Aus dem Renault Scenic ist ein stromernder SUV geworden. In unserem Test hat er sich gut geschlagen – zu meckern gibt es nur wenig.
Renault Scenic – der Name ist weithin bekannt, wurde der Van doch von 1996 bis 2023 gut fünf Millionen Mal gebaut und begründete eine ganze Fahrzeugklasse. Doch Vans sind nicht mehr gefragt, und so transformierte Renault auch den Scenic in einen SUV und verpasste ihm einen rein elektrischen Antrieb. Scenic E-Tech Electric heißt der Stromer nun, und er stellte sich jüngst in der Version Iconic 220 Long Range in der Redaktion zu einem ausführlichen Test vor.
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Freilich hat der Neue auch äußerlich nichts mehr mit seinem Vorgänger gemein. Eher erinnert es seinem kleineren Bruder Mégane E-Tech. Schon der Frontbereich mit dem aus vielen kleinen Rhomben zusammengesetzten Kühlergrill ist modern gestaltet, ebenso das Tagfahrlicht, das einen halben Rhombus nachzeichnet.
Doch werfen wir einen Blick auf die Technik. In der Topversion Iconic 220 Long Range wird der Scenic von einem 218 kW starken Motor angetrieben, der sich aus einer 87 kWh großen Batterie (netto) speist, die eine Reichweite von 625 Kilometer ermöglichen soll. Dass dies ein wenig zu ambitioniert ist, zeigt der Blick auf den WLTP-Verbrauch von 16,8 kWh je 100 Kilometer, was rein rechnerisch eine Reichweite von 517 Kilometer ergibt. Und auch das ist ambitioniert, wie wir noch sehen werden.
Renault Scenic: 87 kWh großer Akku
Bei einer Außenlänge von 4,47 Metern und einem Radstand von 2,79 Metern herrschen im Inneren großzügige Platzverhältnisse. Nicht nur zwischen den Sitzreihen, sondern auch im Heck: Der geräumige Laderaum fasst 545 bis 1.670 Liter. Und auch der Fahrer kann sich in allen Richtungen gut ausbreiten – mit ewig großer Kopffreiheit bis zum riesigen Glasdach, das auf ein Rollo zum Abdunkeln verzichtet, aber die Transparenz des Glases elektrisch verändert. Bei jedem Druck auf den Schalter wird ein Stück des Daches abgedunkelt oder wieder aufgehellt – je nachdem wie viel Licht man in den Innenraum lassen möchte. Die Neuheit kostet jedoch 1.500 Euro Aufpreis.
Das Fahrwerk ist eher auf Komfort ausgelegt, weiß den 1.822 Kilo schweren Scenic aber gekonnt und ohne viel Seitenneigung in der Spur zu halten. Die Lenkung entspricht dieser Auslegung und vermittelt guten Kontakt zur Straße. Die Bremsen greifen bissig zu, ohne aber zu früh zu blockieren. Die Rekuperation lässt sich in mehreren Stufen an zwei Paddels am Lenkrad einstellen.
Auf unserer 100-Kilometer-Verbrauchsrunde zur Ermittlung des Stromkonsums ist uns aufgefallen, wie schnell man sich mit dem Scenic anfreundet. Die Bedienung ist selbsterläuternd, vieles lässt sich zudem per Tasten unter dem zentralen, 12 Zoll großen Monitor regeln, vieles auch über die drei (!) rechts hinter dem Lenkrad angebrachten Stockhebel. Die da wären: Getriebe (oben), Scheibenwischer (Mitte) und Musik (unten). Da vergreift man sich am Anfang schon ab und zu; später kaum noch.
Testrunde: 19,2 kWh Verbrauch
Die Sitze sind langstreckentauglich und verwöhnen mit einer Massagefunktion, das Lenkrad lässt sich weit zum Fahrer hin herausziehen. Der Motor mit seinen 160 kW wird elektronisch gut im Zaum gehalten, zieht aber dennoch dynamisch von dannen, wenn er es denn soll. Allerdings nicht im Eco-Modus, denn der ist im Scenic wirklich Eco und eignet sich kaum für die Autobahn. Zudem gibt es noch „Komfort“ und eine persönliche Einstellung.
Doch zurück zum Verbrauch. Auf unserer Testrunde kamen wir auf einen Wert von 19,2 kWh. Somit kann man sich leicht ausrechnen, dass man mit der Akkukapazität Reichweiten von um die 400 Kilometer realisieren kann. Im „Autobahnfenster“ von 80 bis 10 Prozent SoC kommt man dann auf Reichweiten von um die 300 Kilometer.
Am Schnelllader zieht der Scenic laut Hersteller Strom in der Spitze mit 150 kW. Dies konnten wir nicht bestätigen, was aber auch an den kalten Temperaturen von um die 4 Grad lag. Zudem war die Fahrzeit zur HPC-Quelle zum Vorheizen zu kurz, denn diese Funktion besitzt der Scenic durchaus. So kamen wir lediglich auf ein Maximum von 89 kW.
Und so benötigte der Scenic für die Ladung von 10 auf 80 Prozent SoC 46 und von 15 auf 80 Prozent 42 Minuten. Im Innenraum werden die geladenen Kilometer sowie die Füllung des Akkus in Prozent angezeigt, die momentane Ladeleistung nicht. Aber wie gesagt: Im Sommer oder bei gut durchgewärmtem Akku dürften sich die Ladezeiten bei 30 Minuten einpendeln.
22-kW-Lader serienmäßig an Bord
Und nicht zu vergessen: Wie bei Renault üblich verfügt auch der Scenic E-Tech über einen 22-kW-AC-Lader, was bei der großen Batterie für das Laden in Städten wichtig ist, um nicht die 4-Stunden-Grenze zu überschreiten. Den Ladestand des Akkus kann man in Fünfer-Schritten begrenzen; die Ladegeschwindigkeit kann man nicht einstellen.
Ein besonderes Lob möchten wir dem Sprachassistenten von Google aussprechen. Er verstand den Sprachbefehl „Fahre mich nach XY zur Ladesäule von EnBW“ augenblicklich – das gab es so noch bei keinem Testwagen. Natürlich verfügt das System auch über eine gute Ladeplanung für Langstrecken. Informativ ist auch die Angabe des voraussichtlichen Akkustandes bei der Ankunft am einprogrammierten Ziel.
Bleibt der Blick auf die Preise und die Kosten. Los geht es in der Basisausstattung Evolution mit dem kleinen Akku (60 kWh) und kleinem Motor (125 kW/170 PS) bei 41.400 Euro. Den Long Range gibt es nur in Verbindung mit dem stärkeren Motor ab 48.900 Euro. „Unser“ Kandidat fuhr mit der ziemlich kompletten Ausstattung Iconic und kostet 52.100 Euro brutto. Laut der Autokostenübersicht des ADAC kostet der Kilometer demnach 69,8 Cent je Kilometer oder 872 Euro im Monat (5 Jahre/75.000 Kilometer).
Fazit: Es gibt wenig zu meckern am Renault Scenic E-Tech Electric. Er leistet sich eigentlich keine relevanten Schwächen; das Problem des Ladens bei Kälte betrifft ja generell alle Stromer. Ankreiden mag man ihm noch das Fehlen eines Frunks. Aber ansonsten ist alles gut. Titelfoto: Renault
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Renault Scenic E-Tech Electric – Technische Daten:
Fünftüriges, fünfsitziges SUV der Kompaktklasse; Länge: 4,47 m, Breite: 1,86 m (inkl. Außenspiegel 2,09 m), Höhe: 1,57 Meter. Radstand: 2,79 m, Kofferraum-Volumen: 545 – 1.670 Liter, Anhängelast: 1.100/750 kg (gebremst/ungebremst), Dachlast: 80 kg, Stützlast: 80 kg., Frunk: keiner.
Fremderregter Synchronmotor mit 160 kW/218 PS, max. Drehmoment 300 Nm, Automatikgetriebe, Lithium-Ionen Batterie mit 87 kWh (93 kWh netto), 0-100 km/h: 7,9 sek., Vmax: 170 km/h, max. Reichweite 625 km (WLTP), max. Ladeleistung 150 kW.
Messwerte: Max. Ladeleistung 22 kW AC, 89 kW DC, Ladeleistung (Durchschnitt) 77 kW, Ladezeit von 15 auf 80 % SoC: 42 Minuten.
Verbrauch: 16,8 kWh (WLTP), Testverbrauch (inkl. Ladeverlusten): 23,4 kWh (Winter), Testrunde (100 km): 19,2 kWh, Alltagsverbrauch 20,7 kWh, Reichweite: ca. 400 km.
Preis: ab 41.400 Euro, Testwagenpreis: 52.100 Euro.
Gute Bedienung (Google)
Schneller Rechner
EV-Routenplanung
Gute Reichweite
Wärmepumpe serienmäßig
Akku-Temperierung
Kein Frunk
DC-Laden etwas langsam
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