In einer aktuellen Studie haben P3 und Aviloo belegt, dass E-Auto-Akkus wesentlich länger halten als gedacht.
In vielen Diskussionen um das Elektroauto – vor allem in den Sozialen Medien – fällt das Argument der geringen Haltbarkeit der Akkus. Und freilich das daraus resultierende finanzielle Risiko. Gebrauchte Elektrofahrzeuge (EVs) werden als „wie Blei in den Regalen liegend“ beschrieben, da die schnelle Alterung der Batterie zu einer deutlichen Verringerung der Reichweite führe. Diese reduzierte Reichweite schränke den Nutzen des Fahrzeugs erheblich ein und lasse viele Verbraucher glauben, dass gebrauchte Elektrofahrzeuge unbrauchbar seien.
In einer Studie gehen der Spezialist für Batterietests Aviloo und das technologische Beratungsunternehmen P3 Studie der Frage nach, wie beständig die Kapazitäten von Batterien in Elektrofahrzeugen tatsächlich sind und in welchem Maße Bedenken bezüglich vorzeitiger Alterung gerechtfertigt sind. Analysiert wurden mehr als 7.000 Fahrzeuge (weitere Infos zur Datenbasis am Ende des Artikels).
Studie: 7.000 Fahrzeuge analysiert
Der Gesundheitszustand, auch „State of Health“ (SoH) genannt, ist eine Kennzahl, die das Maß der Alterung einer Batterie widerspiegelt. Im neuen, optimalen Zustand liegt der SoH einer Batterie bei 100 Prozent. Derzeit existiere in der Industrie und Wissenschaft keine allgemein anerkannte oder einheitliche Definition für den State of Health, so die Studie. Dies liege daran, dass verschiedene Hersteller und Branchen unterschiedliche Ziele verfolgen und entsprechende Berechnungsmethoden verwenden. Einige Fahrzeughersteller maximierten beispielsweise die anfängliche Reichweite ihrer Elektrofahrzeuge, akzeptierten jedoch eine spätere Reduzierung durch Batteriealterung. Andere setzten auf einen großen Puffer, der die anfängliche Reichweite einschränkt, aber die Alterung ausgleiche und langfristig eine konstante Reichweite biete.
Diese Strategien können selbst innerhalb der Modellpalette eines Herstellers variieren. Einheitliche Standards und Normen fehlen deshalb bei der Definition von SoH bislang. In der vorliegenden Studie verwenden die Autoren eine einfache Definition des SoH, der sich ausschließlich auf die Kapazität bezieht. Weitere Faktoren wie der Innenwiderstand oder die Lade- und Entladehistorie wurden nicht berücksichtigt.
Die Hersteller verfolgen unterschiedliche Ziele
Die Untersuchung zeigt, dass die Kapazitätsdegradation der Batterie in den ersten 30.000 Kilometern beschleunigt verläuft, sich danach stabilisiert und annähernd linear fortsetzt (Abb. 1). Der beobachtete Alterungsverlauf bestätigt, dass die Degradation im späteren Verlauf der Nutzung deutlich geringer ausfällt als in der Anfangsphase. Dies liegt unter anderem daran, dass sich auf der Anode in den ersten Lade- und Entladezyklen eine sogenannte SEI-Schicht (Solid Electrolyte Interphase) bildet. Bei der Bildung dieser Schicht wird Lithium „verbraucht und in Abbauprodukte umgewandelt, wodurch weniger Lithium für die Energiespeicherung zur Verfügung steht. Dies führt zu einem stärkeren anfänglichen Kapazitätsverlust. Nachdem sich die SEI-Schicht stabilisiert hat, verlangsamt sich dieser Kapazitätsverlust deutlich.
Während die Daten eine erhebliche Streuung aufweisen, ist dennoch ein klarer Trend erkennbar: Der Großteil der Messwerte liegt, selbst nach über 200.000 Kilometer, oberhalb von 80 Prozent SoH. Die durch Regression ermittelte Trendlinie zeigt, dass der SoH auch bei hohen Laufleistungen von 200.000 bis 300.000 Kilometern stabil bleibt und die getesteten Batterien eine überraschend gute Langlebigkeit aufweisen. Die P3-Flottendaten basieren auf intensiv genutzten Fahrzeugen im Alter von 3 bis 5 Jahren und liefern zusätzlich wertvolle Einblicke in reale Nutzungsbedingungen und den Kapazitätsverlust. Diese Datenpunkte zeigen, dass der SoH der P3-Fahrzeuge weitgehend mit den Daten von Aviloo übereinstimmt und im Vergleich zu theoretischen Modellen eine bedeutend bessere Lebensdauer zeigt.
„Alte“ Akkus: Regression bleibt stabil
Bei der Auswertung der Daten lässt sich eine deutliche Streuung der SoH-Werte für vergleichbare Reichweiten feststellen. Diese Variabilität ist darauf zurückzuführen, dass der SoH von diversen Faktoren wie dem Lade- und Nutzungsverhalten beeinflusst wird. Außerdem legen Automobilhersteller unterschiedlich großen Wert auf die Minimierung der Batteriedegradation, was zu ebenso unterschiedlichen Strategien im Umgang mit der Alterung führt. Der von den Herstellern vorgesehene Puffer kann beispielsweise genutzt werden, um die für den Fahrer wahrnehmbare Alterung innerhalb des Garantiezeitraums deutlich zu senken. Manche Fahrzeughersteller nutzen Softwareupdates, um die Ladeperformance anzupassen und damit die Alterung zu beeinflussen.
Bei der Interpretation der Ergebnisse ist außerdem zu beachten, dass die Datenlage für Fahrzeuge mit über 200.000 km Kilometerstand deutlich schlechter ist als für Fahrzeuge mit geringerer Laufleistung. Bisher existieren nur wenige Fahrzeuge mit entsprechend großen zurückgelegten Strecken auf dem Markt. Dadurch wird die Aussagekraft für hohe Kilometerstände etwas eingeschränkt und führt zusätzlich zu einer größeren Streuung der Daten.
Mehr als 80 Prozent SoH jenseits der 200.000
Darüber hinaus muss der „Survivorship Bias“ berücksichtigt werden. Dieser beschreibt die Verzerrung, die entsteht, wenn nur erfolgreiche, „überlebende“ Einheiten in einer Beobachtung betrachtet werden. In der vorliegenden Studie bedeutet das, dass nur Fahrzeuge betrachtet werden, die bei der getesteten Laufleistung noch fahrtauglich waren. Fahrzeuge, die aufgrund von Batterieausfällen nicht mehr im Einsatz sind, werden nicht einbezogen. Das kann die Zuverlässigkeit der Fahrzeuge tendenziell zu positiv erscheinen lassen.
Allerdings sind Ausfälle von Elektrofahrzeugen insgesamt selten. Wenn Ausfälle auftreten, ist dies nur vereinzelt auf die Antriebs-Batterie zurückzuführen. Einzelfälle, wie beispielsweise durch spezielles Nutzungsverhalten oder Produktionsfehler bedingte Ausfälle, können dennoch vorkommen. Sie treten oft innerhalb der Garantiezeit auf und stellen somit selten ein finanzielles Risiko für Verbraucher dar.
Fazit: Die Studie zeigt, dass Elektrofahrzeug-Batterien selbst bei intensiver Nutzung eine hohe Langlebigkeit aufweisen. Sogar bei Laufleistungen von über 200.000 Kilometern behalten die meisten Batterien mehr als 80 Prozent ihrer ursprünglichen Kapazität und sind damit weit über den üblichen Garantiezeitraum hinaus einsatzfähig. Technologische Fortschritte in Zellchemie und Batteriemanagementsystemen erhöhen zusätzlich die Leistungsfähigkeit und Beständigkeit der Batterien. Durch batterieschonendes Nutzungsverhalten (z.B. durch Parken bei mittlerem SoC, Laden mit niedrigen Strömen und moderatem Fahrverhalten) kann die Langlebigkeit der Batterie weiter verbessert werden. Titelfoto: VW
Die Studie von P3 kann man hier herunterladen.
Die Datenbasis:
Für die Studie wurden zwei unterschiedliche Ansätze verfolgt. Zunächst wurden 50 Fahrzeuge aus der P3-Elektrofahrzeugflotte auf ihre bisherige Alterung untersucht und in den Zusammenhang mit dem Nutzungs- und Ladeverhalten der Fahrzeughalter gebracht. Diese Auswahl hatte zum Ziel, Einblicke in möglichst verschiedene Fahr- und Ladeprofile zu erlangen, sowie Unterschiede zwischen den Herstellern zu erfassen.
Aviloo, ein führendes Unternehmen im Bereich der Batteriediagnostik, hat bereits über 60.000 Kapazitätstests durchgeführt. Für den zweiten Schritt dieser Studie lieferten sie Datenpunkte von über 7.000 Fahrzeugen mit bis zu 300.000 km Fahrleistung, die auf Basis ihres präzisen Premium-Test erhoben wurden. Dadurch konnte die Batteriealterung in Bezug auf die Laufleistung detailliert und quantitativ bewertet werden. Durch die Bereitstellung der Datenpunkte konnte die Datenbasis der P3-Flotte gezielt erweitert werden, wodurch eine fundiertere Analyse ermöglicht wurde.
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