Autojahr

Kia EV9: Von allem etwas mehr

Mit dem EV9 steigt Kia in neue Sphären auf. Das gilt sowohl für den Preis als auch die Abmessungen. Erste Fahreindrücke.

Mit dem EV9 bringt Kia nun sein neues Flaggschiff auf den Markt, das äußerlich die Form eines SUV besitzt, innen aber so viel Platz bietet, dass es auch mit einem großen Van konkurrieren kann. Doch dazu gleich mehr.

Der EV9 steht wie schon der EV6 auf der Elektrofahrzeugplattform (Electric Global Modular Platform/E-GMP) des Unternehmens. Die Plattform wurde allerdings auf die Dimensionen des mächtigen SUV angepasst. Mit einer Länge von 5,01 Metern, einer Breite von 2,06 Metern (inklusive Außenspiegel) und einer Höhe von 1,78 Metern inklusive Reling ist der EV9 schon eine eindrucksvolle Erscheinung. Die A-Säule steht sehr steil, das Dach zieht sich fast waagerecht nach hinten und die Radhäuser sind weit nach oben gezogen. Dazu kommen Alufelgen in der Größe zwischen 19 und 21 Zoll; der Wendekreis beträgt knapp 12,40 Meter.

Der Kia EV9 bietet jede Menge Platz

Wie erwähnt bietet der EV9 viel Platz. Er wird sowohl als Siebensitzer als auch in zwei unterschiedlichen Ausführungen mit sechs Plätzen angeboten. Der Platz im Innenraum ist in jeder Version überragend. Kopf-, Bein- und auch Schulterfreiheit sind geradezu üppig. Das gilt sogar für die dritte Reihe mit zwei Plätzen. Wer hier sitzt hat immer noch jede Menge Luft über dem Scheitel und kann auch die Beine noch relativ bequem abwinkeln. Armlehnen inklusive Flaschen- und Becherhaltern haben die Kia-Designer ebenfalls untergebracht.

Kia EV9
Der Kia EV9 kommt ab 72.490 Euro auf den Markt. Fotos: Kia

Beim Sechssitzer lassen sich die beiden Sessel in der zweiten Reihe entweder in eine Liegeposition fahren. Dabei sind die Kopfstützen so ausgelegt, dass sie guten Nacken- und Seitenhalt bieten. Die zweite Variante des Sechssitzers ist mit um 180 Grad drehbaren Sitzen in der zweiten Reihe ausgerüstet. Bei dieser Sitzanordnung dient die ausziehbare lange Ablage, die in die Mittelkonsole integriert ist, als Tisch zwischen den Reihen zwei und drei. Gleichwohl lässt sich der Nachwuchs sehr komfortabel in die Kindersitze heben, wenn das Gestühl um 90 Grad gedreht wird.

Ganz vorn hat Kia elektrisch einstellbare Entspannungssitze verbaut, die bei Park- oder Ladestopps in eine bequeme Liegeposition gefahren werden können, wobei auch die Beinauflage verlängert wird. Sowohl das Gestühl vorne als auch in der zweiten Reihe lässt sich beheizen und belüften. Luxus pur.

Drei Monitore in der Front des Kia EV9

Die großflächige Displayfront im Armaturenträger ist dreigeteilt. Die Fahrzeuginfos werden auf einem 12,3 Zoll großen Monitor angezeigt. Rechts daneben schließt sich direkt ein 5,3-Zoll-Display mit den Anzeigen für die Klimaanlage an. Dann kommt wieder ein 12,3 Zoll großer Infotainment- und Navigations-Bildschirm. Seine Hightech-Ambitionen stellt der koreanische Autobauer auch mit versteckten Direktwahltasten im Armaturenträger unter anderem für die Kartendarstellung, das Infotainmentsystem und die Home-Einstellung heraus. Erst wenn der Wagen in Betriebsbereitschaft ist tauchen die Symbole auf. Beim Berühren geben sie eine haptische Rückmeldung. Darunter ist die Tastatur für die Bedienung der Klimaautomatik angesiedelt. Und es gibt eine Walze, um die Lautstärke zu regeln. Dass es eine Fläche für das induktive Laden des Smartphones sowie mehrere USB-Anschlüsse geht, ist für den EV9 selbstverständlich.

Kia EV9
Vorne prägen drei Monitore die Armaturentafel.

Kia setzt auf Nachhaltigkeit

Bei den Materialien im Innenraum setzt Kia auf Nachhaltigkeit. So kommen beispielsweise recycelte Fischernetze für den Bodenbelag des Fahrzeugs zum Einsatz. Der Stoff der Sitze besteht aus veganem Lederersatz. Der EV9 ist das erste BEV von Kia, bei dem die dreistufige Strategie für Nachhaltigkeit angewendet wird. Was bedeutet: Jedes neue Modell muss mindestens zehn nachhaltige Elemente an Bord haben und es gilt der Einsatz von biobasierten Materialien wie Mais, Zuckerrohr und natürlichen Ölen.

Auch der Platz im Gepäckraum ist großzügig bemessen. Bei umgeklappter dritter Sitzreihe stehen 828 Liter zur Verfügung, werden auch die Lehnen in Reihe zwei umgelegt, wächst der Stauraum auf satte 2.393 Liter. Sind alle sieben beziehungsweise sechs Sitze besetzt, bleiben noch 333 Liter. Weiteren Stauraum bietet EV9 unter der vorderen Haube im so genannten Frunk. Bei der Version mit Heckantrieb hat er ein Volumen von bis zu 90 Litern, bei der Allradversion von 52 Litern. Außerdem ist der EV9 auch eine kraftvolle Zugmaschine. Das über beide Achsen angetriebene Kia-Flaggschiff wartet mit einer Anhängelast von 2,5 Tonnen auf. Beim Heckantrieb sind es 950 Kilogramm. Und die Stützlast liegt bei 125 Kilogramm. Drei E-Bikes lassen sich also transportieren.

Kia EV9
Die hinteren Sitze lassen sich drehen.

Verbaut im Kia EV9 ist immer der große Akku

Einerlei ob Heck- und Allradantrieb, generell verbaut Kia einen 99,8-kWh-Akku der neusten Batterie-Generation des koreanischen Konzerns. Beim Hecktriebler ist eine Permanentmagnet-Synchronmaschine mit 150 kW (203 PS) im Einsatz. Der Motortyp ist bei der Allradversion identisch. Front- und Heckmotor leisten hier jeweils maximal 141 kW (192 PS), was zu einer Gesamtleistung von 283 kW (384 PS) führt. Beim GT-Line wurde das maximale Gesamtdrehmoment von 600 auf 700 Newtonmeter erhöht.

Kia nennt für den EV9 mit Heckantrieb (Höchstgeschwindigkeit 185 km/h) einen WLTP-Verbrauch von 20,2 kWh auf 100 Kilometern und eine daraus resultierende Reichweite von bis zu 563 Kilometern. Für den AWD (Tempo 200 in der Spitze) sind es 22,3 kWh und eine Reichweite von 512 Kilometern. Alle Werte beruhen auf 19-Zoll-Rädern.

Eine erste Testrunde im Kia: 16,9 kWh Verbrauch

Wir waren mit einem sechssitzigen EV9 und Allradantrieb auf einer Strecke von etwa 150 Kilometern bei relativ warmen Temperaturen von um die 20 Grad sowie überwiegend im Modus Normal unterwegs. Enthalten waren ein kurzes Stück Autobahn mit Tempobegrenzung, bergige und kurvenreiche Landstraßenabschnitte mit maximal 80 Kilometern pro Stunde und viele Ortsdurchfahren, in denen Tempo 30 vorgeschrieben war. Anschließend zeigte der Bordcomputer einen Wert von 16,9 kWh an. Beim kurzfristigen Umschalten auf den Modus Sport – zudem gibt es Eco, eine Individualeinstellung und für den Allradler drei Offroad-Modi – zeigte sich der Kia EV9 bei ein paar sehr knackigen Sprinteinlagen von seiner sportlichen Seite. Doch auch im Normalbetrieb geht es kraftvoll voran.

Kia EV9
Im Fond gibt es viel Beinfreiheit.

Trotz seiner wuchtigen Größe und seines Gewichts von um die 2,5 Tonnen lässt sich das elektrisch angetriebene SUV überraschend leicht und locker über winklige Passagen steuern. Der Wagen liegt wirklich gut in der Hand, reagiert ziemlich exakt auf kleine Lenkbefehle und bleibt jederzeit in der vorgegebenen Spur. Wankbewegungen treten aufgrund des niedrigen Schwerpunkts so gut wie gar nicht auf. Auf der anderen Seite bietet der EV9 besten Fahrkomfort, selbst wenn es über wirklich schlechten Untergrund geht. Die Insassen bleiben von Stößen oder Schlägen verschont. An der Hinterachse ist beim Allradmodell eine hydraulische Niveauregulierung installiert, um die Stabilität im beladenen Zustand zu verbessern. Außerdem hat Kia dem EV9, der einen cW-Wert von 0,28 hat, mit seiner großen Seitenfläche eine Seitenwind-Stabilitätskontrolle (Crosswind Stability Control) spendiert.

Der Kia braucht 24 Minuten bis 80 Prozent

Wie schon der EV6, ist auch der große Bruder mit der 800-Volt-Ladetechnik ausgerüstet. Die ermöglich es laut Kia, den 99,8-kWh-Akku in 15 Minuten mit Energie für 249 Kilometer zu versorgen. So soll in etwa 15 Minuten Strom für eine Strecke von 239 Kilometern aufgenommen werden können. Von zehn auf 80 Prozent dauert es den Angaben zufolge an einer DC-Säule 24 Minuten. Geladen werden kann mit maximal 210 kWh, der On-Board-Lader leistet 11 kW. Mit dem EV9 führt Kia in Europa das vollautomatische Ladeverfahren Plug&Charge ein, das anschließend nach und nach auf die gesamte Kia-Elektroflotte ausgeweitet werden soll. Der Wagen kann mit kompatiblen Ladesäulen kommunizieren. Es wird dann weder eine Ladekarte noch sonst eine Identifizierung benötigt, um Strom zu beziehen. Die Ladekosten werden anschließend gemäß den Vertragsbedingungen über die monatliche Kia Charge-Rechnung abgerechnet.

Kia EV9
Auf einer ersten Testrunde gab sich der Kia EV9 genügsam.

Wer Bedarf hat kann den EV9 als Powerbank nutzen. Aufgrund der serienmäßigen „Vehicle-to-Load“-Funktion (V2L) dient der Akku als 220-Volt-Stromquelle (maximal 3,6 kW) entweder über einen Adapter am Ladeanschluss oder über die Steckdose im Gepäckraum. Damit lassen sich Haushaltsgeräte wie ein Fernseher oder eine Kaffeemaschine betreiben, aber auch die Akkus von E-Bikes laden. Über ein Ladekabel mit In-Kabel-Kontrollbox (ICCB) kann über die Wechselstrom-Steckdose sogar ein anderes Elektrofahrzeug aufgeladen werden. Dabei wird die Batterie des EV9 dadurch geschützt, dass dieses V2V-Laden (Vehicle-to-Vehicle) automatisch abgebrochen wird, wenn die Akkuladung unter 20 Prozent sinkt.

Gerüstet ist der EV9 zudem für das so genannte intelligente Laden, das Zukunftstechnologien wie Vehicle-to-Home/Vehicle-to-Building (V2H/V2B) und Vehicle-to-Grid (V2G) ermöglicht. V2H und V2B dienen dazu, ein Wohnhaus oder ein Gebäude mit Strom zu versorgen. Über V2G kann das Fahrzeug Energie direkt ins öffentliche Stromnetz einspeisen, um zum Beispiel in Spitzenlastzeiten Strom aus der Batterie abzugeben, die zuvor in Schwachlastzeiten zu einem günstigeren Tarif oder gar zu Hause mit eigenem Solarstrom aufgeladen wurde.

Der EV9 kostet ab 72.490 Euro

Der Basispreis für den EV9 mit Heckantrieb liegt bei 72.490 Euro. Die Allradversion kostet mindestens 76.490 Euro, die GT-Line 82.380 Euro. Preisregionen, in denen sich Kia bislang nicht bewegt hat. Doch der koreanische Hersteller will sich durchaus an den vergleichbaren Angeboten von Audi, BMW und Mercedes messen lassen und setzt dabei wie schon beim EV6 auf einen neuen Kundenkreis.

Kia EV9
Für (Lade-)Pausen: Vorne sind Entspannungssitze verbaut.

Kia-Deutschland-Chef Thomas Djuren glaubt, mit dem EV9 Interesse bei Personen zu wecken, die bislang mit Fahrzeugen der etablierten Oberklassemarken unterwegs sind und das gute Preis-Wert-Verhältnis sowie den Nutzwert des Kia-SUV erkennen. Außerdem sieht er Familien mit entsprechendem Platzbedarf und Einkommen sowie durchaus auch die User-Chooser im Flottengeschäft als Kunden.

Kia EV9 – Technische Daten:

Fünftüriges SUV der oberen Mittelklasse mit sechs oder sieben Sitzen, Länge: 5,01 Meter, Breite 1,98 Meter (2,26 inkl. Außenspiegel), Höhe: 1,76 Meter, Radstand: 3,10 Meter, Kofferraum-Volumen: 333-2.393 Liter, Frunk: 90 Liter (2WD) bzw. 52 Liter (4WD).

RWD: Elektromotor hinten, 150 kW/204 PS, maximales Drehmoment 350 Nm, Heckantrieb, Batterie-Kapazität 99,8 kWh, Ladeleistung bis 210 kW, Ladedauer von 10 auf 80 Prozent: 24 Minuten, Reichweite: 563 km, Vmax: 185 km/h. 0 – 100 km/h: 9,4, Verbrauch nach WLTP: 20,2 kWh/100 km. CO2-Emission: 0 g/km, Preis: ab 72.490 Euro.

AWD: je ein Elektromotor vorne und hinten, 283 kW/385 PS, maximales Drehmoment 600 Nm (GT-Line 700 Nm), Allradantrieb, Batterie-Kapazität 99,8 kWh, Ladeleistung bis 210 kW, Ladedauer von 10 auf 80 Prozent: 24 Minuten, Reichweite: 512 km, Vmax: 200 km/h. 0 – 100 km/h: 6,0 Sekunden, Verbrauch nach WLTP: 22,3 kWh/100 km. CO2-Emission: 0 g/km, Preis: ab 76.490 Euro (GT-Line: ab 82.380 Euro).

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