heck aus – sonst unterscheidet ihn äußerlich nichts vom Benzinmodell. Preislich liegt von der günstigsten bis zur elektrischen Premium-Variante immerhin eine Differenz von knapp 28.000 Euro. Dafür bietet diese dann: Navigation inklusive Krell-Audiosystem, Fernlichtassistent, Tempolimitwarner, Verkehrsschild- und Müdigkeitserkennung, Notbrems- und Spurhalteassistent, Abstandsregeltempomat, Keyless-System, Rückfahrkamera mit Einparkhilfe vorne, Totwinkel-Assistent, Head-up-Display, elektrische Sitzverstellung, Sitzheizung und -kühler, LED-Scheinwerfer und einiges mehr. Dazu kommt der 4,180 m lange Hyundai mit frischen und frechen Farben daher.
Klingt alles zu positiv? Nein, negative Eigenschaften hat der Kona auch: Die Abrollgeräusche dringen bei hohem Tempo störend laut nach innen, die Bewegungsfreiheit im Fond ist für Passagiere recht beschränkt, das Kofferraumvolumen mit 323 Litern relativ gering, und eine App zur Fernabfrage oder -konfiguration kommt auch erst mit dem 2020er Modell. Eine Anhängelast ist fürs E-Modell gar nicht freigegeben, und einige im Innenraum verbaute Materialien muten etwas billig an. Der Kaufpreis von 45.600 Euro für die Premium-Version liegt recht hoch, mindestens 34.600 Euro sind es fürs kleinste E-Modell. Eine Allradvariante gibt es nicht.
Zu wenige Alternativen
Warum musste es ein Klein-SUV wie der Kona sein, mögen einige fragen? Ja, das Image der Benzin-Diesel-SUV ist miserabel, meiner Ansicht nach zu Recht, aber der Markt bietet derzeit nicht wirklich echte Alternativen an Elektrofahrzeugen. Das Konzept von Tesla gefällt mir, die Fahrzeuge sind mir aber viel zu teuer. Wie überhaupt E-Autos dringend günstiger werden müssen, sonst können sie den Massenmarkt nie erreichen. Ansonsten bleiben Sie das Privileg einiger weniger.
Bliebe noch die Frage: Warum überhaupt ein E-Auto? Weil es technisch dem Verbrennungsmotor überlegen ist, effizienter, weniger Teile hat, die gewartet werden müssen. Die bisherigen Wartungskosten für meinen Leaf lagen drei Viertel unter denen meines vorangegangenen Verbrenners. Und zur immer wieder aufgeworfenen Umweltfrage: Ob jetzt die Produktion des Elektroautos oder die des Verbrenners umweltbelastender ist – wäre eine Unterscheidung zielführend angesichts der grundsätzlichen Ausbeutung unseres Planeten?
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