Warntöne

Test-Tagebuch: Hyundai Ioniq 6

Im Testzeitraum von 14 Tagen fallen uns an einem Auto viele Kleinigkeiten auf. Das Test-Tagebuch fasst diese zusammen. Der Kandidat: Hyundai Ioniq 6.

15.08.2023: Man muss Hyundai durchaus Respekt zollen ob des designtechnischen Mutes der Marke. Nach dem kantig-futuristischen Ioniq 5 schob die Marke vor nicht allzu langer Zeit den Ioniq 6 hinterher, der mit seiner runden, buckligen Form das Gegenteil darstellt und dem man sofort ansieht, dass er sich quasi unter der Luft wegduckt. Und mit diesem Eindruck liegt man so falsch nicht, denn der cW-Wert des Ioniq 6 liegt mit 0,21 mit an der Spitze aller Pkw.

Ioniq 6
Das Heck des Ioniq 6 ist mit gleich zwei Spoilern ausgestattet – wegen des cW-Wertes. Fotos: Mag

Und so verspricht der Hersteller auch einen Verbrauch von 16,0 Kilowattstunden je 100 Kilometer – mit 20-Zoll-Felgen wohlgemerkt. Mit den kleineren 18-Zöllern sollen es sogar nur 14,3 kWh sein. Wir werden dies freilich überprüfen; bislang liegen wir (mit 20-Zöllern ausgestattet) laut Bordcomputer bei 17 kWh im Kurzstreckenbetrieb und unter stetem Einsatz der Klimaanlage.

Wie seine Geschwister ist auch der 6er mit der 800-Volt-Ladetechnik ausgestattet, und mit dem verbauten 77,4 kWh großen Lithium-Ionen-Akku sollten Reichweiten um die 500 Kilometer möglich sein. Auch das werden wir checken. Nach der Vollladung wurden zunächst knapp 484, beim nächsten Start deutlich mehr als 500 Kilometer angezeigt.

Die Sache mit den Warntönen

Ioniq 6
Die Reichweitenangabe des Ioniq 6 nach knapp 80 gefahrenen Kilometern.

Was uns aber schon auf den ersten Kilometern irritierte, sind vier Warntöne, die erschallen, wenn man die vorgeschriebene Geschwindigkeit überschreitet. Gerade im Stadtverkehr sieht man sich somit eines ständigen Geklingels ausgesetzt, da man ja stets etwas schneller und dann wieder langsamer 50 oder 30 km/h fährt – und bei jeder neuen Überschreitung klingelt es erneut. Im Menü „Einstellungen“ kann man die Tempoüberwachung zwar deaktivieren, doch dann funktioniert die Tempoanzeige nicht mehr. Und: Beim nächsten Starten des Autos ist die Tempoüberwachung – inklusive Warntönen – wieder aktiviert. Wir werden dieser Tage nochmal genauer forschen, ob sie sich nicht doch abschalten lassen.

Übrigens: Der Farbton des Lacks ist nicht schwarz, sondern ein dunkles Blau, das sich „Biophilic blue“ nennt.

16.08.2023: Doch zurück zu den Warntönen. Hyundai hat uns eine Stellungnahme geschickt, die da lautet: „Der akustische Warnton und die Wiederaktivierung des Geschwindigkeitsassistenten werden tatsächlich für neue Fahrzeuge in der EU-Verordnung vorgeschrieben. Wir hören aber selbstverständlich nach, wie das bei unseren Kundinnen und Kunden ankommt und versuchen uns entsprechend zu verbessern.“ Und die Bestätigung: „Die Warntöne lassen sich nicht separat ausschalten.“

Ioniq 6
Die digitalen Außenspiegel im Ioniq 6.

Wir lassen das mal so stehen und widmen uns heute den ersten Eindrücken vom Fahren. Zunächst fällt auf, dass der Ioniq 6 sehr leise über die Straßen rollt. Das bei E-Autos lauteste Fahrgeräusch, die Abrollgeräusche der Reifen, sind im Innenraum so gut wie nicht zu hören, so dass man den Eindruck hat, man sitzt in einem Oberklasse-Auto. Die Lenkung ist direkt, das Fahrwerk bügelt viele Unebenheiten weg, ohne in Kurven zu weich zu werden. Das Leergewicht von rund zwei Tonnen macht sich kaum bemerkbar. Das ergibt einen überdurchschnittlichen Fahrkomfort.

Innen geht es trotz der coupéartigen Form des Ioniq 6 geräumig zu, vor allem auf den Fondsitzen, wo man üppige Beinfreiheit genießt. Vorne empfangen flexibel einstellbare Sitze den/die Fahrer/in, die zudem mit Heiz- und Lüftungsfunktion ausgestattet sind. Fahrer mit 1,90 Meter und mehr wünschen sich allerdings, dass der Sitz noch ein wenig weiter nach unten zu fahren wäre, denn oben wird es ein wenig eng.

Und wir sind – wie beim Audi Q8 e-tron – wieder beim Thema digitale Außenspiegel. Im Ioniq 6 aber stehen die Monitore seitlich am Armaturenbrett und näher zu der Stelle, wo man die Spiegel üblicherweise sucht. Deswegen gewöhnt man sich schneller an sie. Dennoch finden wir: Die 1.300 Euro Aufpreis kann man sich sparen. Praktischerweise kann man sie separat ordern – oder eben nicht.

Ioniq 6
Erste Verbrauchswerte: Mit 16,1 kWh kann man leben.

18.08.2023: Nun waren wir die erste längere Strecke mit dem Ioniq 6 unterwegs in dem Versuch, uns an dessen Eigenheiten zu gewöhnen. Zunächst wollen wir erwähnen, dass die digitalen Außenspiegel in den sozialen Medien viel Kritik eingefahren haben – wir möchten aber in Erinnerung rufen, dass man sie nicht bestellen muss. Sie sind ein Extra (1.300 Euro). Ein anderes Thema sind die erwähnten Klingeltöne, die auf Dauer schon nerven, denn neben den vier Warntönen, die erschallen, wenn man das Tempolimit überschreitet, ertönt auch jedes Mal ein zartes „Bing“, wenn es sich verändert.

Man hat dann zwei Möglichkeiten. Entweder man gewöhnt sich dran, was dazu führt, dass man die Warntöne in seinem Kopf ausblendet. Damit hat der Erfinder des Ganzen das Gegenteil dessen erreicht, was eigentlich Sinn der Sache sein sollte. Oder man schaltet die Geschwindigkeitserkennung (nach jedem Start) komplett ab (in einem Untermenü) und fährt ohne den Assistenten. Gewöhnen müssen wir uns auch daran, dass die Tasten für das Hoch- und Runterfahren der Seitenscheiben in der Mittelkonsole angebracht sind, doch das dürfte nur eine Frage der Zeit sein und stellt kein Problem dar.

Bisher können wir konstatieren, dass das Fahren im Ioniq 6 durchaus angenehm ist. Er findet einen guten Kompromiss zwischen Komfort und Dynamik; im Sportmodus sprintet er dank seiner 229 PS energisch voran, und in Kurven fährt er dank seines niedrigen Schwerpunktes wie auf Schienen. Bislang weist der Bordcomputer einen Verbrauch von 16,1 kWh je 100 Kilometer aus, wobei diesem Wert Fahrten auf Kurzstrecken, ein wenig Autobahn (20 km) und Landstraße zugrunde liegt. Damit kann man leben.

Ioniq 6
Der Laderaum fasst 401 Liter.

21.08.2023: Ein Ausstattungsextra am Hyundai Ioniq 6, das auf unseren Seiten am heftigsten diskutiert wird, sind die digitalen Außenspiegel. Deswegen möchten wir wiederholen: Es gibt sie gegen einen Aufpreis von 1.300 Euro – und auch nur, wenn man den Top-Ausstattungslevel „Uniq“ gewählt hat. In der Zwischenzeit haben wir uns an sie gewöhnt, denn sie machen Spurwechsel sicherer, indem sie zwei Linien einblenden, die den Abstand zum Nebenmann verdeutlichen.

Ansonsten fahren wir weiterhin sehr gerne mit dem Ioniq 6. Wie in einem vorherigen Eintrag erwähnt fährt er sehr ruhig, komfortabel; man hat den Eindruck, man sitzt in einer Oberklasse-Limousine.

Werfen wir noch einen Blick auf weitere Details. Das (große) Handschuhfach ist wie eine Schublade konstruiert, so dass man sich nicht nach unten beugen muss, wenn man etwas sucht. Die Sprachsteuerung versteht die Adressnennung ohne Probleme; allerdings kann sie andere (Bedie-)Befehle (Radio, Fenster etc.) nicht umsetzen. Vor allem aber ist das gesamte System nun sehr flott.

Ioniq 6
Vorne gibt es einen Frunk mit 45 Liter Größe.

Bauartbedingt fällt die Laderaumöffnung nicht sehr groß aus; dahinter bietet sich ein Kofferraum von 401 Litern; darunter gibt es noch ein Fach für Kleinkram. Die Rücksitzlehnen lassen sich ausschließlich vom Kofferraum aus umklappen. Um wie viele Liter das Ladevolumen dann steigt gibt es keine Angaben. Dafür genießt man auf den (beheizbaren) Rücksitzen viel Beinfreiheit, und trotz der Coupéform stoßen auch Erwachsene nicht an den Dachhimmel; größer als 1,90 Meter sollten sie allerdings nicht sein. Unter der Vorderhaube gibt es einen Frunk mit einer Größe von 45 Liter.

Unser nächster Zwischenstopp ist am Schnelllader – wir melden uns.

24.08.2023: Und dort waren wir nun, am Schnellader. Doch bevor wir dazu kommen, möchten wir noch eine Richtigstellung anbringen. Der Sprachassistent im Ioniq 6 kann entgegen unserer Angaben durchaus auch andere Befehle umsetzen als nur die Adresserfassung. So kann man auch die Sitzheizung/-lüftung oder die Medien (Radio/Media) über ihn ansteuern. Die Ansagen versteht er zuverlässig – hier hat Hyundai einen echten Fortschritt zu verzeichnen.

Doch zurück zum Laden. Wir waren wieder an „unserer“ HPC-Säule bei Aral Pulse. Die Außentemperatur betrug 25 Grad, die Vorwärmung des Akkus war auf der langen Fahrt (per Taste) aktiviert worden. Wir starteten bei 9 Prozent SoC, woraufhin der Ladestrom flugs auf 220 kW hochschnellte (siehe Diagramm). Nach 10 Minuten hatten wir den Peak bei 236 kW erreicht, bevor es stufenweise nach unten ging. Beachtenswert ist die „Ladepause“ zwischen der 22. und 24. Minute mit nur 9 kW. Doch ist die nicht sehr relevant, da die 80 Prozent SoC bereits nach 19 Minuten erreicht waren. So sollte es sein; das Laden ist zweifelsohne die Schokoladenseite der Ioniq-Baureihe.

Das Laden lässt sich vom Fahrersitz aus gut verfolgen.

Und noch zwei Zahlen: Innerhalb von 30 Minuten kamen wir auf einen Ladestand von 91 Prozent SoC, und in 10 Minuten hatten wir Strom für 240 Kilometer getankt. Schön ist auch, dass man die Stromstärke während des Ladens auf dem zentralen Display verfolgen kann, und sogar das Lenkrad gibt über kleine blinkende LEDs den ungefähren Ladestand an. Fuhrparkmanager aufgepasst: Angesichts seiner Reise-Reichweite von rund 400 Kilometern und dieser Ladeperformance ist der Ioniq 6 ein echtes Reisefahrzeug.

28.08.2923: Und die 400 Kilometer Reichweite bestätigten sich zuletzt auf einer längeren Tour von Frankfurt nach Köln und zurück. Bei einem Schnitt von 17,2 kWh je 100 Kilometer, gefahren bei einem Tempo von 120 bis 130 km/h, wollten wir eigentlich kurz vor Frankfurt sicherheitshalber nachladen, mussten aber feststellen, dass die Säulen auf den Raststätten entweder außer Betrieb oder besetzt (Camberg) waren. So luden wir neben der A66 in Kriftel an einer EnBW-Säule kurz nach – und ärgerten uns einmal mehr über die mangelhafte Ausstattung der Raststätten an den Autobahnen A3 und A5 im Rhein-Main-Gebiet.

Ioniq 6
Die intelligente Rekuperation kann man einstellen.

Dennoch ist der Ioniq 6 ein toller Reisewagen, der nicht nur sparsam unterwegs ist, sondern auch sehr schnell lädt, auch wenn die Ladekurve mit der zuletzt gezeigten nicht ganz deckungsgleich war, da er dieses Mal ein wenig länger brauchte, um auf die volle Leistung von 236 kW zu kommen. Einziges Manko auf der Tour: Die zuvor bereits erwähnten Warntöne bei Überschreiten des Tempolimits, denn EU-Kommissar Timmermanns hat dafür gesorgt, dass Neuwagen ab 2022 verpflichtend mit einem automatischen, kamera- und/oder GPS-gestützten Speedlimiter ausgestattet sein müssen. Die Frage ist, ob sich diese nicht einfacher abschalten lassen könnten.

Werfen wir noch einen Blick auf den Preis. Unser top ausgestatteter Testwagen kostet inklusive dem höchsten Uniq-Paket sowie dem Park- und dem Sitzpaket exakt 63.650 Euro brutto, wovon man die 1.300 Euro für die digitalen Außenspiegel abziehen könnte. Wer es nicht ganz so luxuriös haben möchte: Der Ioniq 6 (Basispreis: 43.900 Euro) mit großem Akku (5.000 Euro) und Dynamiq-Paket (5.100) liegt bei 54.000 Euro. Und damit bekommt man eine Menge E-Auto.

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