Im Testzeitraum von 14 Tagen fallen uns an einem Auto viele Kleinigkeiten auf. Das Test-Tagebuch fasst diese zusammen. Der Kandidat: Aiways U6.
11.12.2023: Mit dem Aiways U6 stellt sich dieser Tage ein weiteres spannendes Elektroauto in der Redaktion vor. Denn mit Aiways hat schon vor einiger Zeit ein weiterer chinesischer Hersteller die deutsche Autobühne betreten; wir fuhren den U5 bereits Mitte April 2021. Doch so richtig in Schwung gekommen ist Aiways (wie andere Marken aus dem Reich der Mitte) noch nicht – MG Motor vielleicht ausgenommen.
Vielleicht ändert sich das mit dem U6. Er ist das zweite Modell, das Aiways hierzulande anbietet, wobei es derzeit ausschließlich über die Unternehmens-Homepage bestellt werden kann, da die Kooperation mit der Elektronikkette Euronics im Sommer beendet wurde. Laut Homepage wird „der Vertrieb gerade neu verhandelt“. Für den Service sorgen aber weiterhin rund 50 Vertretungen der freien Reparaturkette A.T.U.
Aiways U6: Service weiterhin bei A.T.U
Im Prinzip ist der U6 die Coupé-Variante des U5, allerdings mit einigen Verbesserungen vor allem bei der Bedienung. Bei uns vorstellig wird sie in Mintgrün, was sicherlich nicht jeden Geschmack treffen dürfte. Der Innenraum ist hell gestaltet mit farbig abgesetzten Streifen auf den Sitzen, was wir als wohltuende Abwechselung vom ewigen Schwarz empfinden.
Was neben den ungewöhnlichen Farben zuerst auffällt ist der große, zentrale Bildschirm, über den alle Funktionen gesteuert werden, sowie die schmale Anzeige hinter dem Lenkrad mit Tempoanzeige und Reichweite, was vollkommen ausreicht. Schalter und Tasten gibt es kaum, die Fahrstufe wird am wuchtigen Griff in der Mitte eingelegt.
Wie schon bei Nio gibt es wenig, was man zum Basispreis von 44.911 Euro brutto als Extra hinzubuchen kann; er ist schon in der Basisvariante komplett ausgestattet. Diese Tatsache und der moderate Preis machen doch neugierig. Demnächst mehr.
13.12.2023: Wir haben nun die ersten Kilometer mit dem Aiways U6 zurückgelegt und uns in die Bedienung eingearbeitet – doch dazu zu anderer Gelegenheit mehr. Mit seinen 160 kW (218 PS) und einem maximalen Drehmoment von 315 Newtonmeter schiebt der E-Motor den U6 tüchtig voran. Mit gut 4,80 Metern Länge gehört der Aiways zur gehobenen Mittelklasse und erinnert uns äußerlich an den Skoda Enyaq Coupé, der 15 Zentimeter kürzer ist, aber knapp 20.000 Euro mehr kostet.
Die Besonderheit des U6 ist, dass Aiways auf ein eigenes Navigationssystem verzichtet und voll auf die Integration des Smartphones über Apple CarPlay oder Android Auto setzt. Letztere Anbindung funktioniert kabellos und ließ sich ohne Probleme herstellen und bedienen. Kein Wunder also, dass die Vorkonditionierung des Akkus manuell eingeschaltet wird.
Auf unserer 80 Kilometer langen Verbrauchsfahrt über Autobahn und Landstraße bei Außentemperaturen oberhalb von 10 Grad ergab sich im Schnitt ein Verbrauch von 17,8 KWh je 100 Kilometer. Einer Stadtfahrt zuvor eingerechnet, lag der Verbrauch ebenfalls auf diesem Niveau. Aiways gibt als WLTP-Wert 16,6 bis 16,0 kWh an; somit lässt sich mit dem Wert gut leben. Die Reichweite liegt angesichts der Batteriekapazität von 63 kWh bei etwa 400 Kilometer.
Allerdings haben wir auch festgestellt, dass die Reichweitenanzeige die Restkilometer wesentlich schneller runterzählt als sie gefahren wurden: Bei der Verbrauchsfahrt nahm die Anzeige um 140 statt der wirklich gefahrenen 80 Kilometer ab. Wie sich das auf die reale Reichweite auswirkt, werden wir ermitteln, wenn es Richtung Schnellladesäule geht. Auch dazu bald mehr.
15.12.2023: Bei recht warmen Temperaturen haben wir uns aufgemacht und den neuen Ladepark von EnBW bei Hüttenberg an der A45 besucht. Die Vorkonditionierung des U6 haben wir aktiviert und waren danach rund 45 Minuten auf der Autobahn unterwegs – optimale Bedingungen also zum Schnellladen.
Bei 18 Grad Außentemperatur und einem Rest SoC von 18 Prozent legte der Aiways vorsichtig los, steigerte sich aber nach fünf Minuten auf den Maximalwert von 88 kW. Danach ging es gleichmäßig bergab. Damit erreichte er die Vorgaben des Herstellers (90 kW) beinahe, was die maximale Ladeleistung angeht. Die Vorgabe, das Fahrzeug von 20 auf 80 Prozent innerhalb von 35 Minuten aufzuladen, übertraf er sogar: Bei unserem Ladevorgang dauerte es exakt 31 Minuten von 18 auf 79 Prozent. Die durchschnittliche Ladeleistung lag bei 55,6 kW.
Eine Ladeplanung für längere Touren kann das Bordsystem des U6 allerdings nur liefern, wenn man eine App nutzt. Denn der Stromer spart sich ja das Navigationssystem und geht davon aus, dass man sein Smartphone per Android Auto oder Apple CarPlay einklinkt und sich von Google leiten lässt. Dieses weist zwar die Route, kann freilich nicht auf die Daten zur Reichweite des Fahrzeugs zurückgreifen.
18.12.2023: Soweit also alles gut beim Aiways U6? Ein wichtiges Kapitel steht indes noch zur Beurteilung an: die Bedienung. Wie schon beim Nio EL7 fährt auch beim Aiways der Computer sehr schnell hoch. Keine 5 Sekunden nach dem Drücken des Bremspedals (womit der U6 aktiviert wird, einen Starterknopf gibt es nicht) ist das System bereit. Das Home-Display ist übersichtlich gestaltet, man findet schnell den Bereich, in dem man etwas einstellen möchte. Ist ein Smartphone verbunden, erscheint gleich die Android-Auto-Ansicht.
Das ist sehr gut gelöst, und auch das Aktivieren der Sitzheizung kann entfallen, wenn man sie auf Automatik stellt. Wonach wir lange gesucht haben ist die Einstellung der Rekuperation. Es gibt den voreingestellten Auto-Modus, und im Menü der Fahrmodi kann man einen One-Pedal-Modus auswählen. Daran, dass man nicht alle Funktionen auf Anhieb findet und bisweilen durch die Menüs scrollen muss, hat man sich angesichts der vielen Funktionen in modernen Autos ja schon gewöhnt. Da bildet auch der U6 keine Ausnahme.
Leider nervt das System aber bisweilen mit kleineren Bugs. So fror einmal das ganze System nach dem Start komplett ein und man musste das Fahrzeug neu starten. Auch fand es einmal keine Radiosender, weder auf FM als auch per DAB+. Oder auf die Lautstärkeregelung per Lenkradtaste für die Medien reagierte die Navigationsansage. All diese Seltsamkeiten treten jeweils beim nächsten Start nicht mehr auf, so dass man davon ausgehen kann, dass ein Update hier Abhilfe schaffen könnte. Auch das kennt man ja.
Ein Wort noch zum Laderaum: Er fasst 472 bis 1.260 Liter und lässt sich gut beladen. Darunter findet sich noch ein Fach für Kleinkram. Einen Frunk gibt es leider nicht. Allerdings hätte man dem Ladeabteil eine Abdeckung spendieren können.
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