Renault Scenic

Test-Tagebuch: Renault Scenic E-Tech Electric

Im Testzeitraum von 14 Tagen fallen uns an einem Auto viele Kleinigkeiten auf. Das Test-Tagebuch fasst diese zusammen. Der Kandidat: Renault Scenic E-Tech Electric Iconic 220 Long Range.

30.10.2024: In Zeiten immer komplizierterer Fahrzeuge werden auch die Namen länger – wie man an dem jüngsten Test-Kandidaten mal wieder feststellen kann. Renault Scenic E-Tech Electric Iconic 220 Long Range heißt der Proband mit vollständiger Bezeichnung, wobei die 220 sich auf die PS-Leistung (genau 218) und der Begriff Long Range freilich auf die Akkugröße und damit die Reichweite bezieht. Dieser fasst eine nutzbare Energie von 87 kWh (brutto 92 kWh) und verspricht eine von 625 Kilometer.

Das dürfte doch etwas außerhalb des Möglichen nicht liegen, denn bei einem WLTP-Verbrauch von 16,8 kWh je 100 Kilometer sind rein rechnerisch um die 500 Kilometer drin. Wir werden das demnächst auf unserer Verbrauchsrunde genauer eruieren.

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Attraktive Erscheinung: Renault Scenic E-Tech Electric.

Großer Akku, große Reichweite

Werfen aber wir zunächst einen Blick auf das Auto und dessen Historie. Mit Scenic bezeichneten die Franzosen ja eigentlich einen kompakten Familien-Van. Doch nachdem diese Fahrzeugform außer Mode gekommen ist, steht sie nun für einen Crossover – der allerdings auch jede Menge Platz bietet. Nicht nur zwischen den Sitzreihen, sondern auch im Heck: Der geräumige Laderaum fasst 545 bis 1.670 Liter. Und auch der Fahrer kann sich in allen Richtungen gut ausbreiten – mit ewig großer Kopffreiheit bis zum riesigen Glasdach, auf das wir zu einem späteren Zeitpunkt eingehen werden.

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Der Bordcomputer sieht die Reichweite nach Vollladung realistischer mit 519 Kilometern. Fotos: Mag

Man fühlt sich also schnell wohl im Elektro-Scenic, der seine Ladeklappe auf der Beifahrerseite vorn hat, was für das Bordsteinladen sehr günstig ist. Und die Preise? Los geht es in der Basisausstattung Evolution mit dem kleinen Akku (60 kWh) und kleinem Motor (125 kW/170 PS) bei 41.400 Euro. Den Long Range gibt es nur in Verbindung mit dem stärkeren Motor ab 48.900 Euro. Unser Kandidat fährt mit der ziemlich kompletten Ausstattung Iconic und kostet 52.100 Euro brutto.

04.11.2024: Nun waren wir einige Kilometer mit dem Scenic E-Tech unterwegs und haben in unserer 100-Kilometer-Verbrauchsrunde den Stromkonsum ermittelt. Zudem ist uns aufgefallen, wie schnell man sich mit ihm anfreunden kann. Die Bedienung ist selbsterläuternd, vieles lässt sich noch per Taste unter dem zentralen, 12 Zoll großen Monitor regeln, vieles auch über die drei (!) rechts hinter dem Lenkrad angebrachten Stockhebel. Die da wären: Getriebe (oben), Scheibenwischer (Mitte) und Musik (unten). Da vergreift man sich am Anfang schon ab und zu; später kaum noch.

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Die Verbrauchsfahrt bewältige der Scenic E-Tech mit einem Durchschnittsverbrauch von 19,2 kWh.

Die Sitze sind langstreckentauglich und verwöhnen mit einer Massagefunktion, das Lenkrad lässt sich weit zum Fahrer hin herausziehen, Bein- und Kopffreiheit sind üppig bemessen. Der Motor mit seinen 160 kW wird elektronisch gut im Zaum gehalten, zieht aber dennoch dynamisch von dannen, wenn er es denn soll. Allerdings nicht im Eco-Modus, denn der ist im Scenic wirklich Eco und eignet sich kaum für die Autobahn. Zudem gibt es noch „Komfort“ und eine persönliche Einstellung.

Wichtig auch: Die Warntöne bei Geschwindigkeitsüberschreitung sind sehr zurückhaltend – es erklingt nur ein leises Pling, das sich auch gut überhören lässt. Wenn nicht kann man es abschalten und diese Funktion auf einen Schalter legen. Vorbildlich. Und auch die vielen anderen Assistenzsysteme halten sich wohltuend zurück und nerven nicht mit überflüssigen Warntönen.

Der Alltagsverbrauch hat sich auf einer längeren Tour in die Eifel (von Frankfurt aus) auf 20,6 kWh je 100 Kilometer eingependelt. Auf unserer Verbrauchsrunde kamen wir auf einen Wert von 19,2 kWh. Damit lässt es sich gut leben. Somit kann man sich leicht ausrechnen, dass man mit der Akkukapazität Reichweiten von um die 400 Kilometer realisieren kann. Im „Autobahnfenster“ von 80 bis 10 Prozent SoC kommt man dann auf Reichweiten von 300 Kilometer.

Und nun machen wir uns auf zum Schellladen.

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Die Ladekurve des Renault Scenic E-Tech.

07.11.2024: Über Nacht ist der Winter eingekehrt im Rhein-Main-Gebiet. Als wir zum Schnellladen aufbrechen misst der Scenic gerade mal 4 Grad Außentemperatur. Zwar besitzt der Franzose eine Akkuklimatisierung, doch die 20 Minuten Fahrt zum Lader reichten offenbar nicht aus, um den Akku auf Wohlfühltemperatur zu bringen, denn die angesagten 150 kW maximale Ladeleistung wurden bei weitem nicht erreicht; das Maximum lag bei 89 kW (siehe Foto).

Aber: Die Ladekurve verläuft im Gegenzug sehr flach, und die durchschnittliche Ladeleistung von 4 bis 80 Prozent lag bei 77 kW. Zum Vergleich: Der Peugeot E-3008 schaffte bei warmen Temperaturen einen Schnitt von 80,5 kW. So benötigte der Scenic für die Ladung von 10 auf 80 Prozent SoC 46 und von 15 auf 80 Prozent 42 Minuten. Im Innenraum werden die geladenen Kilometer sowie die Füllung des Akkus in Prozent angezeigt, die momentane Ladeleistung nicht.

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An der HPC-Ladesäule nicht der Schnellste: Renault Scenic E-Tech.

Ein besonderes Lob möchten wir dem Sprachassistenten von Google aussprechen. Er verstand den Sprachbefehl „Fahre mich nach XY zur Ladesäule von EnBW“ augenblicklich – das gab es so noch bei keinem Testwagen. Natürlich verfügt das System auch über eine gute Ladeplanung für Langstrecken. Informativ ist auch die Angabe des voraussichtlichen Akkustandes bei der Ankunft am einprogrammierten Ziel.

Und nicht zu vergessen: Wie bei Renault üblich verfügt auch der Scenic E-Tech über einen 22-kW-AC-Lader, was bei der großen Batterie für das Laden in Städten wichtig ist, um nicht die 4-Stunden-Grenze zu überschreiten. Den Ladestand des Akkus kann man in Fünfer-Schritten begrenzen; die Ladegeschwindigkeit kann man nicht einstellen.

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Der Laderaum ist groß, bei umgeklappten Rücksitzlehnen stört aber eine Stufe. Foto: Renault

11.11.2024: Bevor wir noch auf einige Details der Renault Scenic E-Tech eingehen, möchten wir noch einmal auf dessen Ladeperformance eingehen, denn die hat in den sozialen Medien doch einige unsachliche Kommentare geerntet. Auch wenn er bei unserem Test mit 42 Minuten von 15 auf 80 Prozent SoC einige Minuten länger gebraucht hat, so möchten wir betonen, dass er bei warmen Temperaturen oder gut vorgeheiztem Akku durchaus in die Nähe der avisierten 30 Minuten Ladezeit kommen dürfte, sich also ganz im Bereich dessen tummelt, was die 400-Volt-Konkurrenz ebenfalls schafft. Hingegen ist der serienmäßige 22-kW-AC-Lader eher selten vorzufinden und ein echter Mehrwert.

Ein Alleinstellungsmerkmal besitzt der Scenic auf jeden Fall mit seinem Panoramadach „Solarbay“. Um auf eine Jalousie verzichten zu können, die die Kopffreiheit mindert, wird die Transparenz des Glases elektrisch verändert. Bei jedem Druck auf den Schalter wird ein Stück des Daches abgedunkelt oder wieder aufgehellt – je nachdem wie viel Licht man in den Innenraum lassen möchte. Die Neuheit kostet jedoch 1.500 Euro Aufpreis.

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Die Fondsitze bieten mehr als genug Beinfreiheit. Foto: Renault

Das Fahrwerk ist eher auf Komfort ausgelegt, weiß den 1.822 Kilo schweren Scenic aber gekonnt und ohne viel Seitenneigung in der Spur zu halten. Die Lenkung entspricht dieser Auslegung und vermittelt guten Kontakt zur Straße. Die Bremsen greifen bissig zu, ohne aber zu früh zu blockieren. Die Rekuperation lässt sich in mehreren Stufen an zwei Paddels am Lenkrad einstellen.

Eine Anmerkung noch zum elektronischen Innenspiegel. Diesen kann man von der normalen Rücksicht auf ein Kamerabild umstellen, das ein breiteres Bild hinter dem Auto darstellt. Der Nachteil: Die Augen müssen sich bei jedem Blick in den Spiegel neu auf die Perspektive einstellen. Und war die normale Einstellung letztlich lieber.

Alles in allem hinterließ der Scenic E-Tech einen ausgereiften und durchdachten Eindruck. Er leistet sich kaum Schwächen und bietet mit dem 22-kW-Lader einen echten Mehrwert.

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