Plug-In-Hybride spalten die Gemüter. Die einen bezeichnen sie als sinnvolle Übergangstechnologie, die anderen als Flotten-Mogelpackung. Doch für falsches Verhalten darf man nicht die Technik verantwortlich machen, findet Volkswagen und bot uns die Möglichkeit, den VW-PHEVs in Norwegen auf den Zahn zu fühlen. Ein Test- und Reisebericht.
Wir steigen in Molde am 62. Breitengrad in den Arteon Shooting Break. 150 Kilometer Fahrt liegen vor uns, weshalb wir uns dagegen entscheiden, erst die Batterie leer zu fahren. Ein Besitzer des Autos würde das in diesem Moment bei der genannten Streckenlänge hoffentlich ebenso machen, denn die Batterie würde nur für ein Drittel der Strecke reichen. Doch was kann man aus dem E-Hybriden auf einer Strecke von 150 Kilometern herausholen? Wir schalten direkt in den Eco-Modus. Hier ergänzen sich E- und TSI-Benzinmotor, um möglichst effizient zu sein. Das energetisch anspruchsvolle Anfahren funktioniert mit Strom, der Verbrenner schaltet sich dann dazu. Eine Geofencing-Software analysiert die vorliegende Strecke, weiß wann Berge oder gerade Strecken kommen und berechnet die bestmögliche Effizienz. Nur 80 ist auf Norwegens Landstraßen erlaubt. Holzhäuser ziehen an den Fenstern vorbei, die Fjorde und hohen Berge sorgen für ein einzigartiges Panorama.
Es ist kompliziert…
Entlang geht es die berühmte Atlantikstraße. Die Norweger haben hier entlang ihrer Küste kleine Inseln mit spektakulären Brücken verbunden. Diese gehen steil in die Höhe, kurvenreich ist die Strecke obendrein. Wenn sich der Arteon im Eco-Fahrmodus natürlich auch etwas schwammig fährt, übergeben die beiden Antriebe nahtlos aneinander. Im Cockpit ist nicht zu spüren, was den Wagen gerade antreibt, nur das dezente Aufröhren des 1,4-Liter-Vierzylinder-Benziners ist hin und wieder zu vernehmen. Und siehe da: Knapp 100 Kilometer lang hält sich der Spritverbrauch bei 1,1 l/100 km. Beachtlich. Doch die Batterie ist nach diesen 100 Kilometern leer, was geschieht also nun?
Der Benziner muss nun deutlich mehr arbeiten, der Verbrauch steigt logischerweise an. Doch durch Rekuperation hält die Batterie eine kleine Energiemenge, die beispielsweise beim Anfahren hilft und stellenweise Energie zuschießt. Etwas mehr als 50 Kilometer fahren wir den Arteon mit „leerer“ Batterie, davon geht es auch über steile Kieswege im Wald und schließlich auf der Landstraße zurück nach Molde. Das Ergebnis: 3,2 Liter Verbrauch. Das ist natürlich ein Durchschnitt, der Bordcomputer verrechnet die nach 100 Kilometer erreichten 1,1 l/100 km mit dem nun höheren Verbrauch. Vermutlich hätte sich diese Zahl bei der Weiterfahrt deshalb mehr und mehr den vier Litern angenähert oder sogar überschritten. 3,2 Liter sind dennoch ein mehr als vertretbarer Wert für eine 150 Kilometer lange Fahrt.
Hier wird deutlich, was VW bei dem Fahrtermin zu vermitteln versucht: Wer seinen PHEV größtenteils rein elektrisch fährt, erreicht selbst nach einer längeren Fahrt mit dem Benzinmotor im Durchschnitt einen sehr guten CO2-Wert und mit Hilfsmitteln wie dem Eco-Mode ist auch auf langen Fahrten ein geringer Verbrauch erzielbar. Das weckt den Entdeckergeist: Was wäre gewesen, wenn wir auf den 150 Kilometern zuerst die Batterie leer gefahren und dann auf den Eco-Modus geschaltet hätten? Wie wäre der Verbrauch im Normal-Fahrmodus? Wie hätte sich eine Autobahnfahrt ausgewirkt? Für Besitzer eines PHEVs gibt es viel zu experimentieren.
VW will mit Vorurteilen rund um Hybride aufräumen und umfassend aufklären. Zukünftig will der Wolfsburger Konzern zu passenden Anlässen einen Innovation Talk zeigen (Video unter dem Artikel oder hier auf Youtube). Hier spricht Benedikt Griffig, Leiter der Technologie-Kommunikation des Konzerns mit Experten und VW-Kunden. Die erste Folge des Innovation Talks wird uns bei der Pressekonferenz in Molde vorgespielt und es wird schnell klar, dass VW eine Informations-Offensive in Sachen Plug-In-Hybride anstrebt.
Quo vadis, E-Hybrid?
Das Video steigt mit den absoluten Basics ein, lässt begeisterte Hybrid-Nutzer, aber auch eine Kritikerin sowie Technik-Experten zu Wort kommen. Zudem zeigt er eine Grafik mit Daten des BMVI, die belegt, dass 95 Prozent aller getätigten Fahrten unter 50 Kilometern bleiben. Zwischen 50 und 60 Kilometern Reichweite hat ein PHEV im reinen E-Modus, dementsprechend könnten die Fahrzeuge in der Regel ausschließlich mit dem Elektroantrieb gefahren werden und würden somit kein CO2 verursachen. Muss dann doch auf einer längeren Fahrt der Verbrenner mitmachen, verrechnet sich die Energiebilanz mit den vielen elektrisch zurückgelegten Kilometern, zudem sei durch verschiedene technische Gimmicks der Verbrauch auch dann sehr niedrig. Man arbeite in der Entwicklungsabteilung mit Hochdruck an elektrischen Reichweiten von 100 bis 120 Kilometern ohne die Batterie dabei vergrößern zu müssen.
Konsens ist: Einfach ein Auto kaufen und es irgendwie fahren, ist nicht mehr drin. Wer ein Auto kauft, muss sich heute mit den eigenen Fahrgewohnheiten auseinandersetzen ebenso mit der Technik der verschiedenen Antriebsarten. Nur dann kann sich ein Autokäufer den für ihn passenden Antrieb aussuchen und damit beginnen, durch angepasste Fahrweise den CO2-Wert so weit nach unten zu drücken, wie es geht. Doch drängt sich an dieser Stelle eine große Frage auf: Warum dann nicht gleich ein Elektroauto? „Ein PHEV kann ein gutes Einstiegsauto für alle sein, die sich an die Elektromobilität noch nicht ganz heran trauen, beispielsweise wegen Reichweitenangst“, fügt VW-Sprecher Martin Hube nach der Präsentation an.
Ein PHEV-Käufer installiert sich eine Wallbox zuhause, merkt wie einfach das Laden geht, sammelt erste Erfahrungen damit und wechselt deshalb ein paar Jahre danach zum reinen E-Auto, gibt Hube als Beispiel. Bei VW sei man überzeugt, dass Plug-Ins die Bedürfnisse vieler Kunden genau treffen. Außerdem will VW sich vom Kritikpunkt distanzieren, dass PHEVs gerade im Flottenbereich nur als Alibi-Fahrzeuge für die Förderungen genutzt werden: „Wenn es Leute gibt, die die Batterie nicht laden und das Auto einfach fahren wie einen herkömmlichen Verbrenner, dann kann man das nicht der Technologie des Autos anlasten“, betont Hube.
Ein großer Nachteil
Wenn über alle Für- und Wider-Argumente durchaus gestritten werden kann, lässt sich ein Punkt nicht verleugnen: Plug-In-Hybride vereinen zwei Antriebsarten in sich. Dementsprechend kann doppelt so viel kaputt gehen. Gerade die von VW angeregte Strategie, das Auto bei den kurzen Strecken im Alltag als reines BEV zu betrachten und den Verbrenner nur zu nutzen, wenn es wirklich nötig ist, schafft ein großes Problem: „Lange Standzeiten des Motors. Wenn Kunden sehr oft im Stadtbereich unterwegs sind und rein elektrisch fahren, kann das zu Kondenswasserbildung im Motor führen“, beschreibt Sebastian Willmann aus der VW-Antriebsentwicklung im Innovation Talk-Video. Man versuche eine hohe Korrosionsbeständigkeit durch plasmabeschichtete Zylinderlaufbahnen zu erreichen. Dennoch sehen Plug-In-Fahrer das innere einer Werkstatt aufgrund der anspruchsvollen Technik sicher deutlich öfter als Nutzer reiner E-Autos. Ein fettes Minus, das beim Autokauf einkalkuliert werden muss.
Dennoch hat uns der Termin bei VW verdeutlicht, dass Plug-In-Hybride durchaus einen extrem niedrigen CO2-Schnitt erreichen können. Wenn sie denn richtig gefahren werden. Und hier liegt der Knackpunkt. Solange die Autohersteller dem PHEV-Käufer nicht auch eine Stunde Fahrtraining – mit genauer Erklärung der nutzbaren Fahrmodi, einem Crash-Kurs über die Antriebsarten, die Rekuperation und einer Lektion im nachhaltigen Fahren – beim Kauf mitgeben, dürfte es schwer werden, PHEVs auf breiter Fläche mit den extrem geringen CO2-Durchschnitten zu sehen, die durchaus erzielbar sind. NM/Titelfoto: VW
VW Innovation Talk:
Im Bericht wurde der elektrische Energieverbrauch nicht berücksichtigt! Somit wird nur die halbe Wahrheit vermittelt. Zumal in Deutschland ein nicht unwesentliche Anteil der elektrischen Energie aus Kohle erzeugt wird.
Richtig! Bei dem Termin in Norwegen waren die Autos allerdings mit grünem Strom geladen und es ist (hoffentlich) so, dass wer sich einen Hybrid (oder ein BEV) kauft, dann auch entsprechend dafür Sorge trägt, dass dieser grün geladen wird. In Deutschland ist es mittlerweile kein Problem mehr, vom Stromanbieter rein grünen Strom zu verlangen, wenn das dann auch leider etwas teurer ist und man sich proaktiv darum kümmern muss.