Lange nach dem Leaf ist der Nissan Ariya auf den Markt gekommen. Kann die Marke den einstigen Vorsprung wahren? Ein Fahrbericht.
Nissan zählt zu den Marken, die früh den Schritt in die Elektromobilität gegangen sind. Der 2010 erschienene Leaf war einer der ersten erschwinglichen Stromer für den Massenmarkt. Im Pkw-Bereich ließ man sich danach Zeit, bis im vergangenen Jahr der Ariya auf den Markt kam. Dieser hat mit seinem etwas in die Jahre gekommenen (kleinen) Bruder nicht viel gemein, ist voluminöser, natürlich moderner und bringt einen Akku von 87 kWh netto mit. Und jüngst hat er sich in der Redaktion zur ausgiebigen Testfahrt vorgestellt, die wir wie stets mit einem Test-Tagebuch begleitet haben.
22-kW-Lader serienmäßig
Zunächst sei der Kandidat hier noch einmal vorgestellt: Wir fuhren ihn in der Basisversion mit einem E-Motor mit 178 kW, der mindestens mit der zweiten Ausstattungsstufe Advance ausgerüstet ist und 58.990 Euro kostet. Diese bietet dann auch einen dreiphasigen 22-kW-Lader. Wir kamen zudem in den Genuss des Evolve-Pakets, das nahezu alle Annehmlichkeiten enthält, die man braucht und/oder gerne hat.
Hier geht es zum Test-Tagebuch des Nissan Ariya
Im elektrischen Bereich ist das der riesige 91-kWh-Akku (87 kWh) und eben der 22-kW-Lader, der sogar serienmäßig verbaut ist. Laut Datenblatt lädt er an HPC-Säulen mit bis zu 130 kW – doch dazu später mehr. An Assistenten bietet er alles, was in der Klasse dazu gehört, inklusive Head-up-Display, Radfahrererkennung und Kreuzungsassistent. Einziges Manko: Es gibt kein Matrix-Licht. Der Preis hat es allerdings in sich: 61.990 Euro brutto, wovon man 7.178 Euro Förderung abziehen kann. Macht 54.812 Euro.
Sehr ruhiges Fahren
Schon auf den ersten Kilometern hinterließ der Ariya einen irgendwie seriösen Eindruck, was auch daran liegt, das kaum Fahr- oder Reifengeräusche in die Kabine dringen. Er protzt nicht mit Sportlichkeit, sondern eher mit Komfort und ruhigem Cruisen und nervt nicht mit überflüssigen Klingeltönen, fährt sehr ruhig und gelassen, was auch an der guten Lenkung liegt, die ebenfalls wie das Fahrwerk nicht sportlich ausgerichtet ist, aber dennoch genug Gefühl für die Straße vermittelt. Einzig die Dämpfung könnte etwas stärker eingreifen und bisweiliges Schaukeln besser abfangen.
Aufgrund seiner Länge von 4,60 Metern bietet der Ariya ein großzügiges Raumgefühl und viel Platz auf der Rückbank. Der Kofferraum fasst 468 Liter und lässt sich auf 1.350 Liter erweitern. Dabei besteht der Laderaumboden aus zwei stabilen Teilen, die sich bei Bedarf aufrichten lassen, um Ladegut zu sichern. Man kann sie auch ganz herausnehmen, um mehr Raum zu gewinnen. Einen Frunk gibt es nicht.
Keine SoC-Begrenzung
Doch wenden wir uns der Technik zu. Nach der ersten Vollladung zeigte die Kilometeranzeige 400 Kilometer Reichweite an, laut WLTP sollten es 525 sein. Spätere Ladungen zeigten bis zu 430 Kilometer an. Immerhin: Die Angaben sind durchaus realistisch. Was uns beim Laden aufgefallen ist: Es gibt keine State of charge- (SoC-)-Begrenzung; die muss man über die Wallbox vorgeben, was an fremden Säulen natürlich ein Problem darstellt.
Der Ariya gehört zu den wenigen E-Autos, bei denen man die Akku-Konditionierung manuell über das Display einstellen muss. Eine halbe Stunde Vorwärmung wird empfohlen, dann soll es beim Laden flutschen, was laut Hersteller in der Spitze 130 kW Ladestrom bedeutet. Nun, so ganz haben wir dies nicht erreicht, obwohl wir uns an das Prozedere gehalten haben. Bei einer Außentemperatur von 8 Grad könnte die Vorwärmzeit aber auch zu kurz gewesen sein. Dazu gleich mehr.
Manuell aktivierbare Akkuvorwärmung
Zunächst ließ uns nämlich die Elektronik im Stich. An unserer Stamm-Ladesäule von Aral Pulse ließ sich auch nach zwei Versuchen keine Kommunikation mit dem Fahrzeug erzielen. Glücklicherweise funktionierte es am zweiten Anschluss der gleichen Säule sofort. Offenbar mochte der Ariya die erste nicht, denn ein Tesla, der es kurz darauf versuchte, konnte ohne Probleme laden.
Bei einer Restladung von 10 Prozent SoC legte der Nissan Ariya schließlich los – und schaffte nach wenigen Minuten eine Steigerung auf 95 kW, wonach er auf 81 kW absackte und dann bis zum Schluss in den 80ern blieb – siehe Ladechart. Für die Ladung auf 80 Prozent benötigte er somit 42 Minuten; innerhalb von 30 Minuten schaffte er eine Steigerung auf 62 Prozent SoC. Keine Glanzleistung, doch angesichts der Außentemperatur von 8 Grad Celsius verschmerzbar. Nach der 80-Prozent-Schwelle sackte die Ladeleistung auf 66 kW (45 Minuten) und 55 kW (50 Minuten) ab.
Maximal 95 kW Ladeleistung
Wie aber schon erwähnt, muss man mit dem Ariya vielleicht auch nicht so oft an die HPC-Säule, denn mit seinem 22-kW-AC-Lader lässt sich der Akku auch innerstädtisch recht schnell füllen – für manchen Nutzer ein echter Vorteil. Und vielleicht schiebt Nissan ja per Software-Update einen Routenplaner mit Ladeplanung nach.
Im Fahrbetrieb meldete der Bordcomputer Verbräuche zwischen 18 kWh (Stadt, Landstraße) bis 23/24 kWh auf der Autobahn. Nach 430 Test-Kilometern verzeichnete er einen Verbrauch von exakt 20,0 kWh, was sich durchaus sehen lassen kann. Mit Ladeverlusten kamen wir auf einen Verbrauch von 22,7 kWh je 100 Kilometer.
22,7 kWh Verbrauch
Eine Umstellung stellt die automatische Sitz- und Lenkradheizung dar. Lässt man sie auf „Auto“ stehen, dann heizen die Sitze bei Drücken des Starterknopfes (ja, es gibt ihn im Ariya) kräftig. Möchte man dies ändern muss man allerdings ein kleines Bedienfeld auf dem mittleren Monitor treffen, um zu den Einstellungen zu gelangen.
In unserem Testwagen war die massige Mittelkonsole nicht verschiebbar, das ist wohl nur den Topmodellen vergönnt. Für mehr Verwunderung hat gesorgt, dass diese Konsole lediglich ein flaches Fach für das Smartphone bereit hält, so dass man Kleinigkeiten anderswo unterbringen muss. Die beiden flachen Handschuhfächer im Armaturenbrett bieten sich da nicht unbedingt an. Immerhin gibt es eine Klappe für die Sonnenbrille im Dachhimmel und große Türfächer.
750 Kilogramm Anhängelast
Gut zurecht gekommen sind wir mit den Tasten für die Klimatisierung, die vollständig in die Armaturenverkleidung integriert sind. Sie geben bei Druck eine gute und verlässliche Rückmeldung. Der Sprachassistent ist vom alten Schlag und braucht seine Codewörter, damit er versteht. Die Sitze sind stoffbezogen und geben guten Halt, inklusive Lordosenstütze und sorgen dafür, dass der Ariya mit seinem großen Akku ein gutes Reiseauto ist.
Ach ja – nicht zu vergessen: Die Anhängelast beträgt beim Ariya mit Vorderradantrieb sowohl gebremst als auch ungebremst 750 kg. Wer mehr braucht, sollte auf den Allradler (e-4orce) zurückgreifen, der 1.500 kg gebremst ziehen darf. Stütz- sowie Dachlast betragen 75 kg.
Fazit: Der Nissan Ariya ist ein ruhiges, komfortables und geräumiges Elektroauto für den Alltag und die Reise, sofern man einige Minuten mehr für den Ladevorgang erübrigen kann. Er ist auf der Höhe der Zeit, kann sich gegenüber der Konkurrenz aber nicht absetzen. Zudem sollte eine Ladebegrenzung in einer der nächsten Software-Updates nachgereicht werden. Und günstig ist er auch nicht gerade.
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Nissan Ariya 87 kWh Evolve Pack – Technische Daten:
Fünftüriger Crossover der Mittelklasse mit fünf Sitzen, Länge: 4,60 Meter, Breite: 1,85 Meter (mit Außenspiegeln: 2,17 Meter), Höhe: 1,66 Meter, Radstand: 2,78 Meter, Kofferraumvolumen: 468 – 1.350 Liter.
Fremderregter Synchronmotor, Vorderradantrieb, Leistung 178 kW/242 PS, max. Drehmoment 300 Newtonmeter, Akku: 91 kWh (netto 87 kWh), Ladeleistung max. 130 kW DC, 22 kW AC, 0 – 100 km/h 7,6 s., Vmax: 160 km/h, Verbrauch: 18,1 – 18,4 kWh (WLTP), Testverbrauch 22,7 kWh (mit Ladeverlusten), Reichweite: 536 km (WLTP), Reichweite real 400 – 420 km (Winter), CO2-Ausstoß: 0 g/km, Effizienzklasse: A+++, Anhängelast: 750/750 kg, Stütz- und Dachlast: 75 kg.
Preis: 56.490 Euro (brutto), Testwagen: 61.990 Euro (brutto).
Großer Akku
Gute Reichweite
Akzeptabler Verbrauch
Vollständige Ausstattung
Ruhiger Innenraum
Manuelle Akkuheizung
22-kW-Lader Serie
Langsames DC-Laden
Kein Frunk
Hoher Preis
Wenig Ablagen
Keine SoC-Begrenzung
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