Bei den Ladezeiten von Elektro-Autos scheint noch Nachholbedarf zu bestehen. Doch schneller ist nicht gleich effektiver.
Eines ist klar: Soll sich die Elektromobilität durchsetzen, dann müssen sowohl die Reichweiten steigen als auch die Ladezeiten sich verkürzen. Stundenlanges Laden soll E-Autofahrern künftig erspart werden. Die Ladesäulen pumpen immer schneller Strom in die Akkus, die wiederum immer mehr davon in kürzerer Zeit aufsaugen können. Das ist bequem, aber nicht unbedingt effizient.
Elektroauto-Batterien sind groß, schwer und sehr teuer. Je mehr Energie sie fassen sollen, desto stärker schlagen diese Nachteile durch. Selbst in Luxusautos ist derzeit bei einer Kapazität rund 100 Kilowattstunden (kWh) Schluss – für größere Akkus fehlen selbst in diesem verschwenderischen Segment Geld und Platz. Lange Zeit galt die Relation von Reichweite und Gewicht/Kosten/Platzbedarf sogar als unüberwindbares Hindernis für den Erfolg des E-Antriebs abseits von Mini-Stadtautos, Golf-Karts und anderen Nischen-Mobilen.
Wie schnell können Ladezeiten sinken?
Bis Tesla kam: Die Amerikaner lösten das Problem der geringen Reichweite durch besonders kurze Ladezeiten – und spannten auf eigene Kosten ein dichtgeknüpftes Supercharger-Netz über die USA und Europa. Die Ladesäulen der Kalifornier waren lange Zeit die mit großem Abstand schnellsten auf dem Markt. Die ersten Stationen lieferten 90 kW Ladeleistung, spätere 120 und 145 kW. Künftig sollen 250 kW möglich sein. Das würde reichen, um in fünf Minuten Strom für 120 Kilometer Fahrt zu tanken.
Die Konkurrenz jedoch hat in Sachen Ladezeiten längst nachgezogen und setzt sogar zum Überholen an: Der vor allem von den europäischen Herstellern genutzte CCS-Standard liefert bald bis zu 350 kW, langfristig sogar 500 kW. Der kürzlich vorgestellte chinesisch-japanische Standard Chao Ji soll das mit bis zu 900 kW in absehbarer Zeit noch einmal toppen. Und die europäische Lkw-Industrie arbeitet sogar an Ladesäulen mit bis zu 3 MW Leistung, die dann auch die Elektrifizierung des Straßengüterverkehrs möglich machen soll. Zum Vergleich: Aus der normalen heimischen Steckdose fließen maximal 3,6 kW.
Wo liegt das Lade-Problem?
Bislang allerdings nutzt die steigende Ladeleistung bislang niemandem. Viel mehr als 100 kW vertragen nur wenige Autos auf dem Markt, aktueller Rekordhalter ist das Tesla Model 3 mit 200 kW. Einen neuen Standard soll ab dem kommenden Jahr der Porsche Taycan setzen, ein viertüriger Elektrosportler mit rund 600 PS und einer Reichweite bis zu 500 Kilometern. Zum Marktstart sind zunächst 250 kW möglich, ab 2021 sollen es bis zu 350 kW sein. Die 95 kWh fassende Batterie ist damit nach 15 Minuten an der Steckdose zu den üblichen 80 Prozent voll. Für 100 Kilometer Fahrt sollen vier Minuten Ladezeit ausreichen.
Flottes Laden klappt natürlich nur, wenn man eine der wenigen ultraschnellen Ladesäulen findet. Auch wenn die deutschen Hersteller über das Gemeinschaftsunternehmen Ionity mittlerweile selbst am Ausbau der Infrastruktur arbeiten, dürfe es noch dauern, bis ein wirklich enges Netz steht. Denn die Stationen sind teuer. Nicht zuletzt, weil die starken Ladekabel aufwendig gekühlt werden müssen. Und das deutet auf ein zweites Problem der immer höheren Ladeleistungen hin: Denn je mehr diese steigen, desto größer werden die Ladeverluste.
Warum gibt es Ladeverluste?
Zu den Verlusten kommt es durch den elektrischen Widerstand in Trafos und Kabeln, der einen Teil der elektrischen Energie in Wärme wandelt. Der fällt umso stärker aus, je höher die genutzte Stromstärke ist. Dazu kommt der Strombedarf für die Kühlung. Rund fünf bis sechs Prozent Verlust kommen dabei zusammen. Und auch in der Traktionsbatterie im Fahrzeug entsteht Wärme, die gegebenenfalls auch weggekühlt werden muss.
Wie hoch der Gesamtverlust ist hängt außerdem unter anderem von der Außentemperatur, der Größe der Batterie (groß ist günstiger), ihrem Füllstand (gering ist günstiger) und ihrer Temperatur (niedrig ist günstiger) ab. Diese ist abhängig von der Fahrweise vor dem Tanken.
Klar ist aber, vernachlässigbar sind die Ladeverluste nicht. Bei einem Test des ADAC benötigte das Tesla Model X mit der 100-kWh-Batterie für das Volltanken insgesamt 108,3 kWh Energie. Auch bei vielen anderen Modellen lag der Verlust bei 5 bis 10 Prozent. Wie hoch die Ladeverluste bei den künftigen Schnelllader-E-Autos sind, muss die Praxis zeigen.
Gibt es Alternativen?
Klar ist auch, dass das langsame Wechselstromladen deutlich effizienter ist als das schnelle Stromzapfen an Gleichstrom-Anschlüssen. Und es ist besser für die Batterielebensdauer, die die Druckbetankung nicht besonders leiden kann. Nicht zuletzt kostet der schnelle Strom in der Regel auch Extra-Gebühren und ist deutlich teurer als der Strom daheim oder an der Normalladesäule. Als Standard-Energiequelle sind Schnellladesäulen daher eher nicht geeignet. Unverzichtbar sind sie jedoch, wenn es mal weiter gehen soll als bis an die Stadtgrenze. HM/SP-X/Foto: Ionity
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