Braucht man im Volvo XC40 Recharge einen Allradantrieb? Wir fuhren die Single-Motor-Version – ein Bericht.
Seit einigen Monaten kann man den rein elektrischen Volvo XC40 auch mit nur einem Motor kaufen. Das als „Single Motor“ bezeichnete Modell kostet 6.500 Euro weniger als der „Twin Motor“ und leistet 170 statt 300 kW (231/408 PS). Freilich ist ein Allradler vor allem im Winter ein zuverlässigerer Begleiter, doch wie oft schneit es noch in flacheren Gefilden wie dem Rhein-Main-Gebiet?
Nun ja, wir haben uns den Fronttriebler, der dieser Tage zum Hecktriebler wird (dazu später mehr), genauer angesehen – und zunächst festgestellt, dass man bei nasser und vor allem trockener Straße nicht über Traktionsprobleme klagen muss. Nicht ein einziges Mal drehten beim Anfahren die Vorderräder durch. Auf der anderen Seite bringen sie die 170 kW des Permanentmagnet-Synchronmotors so überzeugend auf die Straße, dass es einen nicht nach mehr Power verlangt. In Zahlen: In 7,4 Sekunden sprintet er von null auf 100 km/h und erreicht eine (abgeregelte) Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h.
Viele Daten beim Laden
Doch der Reihe nach. Auf den ersten Kilometern fiel uns erneut auf, wie sparsam der XC40 zunächst mit der Anzeige „elektrischer“ Daten umgeht. So gibt es im zentralen Display nur eine (kleine) SoC-Anzeige mit Balkendiagramm. Wer die Reichweite in Kilometern einsehen möchte, muss im mittleren Display die App „Fahrdaten“ bemühen, die zudem Hinweise auf verbrauchsoptimiertes Fahren gibt. Deren Reichweitenanzeige wird dann in der untersten Zeile im mittleren Display konstant angezeigt. Dieser Eindruck ändert sich flugs beim Laden. Dann erscheinen im Display hinter dem Lenkrad alle wichtigen Daten bis hin zu der aktuellen Ladegeschwindigkeit in kW. Vorbildlich.
Planung von Ladestopps
Über die Fahreigenschaften des XC40 haben wir bereits in unserem Aufsatz zum Twin Motor berichtet. Deswegen sei an dieser Stelle lediglich angemerkt, dass es an Fahrwerk, Bremsen, Sitzergonomie und Komfort wenig zu mäkeln gibt. In die Bedienung muss man sich freilich ein wenig einarbeiten, aber dann findet man sich schnell zurecht. Als angenehm empfanden wie einmal mehr das Google-Betriebssystem und die Routen- und Ladeplanung über Google Maps. Direkt nach der Routenberechnung fragt das System, ob Ladestopps eingeplant werden sollen und bezieht sie ein. So soll das sein.
Mäßige Ladeleistung
Leider hat das Vorheizen des Akkus vor dem Schnellladestopp anscheinend nicht funktioniert, obwohl wir uns vom Navi zu unserem Aral Pulse Supercharger haben leiten lassen. Dort kamen wir mit einem Rest-SoC von 15 Prozent an. Bei Temperaturen um die 12 Grad startete der Ladevorgang bei mäßigen 71 kW. Fortan steigerte sich die Ladeleistung langsam auf maximal 96 kW zwischen der 18. und 28. Minute, bevor es wieder langsam bergab ging (siehe Chart). Eigentlich sollte die maximale Ladeleistung des XC40 Recharge Single bei 150 kW liegen. Immerhin benötigten wir bis zur 80-Prozent-Grenze 36 Minuten und damit nicht viel länger als die Herstellerangabe von 32 Minuten. Volvo garantiert übrigens, dass die Batterie nach acht Jahren oder 160.000 Kilometern Fahrleistung noch mindestens 70 Prozent ihrer anfänglichen Leistung aufweist.
21,9 kWh Verbrauch
Der Akku fasst brutto 69 kWh (Netto 67 kWh) und soll laut WLTP eine Reichweite von 416 Kilometern ermöglichen. Davon kann auch bei den genannten milden Temperaturen keine Rede sein. Nach Vollladung zeigte das System 330 Kilometer an, die nach einer Nacht auf 310 geschrumpft waren. Diese stehen dann aber auch wirklich zur Verfügung.
Hier finden Sie das Test-Tagebuch zum Volvo XC0 Recharge Single Motor
Der Verbrauch pendelte sich laut Bordcomputer bei 20,5 kWh je 100 Kilometer ein und damit recht nahe an den Normvorgaben von 19,0 kWh, wir waren aber auch relativ selten auf Autobahnen unterwegs und wenn, dann gemütlich. Letztlich kamen wir mit Ladeverlusten auf einen Verbrauch von 21,9 kWh. Zum Vergleich: Den Twin Motor maßen wir im Sommer mit 23,8 kWh. Ein weiterer Pluspunkt für den Single. Übrigens: Per Tastendruck kann man verbrauchsrelevante Systeme wie die Heizung für mehr Reichweite optimieren („Range Optimizer“).
Keine Schaltwippen
Es gibt aber auch einiges, was uns gestört hat. So gibt es keine Schaltwippen für die Einstellung der Rekuperation. Hierfür muss man in die Fahrzeugeinstellungen wechseln und hat dann die Wahl zwischen dem One-Pedal-Drive, also eine starke Rekuperation bis zu Stopp des Fahrzeugs, oder dem Segelmoduls ohne jegliche Bremsverzögerung. Da man zwischen den beiden Extremen ja doch öfter mal wechselt (Autobahn segeln, Stadtverkehr One-Pedal-Drive) wäre es angenehm, diese Funktion nicht in den Menüs zu verstecken.
Vorsicht: das Ladekabel
Auch sollte man beim Kauf aufpassen, dass man sich ein dreiphasiges Ladekabel ins neue Auto legen lässt. Das gibt es ohne Aufpreis und ersetzt das vorgesehene Mode-2-Kabel, das nur mit einer Phase lädt. Und leider fehlt im Angebot ein Head-Up-Display. An den Haken nehmen darf der Single Motor 1.500 Kilogramm gebremst und 750 ungebremst (Twin Motor: 1.800/750). Zudem gibt es unter der vorderen Haube einen Frunk, der 31 Liter fasst. In den Laderaum passen 419 bis 1.295 Liter.
Praktisch: Entriegelungstaste
Als sehr angenehm haben wir die Entriegelungstaste direkt neben der Ladedose erlebt; zudem das Ausbleiben nerviger Pfeif- und Piepstöne. Während andere Autos schon piepsen, wenn man sich nur hinters Lenkrad setzt oder die beim Rückwärtsfahren total durchdrehen, bleibt der Volvo souverän ruhig. Sogar beim Einparken meldet er sich erst, wenn´s langsam knapp wird. In einem Fall hat er dennoch schnell reagiert, als beim Ausparken Querverkehr vor die Heck-Stoßstange gefahren war. Respekt.
Volle Umweltprämie
Werfen wir abschließend einen Blick auf die Kosten. Bei der Bafa ist der XC40 Recharge Pure Electric mit einem Basispreis von 39.915 Euro netto (47.500 brutto) gelistet und kommt noch in den Genuss der vollen Förderung von 4.500 Euro. Wir fuhren den XC40 Recharge übrigens in der Top-Ausstattungsvariante Ultimate für 56.690 Euro brutto. Hinzu kamen halbelektrische Anhängekupplung für 960 Euro, Sonderlackierung (790), abgedunkelte Seiten- und Heckfenster (390) sowie Sitzmöbel in umweltfreundlicher Ledernachbildung (Microtech) für 1.800 Euro. Endpreis: 60.630 Euro. Die Betriebskosten liegen laut ADAC bei 925 Euro monatlich beziehungsweise 74 Cent je Kilometer (5 Jahre/75.000 Kilometer).
Heckantrieb und großer Akku
Allerdings findet derzeit eine Modellauffrischung statt. Bei den Modellen XC40 und C40 ersetzt an der Vorderachse ein Asynchron-Motor, der auf Autobahnen und Schnellstraßen effizienter betrieben werden kann, den bislang verwendeten Permanentsynchron-Motor. Für die „Single Motor“-Variante gibt es dann auch einen großen Akku mit 78 kWh, die als „Extended Range“-Modell verkauft wird und bis zu 533 Kilometer ohne Ladestopp schaffen soll (Aufpreis 5.500 Euro). Die Reichweite der Basismodelle mit unverändert 67 kWh großer Batterie bleibt mit 438 Kilometern auf bekanntem Niveau. Das neue Motorlayout der Allradmodelle hat auch in den Fällen der Single-Motor-Modelle Folgen, da der Antrieb aus produktionstechnischen Gründen von vorne an die Hinterachse wandert und ein wenig an Kraft zulegt. Im Standardmodell sind es 175 kW/238 PS, in der Langstreckenausführung 185 kW/252 PS.
Die Preise für die neue „Extended Range“-Ausführung mit einem Motor starten bei 50.322 Euro. Für die erneuerten Allradmodelle werden mindestens 57.272 Euro fällig. Die Basisausführung mit kleiner Batterie und einem Motor gibt es ab 47.500 Euro. Titelfoto: Volvo
Hier finden Sie das Test-Tagebuch zum Volvo XC0 Recharge Single Motor
Volvo XC40 Recharge Single Motor – Technische Daten:
Fünftüriges SUV, Länge: 4,440 Meter, Breite: 1,863 Meter (mit Außenspiegeln 2,034), Höhe: 1,647 Meter, Radstand: 2,702 Meter, Kofferraumvolumen: 419 bis 1.295 Liter.
Permanenterregter Synchronmotor mit 170 kW/231 PS, max. Drehmoment 330 Newtonmeter, Akku: 69 kWh (67 kWh netto), Ladeleistung max. 150 kW DC, 11 kW AC, 0 – 100 km/h 7,4 s., Vmax: 160 km/h, Verbrauch: 19,0 kWh (WLTP), Testverbrauch 21,9 kWh (mit Ladeverlusten), Reichweite: 416 – 571 km (WLTP), Reichweite real 310 – 330 km, CO2-Ausstoß: 0 g/km, Effizienzklasse: A+, Anhängelast: 750/1.500 kg, Stützlast: 100 kg, Dachlast: 75 kg.
Preis: 48.650 Euro, 60.630 Euro (Testwagen).
Guter Komfort
Gute Verarbeitung
Ladestopp-Berechnung
Frunk (31 Liter)
SoC-Anzeige
Angemessenerer Verbrauch
Gute Traktion
Keine Lenkradpaddel
Kein Head-up-Display
Geringe Ladeleistung im Test
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