Enzo Ferrari soll über den Jaguar E-Type von 1961 gesagt haben, er sei das schönste Auto, das bis dahin gebaut wurde. Wer wollte da widersprechen?
Der Jaguar E-Type zeigte vor genau 60 Jahren, über welche Attribute Pulsbeschleuniger verfügen müssen, die Automobil-Geschichte schreiben sollen: eine scheinbar endlos lange Motorhaube und muskulöse Kurven. Damit avancierte der E-Type zum Designvorbild für folgende Roadster und als Gran Turismo für Fastbacks.
Entwickelt worden war der E-Type unter Jaguar-Markengründer Sir William Lyons und Aerodynamik-Spezialist Malcolm Sayer, der die Formensprache der neuen Stilikone einer Legende zufolge auf Papierbögen in mysteriösen Zahlenreihen errechnete. Das Serienfahrzeug bot mit einem Cw-Wert von 0,44 zwar keine Stromliniensensation, aber Leistung fast im Überfluss. Mit einem 3,8-Liter-Sechszylinder entwickelte der Jaguar E-Type 195 kW/265 SAE-PS, die gut waren für 240 km/h. Zur Einordnung: Mit Standard-Übersetzung ermöglichten damals nicht einmal die doppelt so teuren Ferrari 250 GT oder Aston Martin DB4 mehr Vmax. So mutierte der Jaguar E-Type in 14-jähriger Produktionszeit mit einer Auflage von über 72.000 Einheiten zum bis dahin meistgebauten Supersportwagen, zuletzt übrigens sogar mit mächtigem 5,3-Liter-V12.
Ohne Warnung direkt ins Herz
Der Jaguar E-Type kam ohne Vorwarnung, und wer den rassigen Roadster oder das Coupé mit sonst für den Rennsport typischen großen Rädern inklusive markanter Zentralverschlüsse sah, wollte ihn besitzen. Dazu passte das von Enzo Ferrari kolportierte Verdikt, der E-Type sei das schönste jemals gebaute Auto. Menschen mit Benzin im Blut hofften zumindest auf eine Probefahrt mit dem Briten, der durch seinen ikonischen Typencode die Tradition der Motorsportboliden Jaguar C und D in die Zukunft führen sollte. Eigentlich aber beerbte der Jaguar E den Straßensportler XK 150, weshalb er in Nordamerika sogar als XK-E eingeführt wurde.
Auch Steve McQueen wollte ihn
Schon bei der Premiere in Genf zückten viele Enthusiasten ihre Scheckbücher. Jaguar-Chef William Lyons zeigte sich ob dieses Interessentenansturms geradezu überwältigt und beauftragte umgehend den legendären Testingenieur Norman Dewis, ein drittes Auto nach Genf zu holen. In einem tollkühnen 17-Stunden-Ritt durch Nacht und Nebel trieb Dewis den allerersten gebauten Roadster mit der Zulassung OTS 77 RW von Coventry an den Lac Leman, rechtzeitig für die dort wartende Weltpresse und Prominente wie den Filmstar Jacques Charrier und seine Ehefrau Brigitte Bardot. Ob Roy Orbison, Tony Curtis oder Steve McQueen, im E-Type wollte sich bald jeder zeigen.
Der amerikanische Einfluss
Die amerikanischen Kunden nahmen fast 75 Prozent der Produktion ab und beeinflussten die weitere Entwicklung des E-Type. So ergänzte 1966 ein den US-Geschmack treffendes, um 23 Zentimeter gestrecktes 2+2 Coupé das Angebot und 1967 fielen die schönen Augen der Katze neuen US-Gesetzen zum Opfer, die keine Glasabdeckungen erlaubten. Ende 1968 startete der E-Type mit Feinschliff als Series 2 in allen drei Karosserievarianten, bald jedoch kastrierten scharfe Abgasbestimmungen die für den US-Markt bestimmten Jaguar auf 138 kW/187 PS Leistung
und damit weniger als Corvette oder Ford Thunderbird bereitstellten. Deshalb präsentierte Jaguar-Chef Williams auf der New York Motor Show 1971 einen monumentalen 5,3-Liter-V12. Dies in der E-Type Serie III, die es nur noch als 2+2 Coupé und als Roadster gab. Mit Servolenkung und optionaler Automatik war der bis zu 232 kW/315 SAE-PS starke und verblüffend leise V12 ein Gentleman-Racer im Vergleich zu den härteren frühen E-Type.
Tod in der Ölkrise
Die Verkaufszahlen des Klassikers, der längst alle ursprünglichen Konkurrenten überlebt hatte, beschleunigten noch einmal. Erst die Ölkrise von 1973/74 ließ den Absatz der durstigen Katzen mit dem scheinbar ewigen Leben endgültig abstürzen. So verabschiedete das Werk in Browns Lane seine Ikone mit einer schwarz lackierten Sonderserie. Nur der allerletzte E-Type rollte in der Farbe der Hoffnung „british racing green“ am 12. Februar 1975 vom Fließband, ehe das sanfte Sportcoupé Jaguar XJ-S die Nachfolge antrat. Wolfram Nickel/SP-X
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