Die vierte Generation des Renault Master E-Tech ist keine Notlösung mehr – im Gegenteil. Eine erste Ausfahrt.
In Skandinavien haben es Verbrenner zunehmend schwerer – bald auch die Transporter, mit denen viele Lieferanten in den Innenstädten unterwegs sind: 2025 will Stockholm Teile der Innenstadt für Autos mit Verbrennermotoren sperren. Dann sollen die vielen Geschäfte entlang der berühmten Einkaufsmeile rund um die Kungsgatan nur noch mit E-Transportern beliefert werden.
Die Fahrzeughersteller sind vorbereitet: Fiat Ducato, Ford Transit, Renault Master, fast alle Transporter sind bereits mit E-Antrieb erhältlich. Letzterer kommt jetzt sogar in zweiter Generation komplett neu auf den Markt. Fühlte sich der 2018 eingeführte Master E-Tech mit 75-PS-Motor und gerade Mal 120 Kilometern Reichweite noch an wie eine Notlösung, so zeigt das neue Modell, wie sich die E-Mobilität auch im Nutzfahrzeug weiterentwickelt.
Der elektrische Master wird in mehreren Längen und Höhen, mit zwei Batteriegrößen und einem ganzen Sammelsurium an Auf- und Ausbauten angeboten. Er nimmt 2,5-Tonnen-Hänger an den Haken, lädt bis zu 2,5 Tonnen Fracht. Außerdem können Kunden zwischen Front- und Heckantrieb wählen. So unterscheidet sich die E-Version nur noch durch den Antrieb von den Dieselmodellen. Das soll Kunden den Umstieg aufs Elektromodell schmackhaft machen und die potenzielle Käuferschicht vergrößern.
Bis zu 460 Kilometer Reichweite
Das sollte klappen. In Frankreich wird jetzt schon jeder zehnte Master mit E-Antrieb ausgeliefert, bevorzugt an Großkunden wie die Post oder anderen Lieferdiensten, die bisher mit der eingeschränkten Reichweite leben konnten. Mit seiner 87 kWh großen Batterie kommt der neue Master E-Tech nach WLTP sogar 460 Kilometer weit und empfiehlt sich damit auch für Unternehmen, die in einem großen Radius unterwegs sind. Die Angabe ist durchaus realistisch. Auf einer ersten Testrunde über französische Landstraßen mit 400 Kilo Last im Frachtraum pendelte sich der Verbrauch bei 22,0 kWh/100 km ein. Eine kostengünstigere Variante mit 40-kWh-Akku bleibt aber weiter im Programm.
Fürs neue Modell hat Renault das gesamte E-Paket aktualisiert. Beispielsweise kann der Wagen künftig Strom am Schnelllader zapfen. 130 kW sind maximal möglich, sodass nach 30 Minuten wieder weitere 200 Kilometer drin sind. Eine Wärmepumpe wird serienmäßig geliefert, und das Modell kann Strom ins Netz zurück speisen (Vehicle-to-Grid). Außerdem lassen sich E-Werkzeuge über eine Steckdose im Cockpit oder im Laderaum aufladen. In den Branchenausbauen können Heizungs- oder Kühlsysteme oder automatische Heckklappen ihren Strom von der Batterie zapfen, benötigen also keine Dieselaggregate.
Steckdose im Laderaum
Trotz des Plus´ an Technik senkt Renault den Einstiegspreis. In Frankreich kostet der E-Tech ab 50.000 Euro netto, rund 6.000 weniger als bisher. Damit ist der E-Transporter nur noch 25 Prozent teurer als der günstigste Diesel mit 105 PS. Die deutschen Preise hat Renault noch nicht veröffentlicht.
Aber wer eine Runde mit dem neuen Master E-Tech dreht, will sowieso nicht mehr zum Selbstzünder zurück. Der Stromer fährt besser, liegt dank des tiefen Schwerpunkts der großen Batterie satter auf der Straße, federt komfortabler und ist deutlich leiser als der Diesel. Flott unterwegs ist man zudem. Die je nach Batterie 130 oder 143 PS unter der Haube genügen für alle Situationen. Anders als im Vorgänger muss man auch die linke Spur der Autobahn nicht mehr meiden, sondern schwimmt immer gut im Verkehr mit.
Tatsächlich macht die Fahrt in diesem Transporter richtig Spaß. Wären da nicht die großen, geteilten Rückspiegel oder die hohe Sitzposition, fast könnte man meinen, man sitzt in einem SUV. Auf dem neuen, S-förmig geschwungenen Instrumententräger ist ein hoch auflösendes, 10 Zoll großes Display platziert, und das Lenkrad samt dem Wählhebel für die Automatik stammt aus dem Pkw-Programm. Insgesamt wirkt die gesamte Kabine luftiger als im Vorgänger, obwohl die Designer 25 Prozent mehr Stauraum untergebracht haben.
25 Prozent mehr Stauraum
Auch bei der Fahrzeugsteuerung haben sich die Ingenieure bei den Pkw-Kollegen bedient. Das bei Renault Navi- und Bediensystem OpenR Link samt kabelloser Android Auto- und Apple CarPlay-Verbindungen gehört zur Serienausstattung. Navigiert wird per Google Maps, Ziele lassen sich problemlos per Sprache eingeben. Der virtuelle Sprachassistent sucht die gewünschte Musik aus oder stellt die Klimaanlage ein, ohne dass der Fahrer den Blick von der Straße nehmen muss.
Die integrierten Google-Funktionen ermöglichen es, individuelle Apps für Branchenlösungen aufzuspielen. Zum Start bietet Renault Anwendungen für Feuerwehren, für mobile Werkstattumrüstungen und für Kühlfahrzeuge zur Verfügung. Sie laufen direkt auf dem Hauptdisplay. So wird kein zusätzlicher Bildschirm mehr für die Brancheninfos benötigt. SP-X
Add a Comment